# taz.de -- Gerichtsurteil in Niedersachsen: Bordelle dürfen wieder öffnen | |
> In Niedersachsen wurde das allgemeine Verbot der Prostitution aufgehoben. | |
> Die Hamburger Behörden lassen sich davon nicht beeindrucken. | |
Bild: Darf wieder arbeiten: Prostituierte in ihrem Lovemobil im niedersächsisc… | |
BREMEN taz | In Niedersachsen dürfen die Bordelle wieder öffnen. Am Freitag | |
vergangener Woche hob das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) das | |
Verbot auf. Nun gelten in Bordellen dieselben Regelungen wie bei anderen | |
körpernahen Dienstleistungen, etwa Friseursalons: Die Betreiber*innen der | |
Etablissements müssen ein Hygienekonzept vorlegen, den Mindestabstand | |
gewähren, die Maskenpflicht durchsetzen, regelmäßige Desinfektionen | |
vornehmen und die Kontaktdaten der Kund*innen erfassen. | |
Gegen das Verbot geklagt hatte ein Bordellbetreiber. Er argumentierte, dass | |
die uneingeschränkte Schließung aller Prostitutionsstätten „eine nicht | |
gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den seit längerem unter | |
Schutz- und Hygieneauflagen zugelassenen sogenannten körpernahen | |
Dienstleistungen darstelle und daher gegen das Gleichbehandlungsgebot | |
verstoße“. Das Gericht gab ihm Recht. | |
Die niedersächsische Landesregierung war offenbar nicht auf den | |
Gerichtsbeschluss vorbereitet. Die Pressestelle des Gesundheitsministeriums | |
teilt mit, dass die Coronaverordnung des Landes nach gewissenhafter | |
Auswertung der Entscheidung des OVG zeitnah entsprechend angepasst werde. | |
„Herzlichen Glückwunsch“, kommentiert Stephanie Klee vom Bundesverband | |
Sexueller Dienstleistungen e.V. den Beschluss des OVG sarkastisch. Zwar sei | |
die Entscheidung ein Meilenstein. Wütend macht sie aber, dass der | |
stückweise Wiedereinstieg in den Berufsalltag der Prostituierten in jedem | |
Bundesland, in dem das Verbot bisher aufgehoben wurde, nur durch ein | |
gerichtliches Vorgehen möglich gewesen sei. | |
Seit Monaten führen Sexarbeiter*innen einen erbitterten Kampf gegen das | |
Verbot der Prostitution. „Wir haben Briefe geschrieben, Demonstrationen | |
gemacht, Tage der offenen Tür veranstaltet und auch ganz anschaulich | |
vorgemacht, wie Sexarbeit unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen | |
funktionieren kann. Das ist gar nicht so kompliziert!“, sagt Klee. | |
Die Politik verhalte sich „feige“, sagt Klee, die Befugnisse zur | |
Berufsausübung unter Coronabedingungen würden mit zweierlei Maß gemessen. | |
Während andere körpernahe Gewerbe ihren Betrieb schon vor Monaten wieder | |
aufnehmen durften, werde das Prostitutionsgewerbe außen vor gelassen. | |
In Hamburg, wo Prostitution nach wie vor allgemein verboten ist, lässt man | |
sich durch die Beschlüsse aus Niedersachsen nicht beirren. „Wir machen die | |
Entscheidung über die Ausübung der Prostitution vom Infektionsgeschehen | |
abhängig“, sagt Martin Helfrich, Pressesprecher der Hamburger | |
Sozialbehörde. Die Prostitution unterscheide sich von anderen körpernahen | |
Gewerben, da sie „von besonderer Nähe gekennzeichnet“ sei. Daher zähle f�… | |
die Entscheidung über ein allgemeines Verbot der Blick auf das | |
Infektionsgeschehen, nicht auf Hygienekonzepte. | |
„Manchmal geht die Fantasie mit den Leuten durch“, sagt hingegen Stephanie | |
Klee und spricht von unrealistischen Vorstellungen des Alltags in der | |
Sexarbeit. Sie vermutet einen mangelnden Willen zur Auseinandersetzung mit | |
den Abläufen in der Prostitution. „Die Verantwortlichen in der Politik | |
wollen nicht mit uns sprechen“, sagt sie. | |
Die Erfahrungen aus den Bundesländern, in denen Prostitution wieder | |
erlaubt ist, sind positiv. Hier gelten dieselben Hygienemaßnahmen wie auch | |
bei anderen körpernahen Dienstleistungen. Es gibt keine Warteräume, dafür | |
Desinfektionsmittel. Textilien werden nach jedem Besuch gereinigt und das | |
Zimmer ordentlich gelüftet. | |
Die Kundenzahl nach der Wiedereröffnung sei gesunken, sagt Klee, die | |
Einnahmen der Bordelle reichten häufig nur zur Deckung der laufenden | |
Kosten. Aus Geldnot hätten sich viele Sexarbeiter*innen zudem privat | |
prostituiert, [1][wodurch sie sich selbst häufig in große Gefahr begeben | |
hätten.] | |
Der Widerstand gegen das Verbot der Prostitution lässt deshalb nicht nach. | |
Nach dem Beschluss in Niedersachsen appelliert nun der Berufsverband für | |
erotische und sexuelle Dienstleistungen erneut, das Verbot auch in Hamburg | |
aufzuheben. „Sexarbeitende haben pro Tag im Schnitt 2-3 Kunden – wir feiern | |
keine Sexparties“, heißt es in ihrem Statement. | |
1 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Marie Gogoll | |
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