# taz.de -- Maßnahmen gegen Rassismus: Teilhabe als Staatsziel | |
> Migrant:innenorganisationen stellen ihren „Anti-Rassismus-Plan 2025“ vor. | |
> Dieser soll ein Ansporn für die Arbeit der Bundesregierung zum Thema | |
> sein. | |
Bild: 31.08.2020: Saraya Gomis, Marta Neüff, Farhad Dilmaghani, Ferda Ataman u… | |
BERLIN taz | Die Publizistin Ferda Ataman hebt die Augenbrauen. „Dieser | |
Montag ist leider – wie so oft in letzter Zeit – ein guter Zeitpunkt, um | |
eine Antirassismusagenda vorzustellen“, sagt sie am Montagmorgen vor dem | |
blauen Hintergrund im Haus der Bundespressekonferenz. Sie und andere | |
Vetreter:innen der Bundeskonferenz der Migrant:innenorganisationen (BKMO) | |
sind an diesem Tag hier, um die Forderungen ihres „Anti-Rassismus-Plans | |
2025“ zu präsentieren. | |
Die BKMO ist ein Netzwerk aus 40 Migrant:innenorganisationen. Ihre | |
Forderungen sind Teil einer kritischen Begleitung des kürzlich von der | |
Bundesregierung eingesetzten [1][„Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von | |
Rechtsextremismus und Rassismus“]. Doch bevor sie zu den Forderungen für | |
die Zukunft kommen, blickt Ataman noch einmal auf die vergangenen Tage | |
zurück: auf das Geschehen in Berlin. | |
Fast 40.000 Menschen hatten in der Hauptstadt gegen die | |
Anti-Corona-Maßnahmen protestiert, darunter wie selbstverständlich [2][auch | |
Rechtsextreme mit offen antidemokratischen Symbolen]. Einige waren bis auf | |
die Treppen des Reichstagsgebäudes vorgedrungen. „Viele von uns sind an | |
diesem Wochenende lieber zu Hause geblieben“, sagt Ataman. | |
In Medien und Politik werde über Demonstrations- und Meinungsfreiheit | |
diskutiert – währenddessen müssten People of Color und Schwarze Menschen | |
„hinnehmen, dass unsere Bewegungsfreiheit und unser Sicherheitsgefühl | |
eingeschränkt wurde.“ | |
## „Das Mindeste, nicht die Kür“ | |
Man erlebe gerade die „Folgen von jahrelangem politischen Versagen“, die | |
Zeit dränge und man könne sich „nicht mit kleinen Maßnahmen zufrieden | |
geben“, so Ataman. Und so setzen die Anwesenden die Messlatte hoch für die | |
Arbeit des Kabinettsausschusses. „Hotlines und Expertenkommissionen schaden | |
nichts – sind aber auch nicht die Lösung des Problems“, sagte Ataman. | |
Für nachhaltige Verbesserung müsse der Ausschuss „drei Schritte weiter“ | |
sein, als der gesellschaftliche Diskurs, der sich vor allem mit dem | |
[3][virulenten Nazi-Problem] befasse. Das aber sei „das Mindeste, nicht die | |
Kür.“ | |
Die BKMO fordert ein „progressives Ministerium für die Gestaltung der | |
Einwanderungsgesellschaft“. Man könne sich Umweltpolitik auch nicht ohne | |
ein Umweltministerium vorstellen, und Gleichstellungspolitik nicht ohne ein | |
Frauenministerum, sagt Farhad Dilmaghani, Vorsitzender des Vereins | |
DeutschPlus. | |
Ein solches Ministerium müsse für einen „Paradigmenwechsel“ in der | |
Migrationspolitik stehen. Einwanderung dürfe nicht weiter als Bedrohung | |
wahrgenommen werden – und müsse deswegen auch von dem für Sicherheit | |
zuständigen Bundesinnenministerium abgekoppelt werden. | |
## Neue Migrationspolitik | |
Deutschland brauche außerdem ein neues Staatsziel, einen Artikel im | |
Grundgesetz, in dem sich die Bundesrepublik zu ihrem Dasein als | |
„vielfältiges Einwanderungsland“ bekenne, das „die gleichberechtigte | |
Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Integration aller Menschen“ fördere. | |
Und auch das Wahlrecht müsse überarbeitet werden: Derzeit gäbe es in | |
Deutschland 6,5 Millionen volljährige Menschen ohne deutschen Pass, die | |
seit mehr als fünf Jahren hier lebten, aber etwa bei der Bundestagswahl | |
nicht abstimmen dürften, sagte Marta Neüff vom Polnischen Sozialrat. „Das | |
sind mehr als AfD-Wähler 2017 bei der Bundestagswahl.“ | |
Rassismus sei in der Mitte der Gesellschaft verankert, sagte Marianne Ballé | |
Moudoumbou vom Vertreter:innenrat der BKMO. Zu viele Menschen hätten | |
deswegen schlechtere Lebenschancen. „Es kann keinen nachhaltigen | |
gesellschaftlichen Zusammenhalt geben ohne eine wirksame und durchgreifende | |
Antirassismusagenda.“ Deswegen werde man sehr genau schauen, was der | |
Kabinettsausschuss der Bundesregierung im Oktober konkret vorlege – und man | |
werde die Ergebnisse an den eigenen Forderungen messen. | |
31 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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