| # taz.de -- Suche nach Energieressourcen: Ruanda setzt auf Atomkraft | |
| > Als aufstrebendes Land steigt Ruanda in die Atomenergie ein. | |
| > Kooperationspartner ist Rosatom, Russland lockt auch andere afrikanische | |
| > Staaten. | |
| Bild: Atomdeal: Ruandas Infrastrukturminister Claver Gatete und Rosatom-Chef Al… | |
| Berlin taz | Viele Länder steigen aus, [1][Ruandas] Parlament hat soeben | |
| den Weg frei gemacht, in die Atomkraft einzusteigen. Das Parlament in | |
| Kigali stimmte dem Plan der Regierung zu, in der Hauptstadt ein nukleares | |
| Recherchezentrum und einen kleinen Atomreaktor mit Kapazitäten von bis zu | |
| 10 Megawatt zu bauen. Die Pläne zwischen Russland und Ruanda wurden bereits | |
| im Oktober 2019 im russischen Sotschi unterzeichnet. | |
| Wer zahlt, ist bislang unbekannt. Bei einem ähnlichen Projekt in Ägypten | |
| bewilligten russische Staatsbanken dem ägyptischen Staat ein Darlehen von | |
| über 22 Milliarden Euro. Dafür soll der russische Energieriese Rosatom in | |
| El Dabaa am Mittelmeer bis 2026 einen gigantischen Atomkomplex bauen, | |
| Ägypten selbst schultert nur 15 Prozent der Kosten. | |
| Das geplante nukleare Forschungszentrum in Ruanda soll zunächst keinen | |
| Atomstrom produzieren. Es geht um andere Anwendungsbereiche: unter anderem | |
| um die Haltbarmachung von Ernten und um Strahlentherapien für | |
| Krebspatienten. | |
| Bereits jetzt verfügt das Militärkrankenhaus in Kigali über ein | |
| Strahlentherapiegerät, das bislang 350 Krebspatienten eine Behandlung | |
| ermöglichte, die deutlich billiger ist als im Ausland. In Indien | |
| beispielsweise kostet eine Strahlentherapie 8.500 Dollar, in Ruanda | |
| hingegen nur 1.750 Dollar, die von den heimischen Krankenkassen übernommen | |
| werden. | |
| ## Alle Anwendungen friedlicher Natur | |
| „Wenn wir über keine Fertigkeiten in diesen Anwendungsbereichen verfügen, | |
| wird das zu einem großen Problem“, sagte Claver Gatete, Ruandas Minister | |
| für Infrastruktur, zu den Parlamentariern. Alle geplanten Anwendungen seien | |
| friedlicher Natur. Derzeit studieren bereits 50 junge Ruander in Russland | |
| Nuklearwissenschaften und trainieren an dortigen Reaktoren. | |
| Die Anlagen sollen auch der Exportwirtschaft helfen: Ruandas | |
| Fluggesellschaft RwandAir fliegt mittlerweile im großen Stil Gemüse, Obst, | |
| Schnittblumen und frischen Fisch ins Ausland – zum Teil bis nach Europa. | |
| Um die Haltbarkeit der Waren zu gewährleisten, seien die Bauern vielfach | |
| gezwungen, vor der eigentlichen Reife zu ernten, sagte Gatete. | |
| Um Reifung und Insektenbefall zu verhindern, könnte ionisierte Strahlung | |
| genutzt werden. „Wenn wir diese Technologie nicht haben, können wir beim | |
| Export von landwirtschaftlichen Produkten nicht wettbewerbsfähig sein“, | |
| sagte Gatete. Die Haltbarmachung durch Strahlen ist in der EU nur bei | |
| Gewürzen erlaubt. | |
| Ruanda will in den nächsten Jahren aus der Abhängigkeit der | |
| Entwicklungshilfe herauskommen und bemüht sich um [2][wirtschaftliche | |
| Entwicklung]. Der ostafrikanische Binnenstaat ist mit gut 12 Millionen | |
| Einwohnern das am dichtesten besiedelte Land des Kontinents. Ruanda gilt | |
| als aufstrebend, doch es fehlt an Energieressourcen. | |
| ## Die Grünen sind dagegen | |
| Und so stimmten 76 der 78 anwesenden Abgeordneten für das Abkommen. Nur die | |
| beiden Abgeordneten der Demokratischen Grünen Partei waren dagegen. „Neben | |
| einer Nuklearanlage zu wohnen, ist, wie neben einer Atombombe zu leben, die | |
| jederzeit explodieren kann“, sagte Grünen-Chef Frank Habineza. Wenn man die | |
| hohe Bevölkerungsdichte in Kigali berücksichtige, gebe es keinen sicheren | |
| Ort dafür. Sein Parteikollege Jean Claude Ntezimana betonte, die Frage der | |
| Entsorgung des Atomabfalls sei in dem Abkommen nicht ausreichend geklärt. | |
| Die Grüne Partei ist in Ruanda nur eine kleine, aber die einzig wirkliche | |
| Oppositionspartei. Sie wurde 2013 registriert und gewann bei den | |
| vergangenen Wahlen 2017 mit 5 Prozent der Stimmen zwei Sitze im Parlament. | |
| Ruanda ist nicht der erste afrikanische Staat, der auf [3][Atomenergie] aus | |
| Russland setzt. Ägypten, Südafrika, Sambia, Äthiopien und Nigeria haben | |
| sich auf ähnliche Deals mit Rosatom, dem weltweit größten Atomkonzern, | |
| eingelassen. Ghana, Uganda, Sudan und die Republik Kongo haben ebenso | |
| Abkommen unterzeichnet, allerdings gehen diese nicht so weit. Das hängt | |
| indirekt mit Europa zusammen. Seitdem die EU als Folge der russischen | |
| Invasion auf der Krim Sanktionen verhängt hat, sucht Moskau verstärkt nach | |
| neuen Partnern – auch in Afrika. Mittlerweile unterhält Rosatom in 12 | |
| Ländern weltweit 33 Atommeiler – nur einer steht bislang in Afrika: ganz im | |
| Süden am Kap. | |
| Das soll sich ändern. „Afrika ist für uns wirklich die letzte Hürde“, sa… | |
| Dmitri Schornikow, Rosatom-Chef für Afrika, zur taz „Wir glauben fest | |
| daran, dass die Kernenergie eine kostengünstige und verlässliche | |
| Alternative ist für Länder, die ihre Energieversorgung verbessern wollen.“ | |
| Er lockt die Afrikaner mit einem Komplettpaket, das Finanzierung, Betrieb, | |
| Ausbildung von Fachkräften bis hin zur Entsorgung des Atommülls beinhaltet. | |
| Er wolle „die effektivste Lösung“ parathaben, „die die Erzeugungskosten … | |
| Kilowattstunde reduzieren kann“, sagt Schornikow. | |
| Afrikas Hunger nach Strom ist gewaltig. Bislang haben 60 Prozent der | |
| Bevölkerung noch keinen Zugang zu Elektrizität. Im Vergleich: In | |
| Deutschland wird derzeit so viel Strom erzeugt, dass es für den ganzen | |
| Kontinent südlich der Sahara reichen könnte. In Afrika nutzt man noch vor | |
| allem Dieselgeneratoren, Staudämme, Sonnenlicht oder Gas. Ruanda versucht | |
| zudem seit zehn Jahren, Strom aus dem im Kivu-See aufgelösten | |
| Methangasvorkommen zu erzeugen. Doch der Strom reicht nicht aus, die Preise | |
| sind hoch. | |
| ## Argumente der Atomlobbyisten | |
| Da klingen die Argumente der Atomlobbyisten verlockend: Laut Angaben der | |
| Internationalen Energie-Agentur (IEA) ließe sich die verfügbare Strommenge | |
| in den meisten Ländern Afrikas mit nur einem einzigen Reaktor verdoppeln. | |
| Bereits 2009 hat Nigeria mit Rosatom eine Absichtserklärung unterzeichnet: | |
| Die Russen sollten das bevölkerungsreichste Land des Kontinents nach | |
| Uranvorkommen abscannen, dafür beim Aufbau des Nuklearsektors helfen. Dann | |
| wurde das Projekt wegen des GAUs in Fukushima 2011 vorübergehend gestoppt. | |
| Erst im November 2017 unterzeichneten beide Seiten ein Abkommen zum Bau | |
| eines Atommeilers. Kostenfaktor: 20 Milliarden Dollar. | |
| Auch Ghana hatte 2012 Gespräche mit Rosatom aufgenommen. Doch wegen | |
| Fukushima sah sich das Land nach Alternativen um. Ähnlich anderswo: In | |
| Äthiopien wurde 2011 mit dem Bau des Renaissance-Damms am Blauen Nil | |
| begonnen, mit 6.000 Megawatt Leistung das größte Wasserkraftwerk des | |
| Kontinents. Er wird gerade geflutet und soll demnächst ans Netz gehen. | |
| Im Kongo wurden zuletzt wieder die Pläne für den Inga-Staudamm | |
| vorangetrieben. Er könnte theoretisch fast den ganzen Kontinent | |
| elektrifizieren. Das Problem: Seit Jahrzehnten gibt es | |
| Finanzierungsprobleme. Wann er fertig wird, bleibt unklar. | |
| 30 Jul 2020 | |
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| Simone Schlindwein | |
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