# taz.de -- UN-Ruanda-Tribunal verschont Angeklagten: Félicien Kabuga bleibt s… | |
> Das UN-Gericht erklärt den „Finanzier des Völkermordes“ an Ruandas Tutsi | |
> für verhandlungsunfähig. Kabuga rüstete Milizen auf und gründete ein | |
> Hetzradio. | |
Bild: Anwälte Felicien Kabugas zum Prozessbeginn 2022 vor dem UN-Kriegsverbrec… | |
BERLIN taz | Jahrzehntelang wurde der ruandische Geschäftsmann Félicien | |
Kabuga als „Finanzier des Völkermordes“ an den Tutsi 1994 international | |
gesucht – nun, wo er endlich vor Gericht steht, bleibt er verschont. Das | |
für die Abwicklung der noch offenen Prozesse des UN-Völkermordtribunals für | |
Ruanda zuständige Gericht in Den Haag hat am Dienstag den Ruander, dessen | |
Alter in unterschiedlichen Darstellungen mit 88 und 90 Jahren angegeben | |
wird, [1][für verhandlungsunfähig erklärt]. | |
Der Prozess gegen Kabuga wird ausgesetzt, empfohlen wird „ein alternatives | |
Feststellungsverfahren“, „das einem Gerichtsprozess so nahe wie möglich | |
kommt, jedoch ohne die Möglichkeit einer Verurteilung“, so der | |
Residualmechanismus [2][IRMCT] der abgewickelten UN-Tribunale für Ruanda | |
und Exjugoslawien. | |
[3][Félicien Kabuga] war in Ruanda bis zum Völkermord 1994 der reichste | |
Geschäftsmann, verschwägert mit Präsident Juvénal Habyarimana und Besitzer | |
zahlreicher Unternehmen. Er gründete den Radiosender Radio-Télévision Libre | |
des Mille Collines (RTLM), das wichtigste Instrument der Hetzpropaganda | |
gegen Ruandas Tutsi im Vorlauf des Völkermordes sowie nach Beginn der | |
planmäßigen Massaker ab dem [4][Abend des 6. April 1994], die innerhalb der | |
nächsten drei Monate über eine Million Tote forderten. Er besorgte auch die | |
Importe großer Mengen von Macheten für die Völkermordmiliz „Interahamwe“, | |
die zusammen mit der damaligen Armee Ruandas die Tutsi des Landes | |
systematisch jagte und umbrachte. | |
Nach dem Zusammenbruch des für den Völkermord verantwortlichen Regimes im | |
Juli 1994 war Kabuga wie fast alle Drahtzieher des Völkermordes flüchtig. | |
Das 1995 gegründete [5][UN-Völkermordtribunal für Ruanda] stellte | |
Haftbefehl gegen ihn aus, aber er blieb verschollen. Erst im Mai 2020 wurde | |
er i[6][n Paris gefasst]. Sein Prozess sollte der vermutlich letzte große | |
internationale Ruanda-Völkermordprozess werden. | |
## Prozess begann erst 2022 | |
Daraus wird nun nichts. Schon gleich nach seiner Festnahme in Frankreich | |
hatten seine Anwälte und Angehörigen Kabugas schlechten Gesundheitszustand | |
geltend gemacht, um seine Überstellung an die UN-Justiz zu verhindern – | |
vergeblich, aber das Prozedere kostete Zeit, in der Kabuga immer älter | |
wurde. Erst am 29. September 2022 konnte der Prozess in Den Haag beginnen. | |
Vor Gericht hoben die UN-Ankläger hervor, dass Kabuga beim Völkermord nicht | |
nur im Hintergrund tätig war. Am 7. April 1994, als die | |
Interahamwe-Milizionäre koordiniert in Aktion traten, versammelten sie sich | |
in einem von Kabugas Firmengebäuden in der ruandischen Hauptstadt Kigali | |
und wurden von dort in Kabugas Fahrzeugen zum Einsatz gefahren, so die | |
Anklage. Kabuga selbst sei anwesend gewesen. | |
Zeugenaussagen nannten später weitere Details: Kabuga habe Partys für | |
die Interahamwe ausgerichtet, sie bezahlt und ihnen gesagt, es sei wichtig, | |
dass sie „die Büsche beschneiden“ – ein Euphemismus für das Verstümmel… | |
Töten mit Macheten. | |
Kabuga blieb der Verhandlung fern und verfolgte den Prozess per Video aus | |
der Haft im Rollstuhl. Er wurde sichtlich kränker und im Februar wurde die | |
Verhandlungsdauer auf 90 Minuten pro Tag reduziert. Im März befand ein | |
Ärztepanel, Kabuga sei „zu krank, um vor Gericht zu stehen“, und der | |
Prozess wurde ausgesetzt. | |
Die weiteren Untersuchungen waren eindeutig. Ein Arzt, der Kabuga 2022 noch | |
für fit erklärt hatte, diagnostizierte ihn nun als dement. Nicht nur könne | |
der Angeklagte der Verhandlung nicht folgen, er könne auch seine | |
Verteidiger nicht instruieren und keine Aussagen machen. | |
„Beteiligung an einem komplexen Verfahren erfordert als Minimum ein | |
funktionierendes Gedächtnis“, analysierte das Gericht. Da das nicht der | |
Fall sei, „ist Herr Kabuga nicht mehr in der Lage, an seinem Prozess | |
sinnvoll teilzunehmen“. | |
Eine Einstellung des Verfahrens und Kabugas Freilassung, wie seine | |
Verteidiger es wollen, komme aber nicht in Frage. Der Prozess soll | |
weitergehen, Zeugen sollen weiter aussagen, aber Kabuga nimmt nicht teil | |
und es wird am Ende kein Urteil geben. | |
In Ruanda stößt das auf Unverständnis. 1994 seien auch Alte und Kranke | |
massakriert worden, lautet eine häufige Kritik [7][in sozialen Netzwerken]: | |
Erst habe Kabuga sich der Justiz entzogen, dann habe er den Prozess | |
verzögert und nun spiele er den Dementen, um seiner Strafe zu entgehen. | |
7 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.irmct.org/sites/default/files/case_documents/2023-06-06-EN-Furt… | |
[2] https://www.irmct.org/en | |
[3] /Ruandas-Voelkermord-Financier/!5686652 | |
[4] /Erinnerung-an-den-Voelkermord-in-Ruanda/!5044916 | |
[5] https://unictr.irmct.org/ | |
[6] /Ruandas-Voelkermord-Financier-in-Haft/!5683817 | |
[7] https://twitter.com/jessicamwiza/status/1666362626245263361 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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