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# taz.de -- CDU kritisiert Atomlager an der Weser: Neue Gegner für Würgassen
> Rund um das im Dreiländereck geplante Zwischenlager wächst der Unmut. Nun
> protestiert sogar die CDU im benachbarten Holzminden.
Bild: Neues Atomdrehkreuz? Ehemaliges AKW Würgassen
Hannover taz | Bei manchem in der niedersächsischen Grünen-Fraktion hat das
Foto ungläubiges Gelächter ausgelöst: Da hockt der langjährige
Innenminister Uwe Schünemann (CDU), der in seiner Amtszeit hart gegen
Castorproteste vorging, beim [1][Ortstermin mit Parteikollegen auf einem
überwucherten Gleis]. Es führt zum alten Atomkraftwerk Würgassen, das 1994
den Betrieb einstellte.
Hier geht es nicht ums „Schottern“, aber die Botschaft des Bildes ist klar:
Die Bahnstrecke taugt nicht für den Transport von Atommüll, die
Niedersachsen-CDU hält das Gelände des einstigen AKW für den falschen
Standort für ein großes Atommüllzwischenlager im Dreiländereck
Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen.
Hier will die [2][bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ)]
vorübergehend nahezu allen in Deutschland anfallenden schwach- und
mittelradioaktiven Atommüll abstellen, die für das Endlager im Schacht
Konrad bestimmt sind. Geplant ist ein „Logistikzentrum“, eine rund 325
Meter lange, 125 Meter breite und 16 Meter hohe Halle aus Stahlbeton.
Kosten: 450 Millionen Euro.
Nun ist es nicht so, dass Schünemann und seine CDU plötzlich ins Lager der
Atomgegner gewechselt sind. Aber das westfälische Würgassen grenzt direkt
an Schünemanns Wahlkreis im niedersächsischen Holzminden. Da denkt auch der
einstige CDU-Hardliner darüber nach, ob das Lager wirklich nötig ist.
Schünemann fordert nun, Schacht Konrad aus bereits bestehenden
Zwischenlagern im gesamten Land zu beliefern.
## Keine neuen Gutachten
„Die Entwicklung im Bereich der Logistik ist enorm“, schrieb er ans
Bundesumweltministerium. Mithilfe von künstlicher Intelligenz könnten die
Atomlieferungen so optimiert werden, dass eine zentrale Zwischenlagerstätte
überflüssig ist. Das solle eine neue Studie belegen. Doch das Ministerium
in Berlin winkte ab: Ein weiteres Gutachten ergebe keinen Sinn, man befasse
sich seit Jahren mit der Frage, die Entsorgungskommission habe 2018 die
Notwendigkeit eines Bereitstellungslagers bestätigt.
Der Haken sind die Einlagerungsbestimmungen für Schacht Konrad, ein
stillgelegtes Eisenerz-Bergwerk und genehmigtes Endlager nahe Salzgitter,
wo ab 2027 wenig strahlender Atommüll aus Krankenhäusern oder stillgelegten
AKWs eingelagert werden soll. Weil diese Regeln eine strenge Reihenfolge
und Grenzwerte für die einzelnen Gebinde festlegen, müssen die Abfälle neu
zusammengestellt werden. Am Schacht Konrad selbst sei dafür kein Platz,
sagt das Umweltministerium.
[3][Die niedersächsischen Grünen] vermuten eher, dass man Angst hat, den
Planfeststellungsbeschluss für Schacht Konrad noch einmal anzurühren. „Es
ist doch jedem klar, dass der nach heutigen Maßstäben nicht
genehmigungsfähig wäre“, so der Landtagsabgeordnete Christian Meyer, der
seinen Wahlkreis ebenfalls in Holzminden hat.
Miriam Staudte, Atomexpertin der Fraktion, hält die eingleisige Bahnstrecke
vor Ort wie Schünemann für untauglich und sagt: „Natürlich schreit keine
Gemeinde Hurra, wenn sie als Standort ausgewählt wird.“ Zudem sei das
„gesamte Verfahren intransparent und fragwürdig“. Auswahl und Gewichtung
der Entscheidungskriterien erschließen sich vielen nicht.
## Autobahnzufahrten sind weit entfernt
„Wir haben den Eindruck, diese Kriterien sind so zurechtgebogen worden,
dass am Ende nur Würgassen herauskommen konnte“, sagt Dirk Wilhelm von der
Bürgerinitiative „Atomfreies 3-Ländereck“. Warum sei zum Beispiel die
Entfernung zu Wohngebieten auf 300 Meter festgeschrieben worden? Für
Windräder gälten mancherorts bis zu 1.000 Meter. Autobahnzufahrten sind
weit entfernt, die Bahnstrecke nur eingleisig. Würgassen liegt in einem
Hochwasserschutzgebiet und einer Tiefflugzone.
Wilhelm, der früher selbst im AKW gearbeitet hat, glaubt, dass die
Entscheidung letztlich eine politische war: „Schacht Konrad ging nicht, in
Niedersachsen gibt es zu viel gewachsenen Widerstand – aber hier hat man
eine strukturschwache Region direkt hinter der Landesgrenze, in der ohnehin
schon einmal ein Atomkraftwerk stand.“
Von den neun Liegenschaften, die das BZG in der engeren Wahl hatte, wurde
nur Würgassen für weitere Untersuchungen auserkoren. Das
Bundesumweltministerium weist solche Vorwürfe zurück. Die Kriterien seien
bereits im Sommer 2018 veröffentlicht worden, alle weiteren Informationen
zu Standortsuche und -auswahl seien für jeden öffentlich einsehbar.
Man könne für ein solches Lager aber auch nicht dieselben Kriterien wie bei
der Endlagersuche anlegen, erklärt ein Ministeriumssprecher. Das betont
auch die BZG: Es gehe nur um schwach- bis mittelradioaktive Abfälle. Die
Atombehälter sollen in Würgassen auch lediglich neu zusammengestellt und
nicht geöffnet werden. Das Bereitstellungslager soll nur so lange in
Betrieb sein, bis Schacht Konrad befüllt ist. Das sei etwas anderes als die
Endlagerung hochradioaktiver Castoren, die für die nächsten hundert Jahre
strahlungssicher sein müssten.
Vor Ort überzeugt man damit aber niemanden. Ein Auftritt der BGZ-Führung im
Holzmindener Kreistag mündete in einer einstimmigen Resolution gegen das
Zwischenlager. Drei Landkreise, 13 Städte und Gemeinden haben sich
mittlerweile angeschlossen. Nach der Sommerpause wird sich der
Niedersächsische Landtag mit dem Thema befassen.
19 Aug 2020
## LINKS
[1] https://www.westfalen-blatt.de/OWL/Kreis-Hoexter/Beverungen/4227834-CDU-Nie…
[2] https://bgz.de/2020/03/06/logistikzentrum-fuer-endlager-konrad-entsteht-in-…
[3] https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/presse/pressemeldungen/artikel…
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Würgassen
Atomenergie
Zwischenlager
IG
Schwerpunkt Atomkraft
Anti-Atom-Bewegung
Schwerpunkt Atomkraft
Atommüll
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