# taz.de -- Félicien Kabuga kommt vor Gericht: Kämpferisch im Rollstuhl | |
> Der „Zahlmeister“ des Völkermords an Ruandas Tutsi, Félicien Kabuga, da… | |
> an die UN überstellt werden. Das entscheidet ein Gericht in Frankreich. | |
Bild: Gerichtszeichnung von Félicien Kabuga | |
BERLIN taz | Félicien Kabuga kommt vor ein UN-Gericht. Ein Gericht in | |
Frankreich hat am Mittwochnachmittag die Überstellung des als „Zahlmeister | |
des Völkermords“ an Ruandas Tutsi gesuchten 84-Jährigen an den | |
„Residualmechanismus“ des UN-Ruanda-Tribunals gebilligt. | |
Damit rückt ein spektakulärer Abschlussprozess gegen den berüchtigtsten | |
Drahtzieher der Ermordung von bis zu einer Million Menschen in Ruanda | |
zwischen April und Juli 1994 in greifbare Nähe. Kabugas Anwälte können | |
gegen die Überstellung zwar Einspruch erheben, aber sie verlangen | |
stattdessen lediglich ein Gerichtsverfahren in Frankreich. | |
Kabuga war am frühen Morgen des 16. Mai in einem Vorort von Paris | |
[1][festgenommen] worden, wo er unter falschem Namen gelebt hatte. Laut | |
Ermittlern hielt er sich mit einem auf den Namen Antoine Tounga | |
ausgestellten Reisepass der Demokratischen Republik Kongo in Frankreich auf | |
und wurde zwischen 2016 und 2019 mehrmals unter diesem Namen im Krankenhaus | |
behandelt. | |
Angeblich befindet Kabuga sich seit 2007 in Europa, nachdem er seinen | |
vorherigen Zufluchtsort Kenia verlassen hatte; unter anderem ließ er sich | |
damals in Deutschland medizinisch behandeln. | |
## Der Finanzier des Völkermordapparats | |
Félicien Kabuga war [2][vor dem Völkermord in Ruanda 1994] der reichste | |
Geschäftsmann des Landes und war mit dem damaligen Staatspräsidenten | |
Juvénal Habyarimana verschwägert. Er war der Vorstandsvorsitzende des | |
Radiosenders Mille Collines, der die ruandische Volksgruppe Hutu gegen die | |
Tutsi aufhetzte, und er importierte mehrmals große Mengen an Macheten für | |
die Hutu-Milizen, die nach der Ermordung Habyarimanas am 6. April 1994 – | |
mutmaßlich durch die eigene Garde – in Begleitung von Ruandas Armee den | |
organisierten Massenmord an den Tutsi ausführten. | |
Noch vor Ende des Mordens setzte Kabuga sich ab. Über die Demokratische | |
Republik Kongo (damals Zaire) konnte er seine Familie in die Schweiz | |
bringen, seine Konten anzapfen und dann über Kongo nach Kenia reisen, wo er | |
ein neues Geschäftsimperium aufbaute. Dieses soll auch zur Finanzierung der | |
flüchtigen Völkermordtäter samt ihren militärischen Aktivitäten gedient | |
haben. | |
Seit 1999 bestand gegen Kabuga Haftbefehl durch das UN-Völkermordtribunal | |
für Ruanda. Als das Tribunal 2015 [3][abgewickelt] wurde, war er immer noch | |
flüchtig. Ein an den Sitzen des Ruanda- und des Jugoslawien-Tribunals in | |
Den Haag (Niederlande) und Arusha (Tansania) angesiedelter | |
„Residualmechanismus“ führt aber deren Arbeit weiter. | |
Der aktuelle UN-Haftbefehl dieser Behörde verlangt daher nach wie vor seine | |
Festnahme und Überstellung nach Arusha. Ein Antrag des Chefanklägers des | |
Residualmechanismus, Serge Brammertz aus Belgien, Kabuga aufgrund der | |
coronabedingten Reisebeschränkungen erst mal stattdessen nach Den Haag zu | |
schicken, wurde von der Behörde vergangene Woche abgelehnt. | |
## Gesundheitliche Gründe? | |
Bis Kabuga tatsächlich in ein Flugzeug nach Tansania gesetzt wird und der | |
Prozess mit sieben Völkermordanklagen gegen ihn beginnt, dürfte allerdings | |
noch einige Zeit vergehen, und zwar nicht nur wegen der Coronapandemie. | |
Die Anwälte des Ruanders haben zwei Monate Zeit, um gegen die Zulassung der | |
Überstellung ihres Mandanten Einspruch vor dem höchsten französischen | |
Berufungsgericht zu erheben. Sie bezeichnen die Anerkennung von | |
UN-Haftbefehlen durch Frankreich als verfassungswidrig und machen überdies | |
für Kabuga mildernde Umstände aus gesundheitlichen Gründen geltend. | |
Zu zwei Vorführungen beim Ermittlungsrichter am 20. und 27. Mai hatte sich | |
Félicien Kabuga im Rollstuhl bringen lassen, doch Beobachtern erschien er | |
in guter Verfassung. Seine zahlreich erschienen Kinder und Enkel, die in | |
Frankreich und Belgien leben und laut Augenzeugen teils in teuren | |
BMW-Limousinen angerauscht kamen, begrüßten ihn lautstark und der alte Mann | |
hob die Faust. | |
Er äußerte sich ausschließlich in der ruandischen Landessprache Kinyarwanda | |
und verlangte, auf freien Fuß gesetzt zu werden, da er krank sei. Mit | |
Morden an Tutsi habe er nichts zu tun, sagte Kabuga, denn er habe Tutsi | |
Geld geliehen und „man bringt seine Schuldner nicht um“. Er sei zudem 87 | |
Jahre alt, nicht 84. | |
## Noch ein flüchtiger Täter steht auf der UN-Liste | |
Von 90 führenden Tätern des Völkermords an Ruandas Tutsi, die das | |
UN-Tribunal insgesamt zwischen 1995 und 2015 suchte und von denen 59 | |
verurteilt und 14 freigesprochen wurden, waren bei seiner Abwicklung zum | |
Jahresende 2015 [4][noch acht flüchtig]. Fünf davon sind in die | |
Zuständigkeit der Justiz Ruandas übergeben worden, drei wurden zuletzt mit | |
UN-Haftbefehl weiter gesucht. Kabuga ist der prominenteste von ihnen. | |
Der zweite Gesuchte, Ruandas ehemaliger Verteidigungsminister Augustin | |
Bizimana, wurde wenige Tage nach Kabugas Festnahme für tot erklärt – er | |
soll im Jahr 2000 in Kongo-Brazzaville gestorben sein. Wieso sein Tod erst | |
jetzt gemeldet wird, ist jedoch unklar. Der dritte und nunmehr letzte | |
Gesuchte, Protais Mpirinya, ehemals Chef von Ruandas Präsidialgarde, soll | |
sich in Simbabwe oder Südafrika aufhalten. | |
3 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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