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# taz.de -- Politische Krise in Peru: Merino gibt Protesten nach
> Mit dem Rücktritt des umstrittenen Interimspräsidenten Manuel Merino
> verliert Peru innerhalb von einer Woche bereis den zweiten Staatschef.
Bild: Fahrraddemo am Sonntag gegen Übergangspräsident Merino in Limas Stadtte…
Buenos Aires taz | Peru ist ohne Staatsführung. Nach nur fünf Tagen im Amt
trat Interimspräsident Manuel Merino zurück. „Ich möchte, dass das ganze
Land weiß, dass ich meinen unwiderruflichen Rücktritt vom Amt des
Präsidenten der Republik eingereicht habe“, erklärte der 59-jährige
konservative Politiker am Sonntag in einer Fernsehansprache.
Vordergründig reagierte Merino damit auf die seit sechs Tagen anhaltenden
landesweiten Proteste gegen seine Amtsübernahme Anfang der vergangenen
Woche. Dabei waren am Samstag zwei junge Protestierende von der Polizei
getötet wurden.
Entscheidend für Merinos Rücktritt war jedoch der verlorene Rückhalt des
Parlaments. Auf einer Dringlichkeitssitzung am Sonntagvormittag hatten
Parlamentspräsident Luis Valdez sowie die Fraktionsvorsitzenden der
wichtigsten Parteien im Parlament Merinos Abgang beschlossen. Mit seinem
Rücktritt kam Merino lediglich einer formellen Amtsenthebung durch das
Parlament zuvor.
Seither ist Peru ohne Staatsoberhaupt. Zumindest bis zum späten
Sonntagabend konnte sich das Parlament nicht auf eine Nachfolge im
Präsidentenamt verständigen. Zuvor war der Vorschlag, Rocío Silva
Santisteban von der linken Frente Amplio anstelle des zurückgetretenen Luis
Valdez zur Parlamentspräsidentin zu wählen und die 57-jährige Abgeordnete
damit gemäß der Verfassung zur legitimen Amtsnachfolgerin zu machen, am
mehrheitlichen Nein der Abgeordneten gescheitert.
## Freude über Merinos Rücktritt
Bereits kurz nach Merinos Rücktrittsverkündung waren zahlreiche Menschen
spontan auf die Straße gegangen. In der Hauptstadt Lima zogen sie feiernd
zum Parlamentsgebäude. Zugleich forderten sie Gerechtigkeit für den
22-jährigen Jack Pintado Sánchez und den 25-jährige Inti Camargo, die nach
einer friedlichen Demonstration am Samstag durch Gummigeschosse der Polizei
getötet worden waren.
Augenzeugen berichteten, die Uniformierten seien mit brutaler Härte gegen
die Protestierenden vorgegangen. Mindestens 94 Personen waren zum Teil
schwer verletzt, zahlreiche Personen meist willkürlich festgenommen worden.
Menschenrechtsgruppen haben gemeinsam Strafanzeige wegen zweifachen Mordes
gegen Merino und weitere Verantwortliche für den Polizeieinsatz gestellt.
Amnesty International (AI) hatte den Einsatzkräften bereits an den Tagen
zuvor übermäßige Gewalt gegen friedlich Demonstrierende vorgeworfen und
dabei vor allem den Einsatz und die Festnahmen durch die zivile
Eingreifgruppe „Terna“ angeprangert. Deren Agenten hätten sich gezielt als
Provokateure unter die Demonstrierenden gemischt.
Am Sonntagmittag war der Aufenthaltsort von 52 Verhafteten noch immer nicht
bekannt, erklärte eine AI-Sprecherin. Perus Journalist*innenverband ANP
zählte in den ersten vier Tagen 35 schwere Übergriffe auf Reporter*innen
und Fotograf*innen.
## Parlamentarier in der Kritik
Am Montag hatte das Parlament den bisherigen Staatspräsidenten Martín
Vizcarra wegen „permanenter moralischer Unfähigkeit“ mit großer Mehrheit
[1][abgesetzt] und so den Weg für Merino in Präsidentenamt freigemacht. Das
Parlament hatte Vizcarra wegen unbelegter Vorwürfe abgesetzt, in seiner
Zeit als Gouverneur Bestechungsgelder angenommen zu haben. Zwar ermittelt
die Staatsanwaltschaft, hat aber bisher keine Anklage erhoben.
Angesichts der Proteste bekamen die Abgeordneten kalte Füße. Sie
befürchten, der Zorn der Bevölkerung könnte sich bald auch massiv gegen sie
richten. Tatsächlich ist die Furcht der Parlamentarier*innen begründet.
Denn [2][gegen die Hälfte von ihnen laufen Ermittlungsverfahren]. Die
Vorwürfe reichen von Korruption über Geldwäsche bis zu Vetternwirtschaft.
Bei einer Umfrage des Instituts Ipsos Perú Mitte September senkten 72
Prozent der Befragten bei der Bewertung des Parlaments den Daumen nach
unten. Dagegen hielten fast 60 Prozent die Amtsführung des damaligen
Präsidenten Vizcarra für gut.
16 Nov 2020
## LINKS
[1] /Perus-Praesident-abgesetzt/!5727873
[2] /Abwahl-des-peruanischen-Praesidenten/!5727922
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Martín Vizcarra
Peru
Schwerpunkt Korruption
Protest
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