# taz.de -- Privatisierung im Gesundheitswesen: Asklepios soll bluten | |
> Der Landkreis Goslar verklagt Asklepios auf 16 Millionen Euro, weil der | |
> Konzern das Krankenhaus in Clausthal nur noch auf Sparflamme betreibt. | |
Bild: Der Landkreis beklagt überflüssige Patiententransporte zwischen den Sta… | |
HANNOVER taz | Es ist ein ziemlich einmaliger Vorgang: Ein Landkreis | |
verklagt einen Klinikkonzern auf Schadensersatz, weil der die | |
[1][privatisierten Kliniken] nicht so weiterführt wie es vertraglich | |
vereinbart gewesen sein soll. 16 Millionen will der niedersächsische | |
Landkreis Goslar von Asklepios haben. Eine Million Vertragsstrafe für jedes | |
Jahr, in dem der Krankenhausstandort Clausthal-Zellerfeld zurückgebaut | |
statt weiterentwickelt wurde. | |
Asklepios bestreitet das. Es seien keine detaillierten Vereinbarungen für | |
die einzelnen Standorte getroffen worden, heißt es vom Konzern. Zu den | |
damals übernommenen „Harzkliniken“ gehören drei Standorte: das kleine | |
Krankenhaus in Clausthal-Zellerfeld, eine große, moderne Akutklinik in | |
Goslar und eine orthopädische Fachklinik in Bad Harzburg. | |
[2][15 Millionen Euro hat Asklepios für alle drei ehemals kommunalen | |
Kliniken 2003 bezahlt.] Und soll – so stellen es zumindest der Landkreis | |
und die Krankenkassen dar – relativ zügig damit begonnen haben, den | |
kleinsten Standort systematisch noch unattraktiver zu machen. Abteilungen | |
wurden geschlossen, die Bettenzahl reduziert, Personal abgezogen, immer | |
mehr Patienten nach Goslar verwiesen. | |
Die Krankenkassen versuchten deshalb 2018 den Versorgungsauftrag zu | |
kündigen. Dann hätte das Krankenhaus keine Kassenpatienten mehr behandeln | |
können. Vor allem der Verband der Ersatzkassen (VdEK) erklärte als | |
Wortführer damals, die Leistungsfähigkeit des Hauses in Clausthal sei nicht | |
mehr gewährleistet. Es würden dort nur noch begrenzte altersmedizinische | |
Leistungen angeboten, eine Grund- und Regelbehandlung sowie | |
Notfallversorgungen fänden schon seit Jahren nicht mehr statt. | |
Stattdessen würden hochbetagte Patienten auch noch zwischen den Standorten | |
hin und her geschoben, weil Komplikationen und Nebenerkrankungen anderswo | |
besser zu behandeln wären – vor allem in Goslar mit einer gut ausgebauten | |
geriatrischen Station, die ebenfalls nicht ausgelastet sei. | |
## Ministerium widerspricht den Krankenkassen | |
Das niedersächsische Gesundheits- und Sozialministerium hatte dieser – | |
landesweit einmaligen – Kündigung des Versorgungsauftrages allerdings | |
widersprochen. Man wollte den Standort Clausthal-Zellerfeld erhalten, weil | |
er auch für die ambulante Versorgung wichtig sei, hieß es damals. Vor allem | |
im Winter sei das fast 25 Kilometer weit entfernte Klinikum in Goslar oft | |
schlecht zu erreichen. | |
Am Ende klagte Asklepios gegen die Kündigung – und die Ersatzkassen gegen | |
die Verfügung des Landes. Beide Verfahren gingen durch zwei Instanzen und | |
am Ende blieb alles, wie es war. Aus vor allem formalen Gründen, wie | |
VdEK-Sprecher Hanno Kummer betont. Die Krankenkassen hätten geschlossen | |
vorgehen müssen und nicht einen einzelnen Verband vorschicken dürfen. | |
Asklepios fühlt sich durch diese Urteile bestätigt. Man habe seine | |
vertraglichen Pflichten hier stets übererfüllt, erklärt ein Sprecher auf | |
taz-Anfrage. Das Gesundheitsministerium habe damals die Leistungsfähigkeit | |
der Klinik in Clausthal-Zellerfeld ausdrücklich bestätigt. | |
Noch im vergangenen Jahr hatte der Asklepios-Vorstandsvorsitzende Kai | |
Hankeln dieselbe Klinik in einem Interview allerdings als „verzichtbar und | |
ohne Zukunftsperspektive“ bezeichnet. Der Konzern zeigt in solchen Fällen | |
gern mit dem Finger auf die Politik: „Die für die Klage verantwortlichen | |
Politiker des Landkreises legen es auf Verwirrung über den von ihnen selbst | |
abgeschlossenen Vertrag an. Die Klage ist offensichtlich politischen | |
Beweggründen geschuldet“, heißt es in der schriftlichen Mitteilung zur | |
aktuellen Klage. Auch Asklepios-Vertreter Hankeln betont in Interviews | |
immer wieder gern, dass die Politik eben einfach zu feige sei, harte, aber | |
notwendige Entscheidungen vor Ort auch durchzusetzen. | |
Im Fall Clausthal-Zellerfeld will sich Asklepios zudem vorbehalten, selbst | |
Schadenersatz geltend zu machen, weil die Politik Erweiterungspläne | |
verhindert habe. Das Vorgehen des Landkreises sei „widersprüchlich und | |
nicht nachvollziehbar“. Die Klage werde, so der Asklepios-Sprecher, auch | |
deshalb keinen Erfolg haben, weil der Landkreis über den Beirat und die | |
regelmäßigen Begehungen ja stets im Bilde über die Umstände vor Ort gewesen | |
sei. Daher könne er ja jetzt schwerlich rückwirkend über 16 Jahre – von der | |
Übergabe der Klinik 2003 bis zur Klageeinreichung 2019 – eine | |
Vertragsstrafe geltend machen. | |
## Landkreis will gütliche Einigung | |
Der Landkreis betont dagegen, dass er immer noch an einer gütlichen und | |
konstruktiven Lösung interessiert sei. Aus seiner Sicht ist der Standort | |
für eine angemessene Versorgung der Bevölkerung im Oberharz unverzichtbar. | |
Dass das Haus klein und wirtschaftlich von den anderen abhängig sei, habe | |
Asklepios ja beim Erwerb gewusst. | |
Und es sei zwar zutreffend, dass die Vertragsbestimmungen für diesen | |
speziellen Standort relativ vage eine Erhaltung und Weiterentwicklung | |
festschreiben, gegenwärtig tue Asklepios aber nicht einmal das, sondern | |
lasse das Krankenhaus auch baulich verfallen, wofür es zahlreiche | |
Zeugenaussagen gäbe. Probleme mit Ärzte- und Patientenmangel seien daher im | |
Wesentlichen hausgemacht. | |
Aus Sicht des Landkreises sei es gut, dass die erste Güteverhandlung vor | |
dem Landgericht Braunschweig nun endlich am 27. August stattfinde, schreibt | |
Landkreissprecher Maximilian Strache. Der ursprüngliche Termin im April war | |
wegen der Covid-19-Pandemie verschoben worden. „Wir stellen uns auf eine | |
intensive Verhandlung ein, bei der keine der beiden Seiten ihre jeweiligen | |
Positionen ohne Weiteres aufgeben wird“, sagt Strache. | |
22 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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