# taz.de -- DGB veröffentlicht Ausbildungsreport: Krise und Corona-Krise | |
> Nicht nur wegen der Pandemie beginnen immer weniger Jugendliche eine | |
> Ausbildung. Eine neue Studie zeigt Missstände auf, die abschrecken. | |
Bild: Gute Entscheidung? Eine Auszubildende zur Schweißerin im Ausbildungszent… | |
BERLIN taz | „Ich lerne überhaupt gar nichts“, schreibt Lea am 25. Mai 2020 | |
im [1][Dr.-Azubi-Forum]. Die Fachlageristin ist bereits im zweiten Jahr | |
ihrer Ausbildung. Trotzdem sei sie bisher nur mit einer Aufgabe betreut | |
worden: Ware zu kommissionieren, also den richtigen Inhalt für Bestellungen | |
zusammenzustellen. Bei Chef und Ausbildungsbetreuerin stößt sie auf taube | |
Ohren. Die anderen Abteilungen seien nun mal voll, heißt es von ihnen. | |
„Kann ich mich dagegen nicht wehren?“, fragt Lea. „Ich bin doch ein Azubi | |
und soll was lernen und nicht nur ausgenutzt werden.“ | |
Dies ist nur ein Beispiel aus dem Ausbildungsreport 2020 des Deutschen | |
Gewerkschaftsbunds (DGB). Für die repräsentative Erhebung wurden über | |
13.000 Auszubildende befragt. Die Ergebnisse belegen, dass es bei einem | |
nicht unerheblichen Teil der Betriebe gravierende Mängel in der Ausbildung | |
gibt. So fehlen 34 Prozent der Auszubildenden der gesetzlich | |
vorgeschriebene betriebliche Ausbildungsplan, der konkrete Lernziele | |
festhält. 12 Prozent müssen „häufig“ oder „immer“ ausbildungsfremde | |
Tätigkeiten ausführen. Unter den minderjährigen Auszubildenden arbeiten 10 | |
Prozent mehr als 40 Stunden die Woche – obwohl dies gesetzlich verboten | |
ist. | |
Allerdings sind die Bedingungen von Branche zu Branche sehr | |
unterschiedlich. So sind Auszubildende in Industrie und Verwaltung häufig | |
sehr zufrieden mit ihren Ausbildungsbedingungen. Im Hotelgewerbe und der | |
Gastronomie, aber auch bei Lehrstellen als Verkäufer*in fallen die | |
Bewertungen jedoch schlechter aus. | |
Diese Branchen sind jetzt auch von der [2][Coronapandemie] am stärksten | |
getroffen. „Damit die duale Berufsausbildung dort in Zukunft attraktiv | |
bleibt, müssen gerade diese Branchen sich jetzt mit dem DGB zusammensetzen, | |
um die Ausbildungsbedingungen zu verbessern“, fordert die stellvertretende | |
DGB-Vorsitzende Elke Hannack. | |
## Weniger Bewerbungen, weniger Angebote | |
Insgesamt [3][schrumpft der Ausbildungsmarkt] dieses Jahr stark. Bis zum | |
Juli dieses Jahres meldete das Deutsche Handwerk 13 Prozent weniger | |
abgeschlossene Ausbildungsverträge, Handel und Industrie 17 Prozent weniger | |
abgeschlossene Verträge. | |
Das Problem ist hierbei nicht nur ein schrumpfendes Angebot vonseiten der | |
Betriebe, denen wirtschaftlich unsichere Zeiten bevorstehen. Auch die Zahl | |
der Bewerber*innen ist niedriger als üblich. So teilte die Bundesagentur | |
für Arbeit mit, dass sowohl die Zahl der angebotenen Lehrstellen als auch | |
die Zahl der Bewerber*innen bis Ende Juli um rund 8 Prozent zurückgegangen | |
seien. So standen 499.000 Ausbildungsplätze für 440.000 Bewerber*innen zur | |
Verfügung. | |
Dass der Rückgang bei den Bewerber*innen ähnlich groß ist wie bei den | |
Lehrstellen, erklärt der Ausbildungsexperte des Instituts für Wirtschaft in | |
Köln, Dirk Werner, mit der Unsicherheit unter potenziellen | |
Bewerber*innen. „Die Jugendlichen wissen, dass es ein schwieriges Jahr | |
wird. Wer kann, macht daher lieber noch einen höheren Schulabschluss oder | |
bewirbt sich auf ein Studium“, sagt er. Hinzu komme, dass die üblichen | |
Matchingmechanismen wie Berufsmessen und Infoveranstaltungen dieses Jahr | |
nur sehr eingeschränkt stattfinden konnten. | |
Als kurzfristige Hilfe hatte die Bundesregierung zum 1. August das Programm | |
„Ausbildungsplätze sichern“ gestartet. Mit insgesamt 500 Millionen Euro | |
fördert es kleine und mittlere Betriebe, die weiterhin ausbilden. Für jeden | |
Ausbildungsplatz, der nicht wegfällt, bekommen die Betriebe eine Prämie von | |
2.000, für jeden neuen Platz 3.000 Euro. | |
Um das duale Ausbildungssystem langfristig zu stärken, müssten sich jedoch | |
auch die Ausbildungsbedingungen verbessern, fordert die | |
DGB-Bundesjugendsekretärin Manuela Conte. Dazu gehöre als Minimum, dass | |
bestehende Gesetze eingehalten und Azubis nicht als billige Arbeitskräfte | |
ausgenutzt werden. Darüber hinaus gebe es jedoch auch Mängel bei Mobilität | |
und Wohnen. „Mehr als 65 Prozent der Auszubildenden würden sich gerne | |
unabhängig machen und in einer eigenen Wohnung leben“, sagt sie. In der | |
Praxis könnten dies jedoch nur 26 Prozent. Daher fordert der DGB sowohl | |
günstigere Azubi-Tickets als auch Azubi-Apartments. | |
27 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://jugend.dgb.de/ausbildung/beratung/dr-azubi | |
[2] /!t5660746/ | |
[3] /Das-neue-Lehrjahr-beginnt/!5699700 | |
## AUTOREN | |
Mitsuo Iwamoto | |
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