# taz.de -- Havarie vor Mauritius: Ölpest breitet sich aus | |
> Der Frachter „Wakashio“ verliert Tausende Tonnen Öl in einem ökologisch | |
> wertvollen Meeresgebiet vor Mauritius. Die Kritik an der Regierung | |
> wächst. | |
Bild: Bereits am 25. Juli lief der Frachter „MV Wakashio“ auf Grund | |
Berlin taz | Die Bilder sind dramatisch: Wo sich paradiesischer weißer Sand | |
unter Palmen vor tiefblauem Meer bis an den Horizont erstreckte, schwappen | |
jetzt schwarze ölige Wellen an den Strand. Die Ölpest an der Südostküste | |
von Mauritius hat am Wochenende [1][immer dramatischere Ausmaße] | |
angenommen. Freiwillige kämpfen mit Besen und anderem rudimentären Gerät | |
gegen die Ölmassen. Lokale Medien veröffentlichen Anleitungen, wie man aus | |
Zuckerrohr und leeren Plastikflaschen schwimmende Barrieren gegen den | |
Ölteppich bastelt. | |
Rund 1.000 Tonnen Öl sind bis Sonntag aus dem havarierten Frachter [2][„MV | |
Wakashio“] ausgelaufen, der seit dem 25. Juli wenige Kilometer vor der | |
Küste von Pont d’Esny liegt. Das japanische Schiff, das unter Panamas | |
Billigflagge unterwegs war, befand sich auf dem Weg von China nach | |
Brasilien, als es aus noch ungeklärter Ursache vor Mauritius auf Grund | |
lief. Es hatte 3.800 Tonnen Schweröl und 200 Tonnen Diesel als Treibstoff | |
an Bord. Am 6. August begann das Öl auszutreten, nachdem offenbar ein Riss | |
in der Schiffswand aufgetreten war und Wasser einlief. | |
Die japanische Firma Mitsui, die das Schiff betreibt, bestätigte am Sonntag | |
den Verlust von bislang 1.000 Tonnen Treibstoff. Der Südostwind treibt das | |
Öl direkt auf die Küste zu. Am Samstag gab die Regierung bekannt, dass 250 | |
Tonnen Öl aus dem Schiff abgepumpt worden seien. Bis zu 2,50 Meter hohe | |
Wellen erschwerten jedoch die weiteren Arbeiten. | |
Lokalen Medien zufolge war das Schiff am Sonntag im Begriff | |
auseinanderzubrechen, während sich der Ölfilm auf die gesamte Ostküste von | |
Mauritius ausbreitete, auf einer Länge von mehreren Dutzend Kilometern. | |
Greenpeace Africa sprach von einer der „schrecklichsten Umweltkatastrophen | |
in der Geschichte des kleinen Inselstaates“. | |
Tausende Arten in Gefahr | |
Der Südosten von Mauritius, auf der von der Hauptstadt Port Louis | |
abgewandten Seite der Insel, gilt als besonders artenreich, mit den größten | |
Lagunen des Landes und mehreren Marineschutzgebieten. „Tausende von Arten | |
in den unberührten Lagunen von Blue Bay, Pointe d’Esny und Mahébourg stehen | |
nun in Gefahr, in einem Meer der Verschmutzung zu ertrinken“, warnt | |
Greenpeace Africa. | |
Die Bewohner der Gegend leben von Tourismus und Fischerei sowie der | |
Zuckerindustrie der Kleinstadt Mahébourg. All diese Sektoren leiden unter | |
der Coronapandemie. Zwar ist Mauritius mit lediglich 344 Infektions- und 10 | |
Todesfällen wenig direkt betroffen, doch bekommt es die globalen Handels- | |
und Reisebeschränkungen stark zu spüren. | |
Das zu französischen und britischen Kolonialzeiten auf Zuckerrohranbau | |
ausgerichtete Land mit 1,3 Millionen Einwohnern ist inzwischen zu einem | |
global orientierten Finanz- und Dienstleistungszentrum geworden. Mauritius | |
liegt an der Schiffsroute zwischen dem südlichen Afrika und Südostasien, | |
die im Welthandel von zunehmender Bedeutung ist. 76 Prozent seines | |
Bruttoinlandsprodukts kamen 2019 aus Dienstleistungen. Infolge der | |
Coronapandemie wird dieses Jahr aber ein Rückgang um 6,8 Prozent | |
prognostiziert. | |
Umweltschützer kritisieren seit Längerem, dass die Regierung von | |
Premierminister Pravind Jugnauth und seiner „Militanten Sozialistischen | |
Bewegung“ (MSM) zwar von Nachhaltigkeit und grünem Tourismus spricht, aber | |
Umweltaktivisten wenig Beachtung schenkt. Dies zeige sich auch im Umgang | |
mit der Schiffshavarie: Die Regierung behauptete erst, alles unter | |
Kontrolle zu haben, um dann, als das Öl austrat, den Umweltnotstand | |
auszurufen und die Bevölkerung dazu aufzufordern, sich von den betroffenen | |
Stränden fernzuhalten. | |
Kontroverses Hilfsgesuch an Frankreich | |
Doch sie unternahm selbst nichts – also wurden die Anwohner aktiv. Am | |
Sonntag waren Tausende von Menschen an der Küste unterwegs, um das Öl | |
einzudämmen. „Die Leute haben verstanden, dass sie die Dinge selbst in die | |
Hand nehmen müssen, um Fauna und Flora zu schützen“, sagte Umweltaktivist | |
Ashok Subron gegenüber AFP. | |
George Ah Yan, Führer der im Widerstand gegen touristische Großprojekte | |
entstandenen „Bewegung freier Bürger“, bezeichnete gegenüber der Zeitung … | |
Mauricien das Verhalten der Regierung als „bizarr“. Statt zu warten, dass | |
der Schiffseigentümer etwas tut, hätten die Behörden das Öl sofort selbst | |
abpumpen sollen, erklärte er. | |
Für Kontroversen sorgt auch ein Hilfegesuch an Frankreich – die zu | |
Frankreich gehörende Insel Réunion liegt nur gut 200 Kilometer westlich von | |
Mauritius, und die dort stationierte französische Marine ist im gesamten | |
westlichen Indischen Ozean unterwegs. Am Sonntag traf ein französisches | |
Marineschiff in Mauritius ein. | |
Premierminister Jugnauth hatte zuvor per Twitter Frankreichs Präsidenten | |
Emmanuel Macron um Hilfe gebeten, weil „unser Land nicht die Kompetenz und | |
Expertise zum Bergen gestrandeter Schiffe hat“. Macron hatte per | |
Twitter-Antwort Unterstützung zugesagt. Medien in Mauritius berichten | |
jedoch unter Berufung auf das Büro des Premiers, sein Tweet sei nicht | |
offiziell abgesegnet gewesen. | |
Mitarbeit: Hansley Nabab, Port Louis | |
10 Aug 2020 | |
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[1] /Havariertes-Frachtschiff-vor-Mauritius/!5705971 | |
[2] https://www.vesselfinder.com/vessels/WAKASHIO-IMO-9337119-MMSI-372711000 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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