| # taz.de -- Friedensbewegung damals und heute: Das Standpunkt-Problem | |
| > Der Protest vor der Waffenfirma Rheinmetall mit Musik, Tanz und Parolen | |
| > wirkte rührend unzeitgemäß. Aber die Aktivist*innen haben recht. | |
| Bild: Protestaktion der Gruppe „Lebenslaute“ vor dem Sitz des Waffenkonzern… | |
| Als ich die Bilder von der [1][Aktion der Aktionsgruppe „Lebenslaute“] vor | |
| der Firma Rheinmetall in Unterlüß vor Kurzem im Fernsehen sah, war ich | |
| gerührt. Menschen spielten klassische Musik, lächelten, tanzten, einige | |
| trugen Westen, auf denen stand: Frieden schaffen, ohne Waffen! Das gibt’s | |
| noch, dachte ich. Und fragte mich, warum ich gerührt war. | |
| Damals war es einfach nicht so kompliziert wie jetzt, dachte ich, man war | |
| gegen Atomkraft, man war gegen Waffen. Und jetzt ist man gegen Menschen, | |
| die Unsinn erzählen, aber zum Beispiel auch gegen Waffenexporte sind. Alles | |
| ist so konfus und zerbröselt, und wer kümmert sich eigentlich noch um die | |
| Waffen oder auch die Atomkraft? Waffen sind ja immer noch Waffen und | |
| erfüllen immer noch denselben Zweck. Ist das jetzt kein größeres Problem | |
| mehr, oder ist es jetzt als Protestthema einfach nicht mehr modern? | |
| Und dann stoße ich recherchierend auf verschiedene Gruppierungen von | |
| Menschen, die sich immer noch gegen die Produktion von Waffen engagieren | |
| und natürlich auch gegen Atomkraft. Die mal hier demonstrieren und dort mal | |
| vor dem Werkstor stehen wie diese Musiker, die eine widerspenstige und | |
| altmodische und sehr schöne Art von politischer Aktion zelebrieren, seit | |
| 1986 übrigens schon. | |
| Rheinmetall, das kann man sehr schnell herausfinden, baut zum Beispiel | |
| Panzer. Ich komme aus der DDR, und da hatten wir so was im Schulhort zum | |
| Spielen. Wir hatten auch Soldaten, die bei uns alle nur für den Frieden da | |
| waren, versteht sich. Im Hort hatten wir nur NVA-Soldaten, die mussten dann | |
| gegen die Indianer und die Cowboys kämpfen, die die Kinder vereinzelt in | |
| ihren Hosentaschen einschleusten, aus den Westpaketen. | |
| Unsere Armee jedenfalls war etwas Notwendiges, weil die kleine DDR sich | |
| gegen die großen Westmächte verteidigen musste. So lernten wir es, so | |
| lernten es auch die bundesrepublikanischen Kinder, nur andersherum. Es gab | |
| ein paar verträumte Linke und Hippies, die sich das alles ganz ohne Waffen | |
| und Armee vorstellten in ihrem bekifften Pazifismus. Als dann aber der | |
| Kalte Krieg immer bedrohlicher wurde, die Angst immer größer, da zweifelten | |
| dann doch immer mehr Menschen am Konzept: Frieden durch Aufrüstung. Eine | |
| breitere Friedensbewegung formierte sich. | |
| Und jetzt sind wir irgendwo, in einer Zeit, in der es alles so zerfasert | |
| ist, dass einem der Kopf schwirrt bei dem Versuch, eine gute Position zu | |
| finden, die wirklich gerecht ist. Sich die Informationen zu beschaffen, die | |
| einem zu einen moralisch festen Standpunkt verhelfen. Wie soll die Welt | |
| idealerweise aussehen, in der wir leben wollen? Können wir ohne Waffen | |
| leben, und was würde passieren, wenn wir, zum Beispiel, unsere Armee | |
| abschafften? Würden wir rasch irgendwo angegliedert werden, holländisch | |
| werden, zum Beispiel, oder würden uns andere Länder auf dem friedlichen Weg | |
| folgen? Wäre dies der Anfang einer großen friedlichen Welt? | |
| Tja, das sind so meine albernen, kleinen Gedanken. Und weil das alles | |
| vielleicht sehr kompliziert und auch ziemlich blöd ist, bemüht sich die | |
| demokratische Regierung, einige Dinge wenigstens ein klein wenig zu | |
| regulieren. Zum Beispiel sollen Waffen, wenn sie denn gebaut werden sollen, | |
| nicht in Konfliktgebiete, „Krisenherde“ oder an „unrechtmäßig Krieg | |
| führende Länder“ geliefert werden, wo sie aber naturgemäß am gierigsten | |
| erwartet werden. Eine Firma, die Waffen herstellt, soll also per Gesetz | |
| dazu verpflichtet sein, ein bisschen anständig die Waffen zu verkaufen. | |
| Im Falle der Firma Rheinmetall kann man dann darauf stoßen, dass es damit | |
| Schwierigkeiten gibt, und das liegt vielleicht auch daran, dass da | |
| grundsätzliche Interessen oder Prinzipien über Kreuz liegen. Und das führt | |
| mich wieder zu meiner Rührung. Diese großartigen Musiker*innen: Sie haben | |
| recht. Wir sollten alle immer noch und wieder vor diesen Toren stehen und | |
| uns empören, auch wenn die Welt komplex ist, manches bleibt falsch. Aber | |
| warum sind wir also, zumindest in dieser Hinsicht, heute so schlaff? | |
| 26 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katrin Seddig | |
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