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# taz.de -- Stipendium fürs Nichtstun: Oblomow in Hamburg
> Eine Kunsthochschule lobt Geld für Untätigkeit aus. Dabei wird in der
> Ausschreibung eine gewisse begriffliche Unschärfe offenbar.
Bild: Der Schauspieler Oleg Tabakow als Ilja Oblomow in einem Film von Nikita M…
1.600 Euro, einfach so fürs Nichtstun. Das klingt doch erst mal ganz gut.
Eine Art einmaliges [1][bedingungsloses Grundeinkommen] für drei
Künstler*innen, die sich [2][im Bewerbungsverfahren der Hochschule für
bildende Künste in Hamburg] durchsetzen können. Das Signalwort ist
„durchsetzen“, denn ganz so bedingungslos ist das Stipendium dann doch
nicht.
Begründen sollen die Aspirant*innen ihr Nichtstun, eingebettet in den
Kontext des Projekts [3][„Schule der Folgenlosigkeit“]. Dessen Ziel ist es,
Alternativen zur abgegriffenen Nachhaltigkeitsbeschwörung zu entwickeln.
Konsum und Kapitalismus will man kritisch gegenüberstellen, und zwar durchs
Nichtstun. Oder die Folgenlosigkeit. Oder beides, wie auch immer das gehen
soll.
Dass Nichtstun quasi synonym für Folgenlosigkeit steht, offenbart eine
seltsam entrückte Weltsicht. Natürlich müssen Menschen sich mit der
Folgenlosigkeit ihres Daseins abfinden können. Lernen, auch ohne
unmittelbaren Zweck ihr Leben zu meistern.
Der Antrieb jedoch, Spuren zu hinterlassen, auch wenn diese schnell von den
Wellen der Zeit aus dem Sand gewaschen werden, macht uns doch erst zu
Menschen. Die Beziehung zu anderen, die Beschäftigung mit Ideen, mit den
kleinen und großen Dingen der Welt, eröffnen erst die Möglichkeit, sie zum
Besseren zu verändern. Nichts zu tun, ist keine Kritik an den
Verhältnissen, sondern die Kapitulation vor ihnen. Eine Kapitulation, die
außerdem gerade nicht folgenlos bleibt.
Oblomow, der prototypische Nichtstuer der russischen Literatur, verweigert
jegliches Engagement in seiner Umwelt und zerstört so alles: Vermögen,
soziale Bindungen und Leben, am Ende sein eigenes.
Gewiss ist eine Distanz zum permanenten Leistungsdruck begrüßenswert.
Natürlich ist der Müßiggang unbezahlbarer Treibstoff für ein
selbstbestimmtes Leben. Und selbstverständlich können Künstler*innen nie
genug Geld haben, ihnen seien die 1.600 Euro also von Herzen gegönnt.
Jedoch stellt sich die Frage, ob sich die Hochschule der
Widersprüchlichkeit der Aufgabenstellung bewusst ist. Eine Leistungsschau,
ein Wettbewerb zum Erwerb des „Oblomow“-Stipendiums, das mit einem Bericht
über die Resultate (!) des Nichtstuns abzuschließen ist? Da legst di’
nieder, wie man weiter südlich zu sagen pflegt.
20 Aug 2020
## LINKS
[1] /!t5037330/
[2] /Users/dakret/Downloads/Stipendium_fuer_Nichtstun.pdf
[3] https://www.hfbk-hamburg.de/de/projekte/hamburg-open-online-university-hoou…
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Bildende Kunst
Bedingungsloses Grundeinkommen
Wettbewerb
Arbeit
Bedingungsloses Grundeinkommen
Theater
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