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# taz.de -- Abgeordnetenhaus Berlin: Vom Skandal zum Jura-Proseminar
> Im Hauptausschuss finden Rechnungshof-Chefin Klingen und die wegen der
> Corona-Milliardenschulden kritisierten Abgeordneten ein Stück weit
> zusammen.
Bild: So sah der Plenarsaal vor dem Umbau aus – jetzt gibt es corona-konform …
Berlin taz | Dafür, dass die eine Seite eine rechtlich wackelige
Konstruktion kritisiert und die andere sich eine politische Einmischung
verbeten hatte, bleibt es an diesem Mittwochmittag sehr gesittet im
Abgeordnetenhaus. Der Hauptausschuss tagt zum ersten Mal nach der
Sommerpause – im umgebauten Plenarsaal, in dem es nun corona-konform nur
noch Einzelplätze und keine Sitzreihen mehr gibt. Es geht um die Kritik des
Rechnungshofs am Parlament, das im Juni einen Nachtragshaushalt mit sechs
Milliarden Schulden beschlossen hat. In einem [1][achtseitigen Schreiben]
hat die Behörde einen zu langen Tilgungszeitraum moniert und eine klare
Festschreibung vermisst, wo die Schulden in der Corona-Krise helfen sollen.
Statt – verbal – aufeinander einzudreschen, tauscht man juristische
Einschätzungen über diesen und jenen Verfassungsartikel aus, der nicht
länger oder doch die Schuldenaufnahme ermöglichen soll, ob wohl die seit
diesem Jahr geltender Schuldenbremse das eigentlich verbietet. In einem
Punkt kommen sich Rechnungshofchefin Karin Klingen und die rot-rot-grüne
Koalition schnell näher: Was die Milliardenkredite konkret finanzieren,
soll in einem zweiten Nachtragshaushalt stehen, dessen Beratung an diesem
Mittwoch beginnt.
Es ist interessant zu erleben, wie Behördenchefin Klingen allein mit dem
Parlament und vor allem SPD-Chefhaushälter Torsten Schneider debattiert und
gegenhält. Denn bei der Nominierung für ihren Job im Mai 2018 war zu hören,
in Person von Klingen übernehme eine willfährige SPD-Freundin die
Kontrollbehörde für die Landesfinanzen. [2][„SPD-“Parteisoldatin“ soll
Rechnungshofpräsidentin werden“], stand damals im Tagesspiegel.
## CDU unterstützt Rot-Rot-Grün
Als ob die Koalition Unterstützung gegen Klingen bräuchte, solidarisiert
sich auch CDU-Haushaltsexperte Christian Goiny mit der rot-rot-grünen
Ausschussmehrheit. Denn dass Berlin sich übermäßig viel Zeit lasse mit der
Tilgung der Schulden – 27 Jahre und nicht bloß jene zehn, die Klingen für
richtig hält, um nicht die nächste Generation zu belasten – mag der
CDU-Mann nicht erkennen: „Wenn man das im bundesweiten Vergleich sieht,
sind wir da kein Ausreißer.“ Laut SPD-Mann Schneider gibt sich etwa das
schwarz-gelb regierte Nordrhein-Westfalen für die Rückzahlung 50 Jahre
Zeit. „Man kann nicht automatisch eine wirtschaftliche erfolgreiche Phase
wie seit 2012 voraussetzen“, sagte Goiny, „ich wage mal die Prognose, so
schnell wird's nicht gehen.“
Am Ende scheint selbst die AfD, die im Juni wie die FDP gegen den Haushalt
stimmte und die nach Klingens kritischem Bericht eine Verfassungsklage ins
Auge fasste, mit im Boot: „Wir müssen neue Schulden aufnehmen, da kommen
wir nicht drum herum“, sagt ihre finanzpolitische Sprecherin Kristin
Brinker, „ich halte es nur für schwierig, das pi mal Daumen zu
pauschalisieren.“ Brinker selbst hat am Morgen ihren [3][Rücktritt als
Vizechefin der AfD-Fraktion] bekannt gegeben: Sie soll von einer
Manipulation im Zusammenhang mit den Fraktionsfinanzen gewusst haben –
Brinker selbst bestreitet, dass es eine Manipulation gab.
Im Ausschuss ist man sich schließlich überwiegend einig, dass in der
Corona-Krise mehr als die bis jetzt beschlossenen sechs Milliarden Schulden
nötig sein werden – und lobt, dass der Rechnungshof seine Beratung
angeboten hat. SPD-Mann Schneider fasst das so zusammen: „Ich konstatiere:
Aus einem politischen Skandal ist ein juristisches Proseminar geworden.“
12 Aug 2020
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/rechnungshof/aktuelles/veroeffentlichungen/
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/personalie-karin-klingen-spd-parteisolda…
[3] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/08/kristin-brinker-afd-vize-frakt…
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Rechnungshof
Schwerpunkt Coronavirus
Abgeordnetenhaus
Rechnungshof
Schuldenbremse
Abgeordnetenhaus
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Neuer Ansatz der Aufsichtsbehörde: „Der Rechnungshof wird sichtbarer“
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zurück.
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