# taz.de -- Husaren-Denkmäler in Hamburg-Wandsbek: Unkommentiert nebeneinander | |
> In Wandsbek gibt es ein Husaren-Denkmal von 1923 und eines von 1938. Die | |
> Geschichtswerkstatt möchte, dass der Entstehungskontext erhellt wird. | |
Bild: Schon auf dem Weg in den nächsten Krieg: Der Meldereiter des 1938 eingew… | |
Hamburg taz | In Wandsbek lässt sich im öffentlichen Raum ablesen, wie | |
Geschichte gedeutet und umgedeutet wird. Im Abstand von knapp 100 Metern | |
stehen zwei Denkmäler mit fundamental unterschiedlicher Intention. Eines | |
gedenkt der Gefallenen des Wandsbeker Husarenregiments im Ersten Weltkrieg, | |
das andere dem Regiment an sich – mit der forschen Figur eines Meldereiters | |
aus dem Jahre 1938, die sich schon zum nächsten Krieg vortastet. Beide | |
könne man nicht unkommentiert nebeneinander stehen lassen, findet Sigrid | |
Curth, Sprecherin der Geschichtswerkstatt Wandsbek. | |
Curth fordert in einer Eingabe an die Bezirksversammlung, „einen | |
Informationspfad einzurichten, der das Zustandekommen und die Botschaften | |
der beiden Monumente historisch einordnet und Zusammenhänge herstellt“. | |
Zwar gibt es bereits eine Informationstafel am Meldereiter, diese | |
problematisiert aber nicht dessen Entstehungszusammenhang. Curth hält das | |
für falsch. | |
Die Husaren waren ein im Jahr 1803 gebildeter Kavallerie-Verband des | |
Königreichs Hannover. Nach dem Sieg des Königreichs Preußens über das | |
Königreich Hannover ging das Regiment 1866 in die Preußische Armee über. | |
1871 wurde es in die Stadt Wandsbek verlegt. | |
Der Gedenkstein für die 95 Gefallenen des Regiments steht in einem kleinen | |
Park, umgeben von der Straße „Am Husarendenkmal“. Es wurde 1923 eingeweiht | |
und zeigt auf der Vorderseite als Flachrelief einen abgesessenen Husaren. | |
Auf der Rückseite sind die Gefallenen verzeichnet. | |
Das zweite, deutlich größere Denkmal steht etwas zurückgesetzt auf der | |
anderen Straßenseite zwischen Wohnblöcken. Es stellt einen Husaren auf | |
einem Pferd sitzend mit einer Lanze in der Hand dar. Der Meldereiter wurde | |
1938 eingeweiht und gedenkt nicht der Gefallenen, sondern ist dem Regiment | |
gewidmet, dem Husaren-Regiment Wilhelmina der Niederlande Hannoversche Nr. | |
15. | |
„Die beiden Relikte zeigen exemplarisch den Stimmungswandel in Teilen der | |
Gesellschaft“, sagt Curth. Das erste Denkmal stehe für Trauer und | |
Verlusterfahrung, die viele Wandsbeker Familien teilten. Das nachfolgende | |
Denkmal sollte die in den Augen vieler Husaren verlorene soldatische Ehre | |
durch die heldenhafte Attitüde des angriffsbereiten Kriegers | |
wiederherstellen. | |
„In dem einflussreichen Husarenbund herrschten kaisertreue und | |
antirepublikanische Einstellungen vor“, kritisiert Curth. Nach der | |
Demobilisierung 1919 hätten sich Teile der Husaren in paramilitärischen | |
Verbänden wie den Freikorps, im Polizeiapparat, später in der Reichswehr | |
wiedergefunden. | |
Die NS-Propaganda im Zuge der Aufrüstung habe dem Husarenbund Auftrieb | |
gegeben. Dessen jährliche Gedenkfeiern wiederum hätten ein Klima der | |
Kriegsvorbereitung und des „Wir sind wieder wer“ begünstigt. Die rote | |
Info-Tafel am Meldereiter erwähne diesen Zusammenhang nicht. | |
Michael Pommerening, Mitglied im Bürgerverein Wandsbek, hat den Kommentar | |
am Meldereiter verfasst. Darin heißt es, dass „die Wandsbeker immer ein | |
sehr gutes Verhältnis zu ‚ihren‘ Husaren hatten, die auch im sozialen und | |
gesellschaftlichen Bereich eine große Rolle spielten“. Pommerening | |
erinnert an den wirtschaftlichen Nutzen der Garnison. Die aufstrebende | |
junge Stadt Wandsbek war auf das Geld, dass durch die Soldaten in die Stadt | |
kam, angewiesen. | |
Pommerening ist es wichtig, die damaligen Umstände nicht zu verkennen. Es | |
sei wichtig, einen Zeitbezug herzustellen. Gegen weitere Maßnahmen wie | |
erläuternde Texte habe er nichts einzuwenden. Eine kritische | |
Auseinandersetzung halte er für „wesentlich“, er sei jedoch „gegen eine | |
Entfernung der Denkmäler“. | |
Curth hält es für verfehlt, den Entstehungskontext des Meldereiters außer | |
Acht zu lassen. „Das verdunkelt unsere Geschichte, wo es gerade heute | |
wieder darauf ankommt, auch auf lokaler Ebene die historische Wahrheit, | |
gerade dort, wo sie unbequem ist, aufzudecken“, findet sie. | |
## Lernort zwischen den Denkmälern | |
Der Bezirksabgeordnete Thomas Iwan von der Linken kritisiert, dass durch | |
die Informationstafel vor dem deutlich auffälligeren Meldereiter „der | |
Eindruck entsteht, dass auch nach heutiger Lesart der Meldereiter das | |
‚bessere‘ Denkmal gegenüber einem misslungenen vorigen Versuch ist“. | |
Zugleich müsse auch über das 1923 entstandene Kriegerdenkmal diskutiert | |
werden dürfen. Kriegsdenkmäler müssten auf die Intention des Künstlers | |
abgeklopft werden. Es bestehe die Gefahr, dass sich in der Liste der | |
Gefallenen Soldaten fänden, die Kriegsverbrechen begangen hätten. Ob das | |
Husarenregiment im Ersten Weltkrieg Kriegsverbrechen begangen hat, weiß | |
Iwan nicht. | |
In der Eingabe an den Arbeitskreis Denkmal der Bezirksversammlung empfiehlt | |
Curth, aus dem Platz zwischen den Denkmälern einen Lernort zu machen, „der | |
anhand von lokalen Beispielen die beiden Jahrzehnte der Zwischenkriegszeit | |
im Aufstieg und Niedergang der Demokratie beschreibt“. Der Platz sei wie | |
kaum ein anderer im lokalen Umfeld geeignet, um historische Rückschritte, | |
Fehlentwicklungen oder gar Verbrechen zu bezeichnen und um daraus für heute | |
und eine bessere Zukunft zu lernen. | |
25 Aug 2020 | |
## AUTOREN | |
Moritz Klindworth | |
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