# taz.de -- Protest gegen Atomlager Würgassen: Hotspot der Atomindustrie | |
> Selbst die CDU rügt ein „Kommunikationsdesaster“: Gegen ein Atomlager in | |
> Würgassen formiert sich Widerstand in der Region. | |
Bild: Das ehemalige Atomkraftwerk Würgassen | |
Göttingen taz | Die Pläne zur Errichtung eines zentralen Zwischenlagers für | |
schwach- und mittelradioaktiven Atommüll auf dem Gelände des weitgehend | |
abgerissenen Atomkraftwerks Würgassen in Westfalen sorgen in der Region für | |
erhebliche Unruhe. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorhabens am 6. März | |
gab es eine erste Demonstration, eine [1][Online-Petition gegen das | |
Vorhaben] bekam in kurzer Zeit über 5.000 Unterstützer. Viele Kritiker | |
befürchten, dass durch den radioaktiven Abfall mehr Menschen an Krebs | |
erkranken und junge Familien die Region verlassen könnten. | |
Die [2][bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung] (BGZ) will in | |
Würgassen, einem kleinen Ort zwischen Göttingen und Paderborn, eine riesige | |
Halle bauen lassen, die vorübergehend sämtlichen in Deutschland | |
angefallenen und noch anfallenden schwach- und mittelradioaktiven Atommüll | |
aufnehmen soll. | |
In dem „Logistikzentrum“, wie die BGZ das geplante Bauwerk nennt, sollen ab | |
2027 Behälter aus den dezentralen Zwischenlagern gesammelt und für den | |
Transport ins Endlager Konrad zusammengestellt werden ([3][taz | |
berichtete]). Das einstige Eisenerzbergwerk in Salzgitter wird zurzeit zum | |
Bundesendlager für diese Art Atommüll ausgebaut. | |
Hubertus Grimm ist Bürgermeister der Stadt Beverungen, zu der Würgassen | |
gehört. Er erfuhr nach eigenen Angaben erst einen Tag vor der | |
Pressekonferenz der BGZ von dem Vorhaben. „Uns ist bewusst, dass ein | |
Vorhaben von der geplanten Dimension einen Vorlauf benötigt, der auch einer | |
gewissen Geheimhaltung unterliegen muss“, schreibt er in einer Erklärung | |
zusammen mit anderen Ortsvorstehern der Region. „Dass aber die örtlichen | |
politischen Repräsentanten praktisch zeitgleich mit der Öffentlichkeit | |
informiert werden, hat uns irritiert.“ | |
## „Kommunikationsdesaster“ | |
Der örtliche CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Haase spricht sogar von | |
einem „Kommunikationsdesaster“. Als Parlamentarier habe er bei einer | |
Planung des Bundes erwartet, „dass ich über die Planungen, die meinen | |
Wahlkreis betreffen, eher unterrichtet werde“. | |
Gabriele Evens, Inhaberin des Landhotels „Alte Linde“ in Würgassen, zeigt | |
sich ebenfalls verärgert. Sie befürchte Auswirkungen auf den Tourismus an | |
der Weser, sagte sie der Lokalzeitung. Der 65-jährige Ralf Przybylinski aus | |
Beverungen hat die Facebook-Gruppe gegen das Atommüllager gegründet, über | |
den Zuspruch auf die Petition ist Przybylinski überrascht. Für die | |
Wochenendhäuser und die weitere touristische Infrastruktur sei das | |
Zwischenlager „grausam“. Przybylinski ist nun bereit, seine Freizeit für | |
den Protest zu opfern. „Es geht um die Zukunft der Kinder“, sagt er. | |
Im niedersächsischen Nachbarkreis Holzminden mobilisieren indes die Grünen | |
zum Protest. „Widerstand gegen das geplante Atomlager ist angesagt“, sagt | |
Kreistagsfraktionschef Gerd Henke. Die Entscheidung für ein Atomlager | |
direkt an der Landkreisgrenze halte er für falsch. Das Dreiländereck | |
NRW-Hessen-Niedersachsen dürfe nicht zum „gefährlichen Hotspot“ der | |
Atomindustrie für die nächsten Jahrzehnte werden. | |
## Risiken durch zusätzliche Atomtransporte | |
Ludwig Wasmus von der atomkraftkritischen Arbeitsgemeinschaft Schacht | |
Konrad warnt vor den Risiken durch zusätzliche Atomtransporte. Durch die | |
Errichtung des Lagers verdoppele sich zwangsläufig die Anzahl dieser | |
Transpoorte, sagte er am Donnerstag der taz: „Das widerspricht dem | |
Minimierungsgebot und sorgt für erhöhte Gefährdung der Menschen.“ | |
Ein Standort für das Lager direkt am Schacht Konrad werde nur deshalb nicht | |
gewählt, weil dies zu einem neuen Planfeststellungverfahren für das | |
Endlager führen müsse. „Das aber scheuen die Betreibergesellschaften wie | |
der Teufel das Weihwasser, weil sie genau wissen, dass Konrad heute nicht | |
mehr genehmigungsfähig ist.“ Ihre Bedenken wollen Anwohner und | |
Umweltschützer der BGZ auch am kommenden Mittwoch bei einer | |
Informationsveranstaltung zum Thema in der Stadthalle Beverungen mitteilen. | |
13 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.openpetition.de/petition/online/verhindert-den-bau-eines-atommu… | |
[2] https://bgz.de/2020/03/06/logistikzentrum-fuer-endlager-konrad-entsteht-in-… | |
[3] /Abfall-fuer-Schacht-Konrad/!5667015 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
Energiewende | |
Zwischenlager | |
Würgassen | |
Anti-Atom-Bewegung | |
Atommüll | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
CDU kritisiert Atomlager an der Weser: Neue Gegner für Würgassen | |
Rund um das im Dreiländereck geplante Zwischenlager wächst der Unmut. Nun | |
protestiert sogar die CDU im benachbarten Holzminden. | |
Suche nach Atommüll-Endlager: Macht Corona ein Moratorium nötig? | |
Umweltschützer drängen auf eine Verschiebung des Fahrplans, um die | |
Beteiligung von Bürger!nnen sicherzustellen. Die Behörden sind dagegen. | |
Abfall für Schacht Konrad: Kritik an neuem Atommüll-Lager | |
Am früheren AKW-Standort Würgassen soll ein neues bundesweites | |
Zwischenlager entstehen. AtomkraftgegnerInnen lehnen das ab. | |
Atomausstieg in Deutschland: Studie unterschätzt Rückbaukosten | |
Eine Studie beziffert die Abrisskosten für alle Atomkraftwerke auf rund 18 | |
Milliarden Euro. In Wirklichkeit wird aber für den Rückbau sehr viel mehr | |
Geld benötigt werden. | |
Skandalreaktor Krümmel: An. Aus. An. Wieder Aus. | |
Schon beim Bau galt er als technisch überholt, seither gibt es im Schnitt | |
einmal im Monat eine Panne im Akw Krümmel. Die 25jährige Geschichte eines | |
Versagens. |