# taz.de -- Jahrestag Völkermord in Ruanda: Kabuga-Prozess rückt in weite Fer… | |
> Der langersehnte Prozess gegen Ruandas „Finanzier des Völkermordes“ droht | |
> zu scheitern. Grund sind Kabugas Gesundheitszustand – und Corona. | |
Bild: Gerichtszeichnung von Félicien Kabuga (Mai 2020 vor dem Pariser Berufung… | |
BRÜSSEL taz | [1][Félicien Kabuga] ist der prominenteste | |
Untersuchungshäftling, der noch auf seinen Prozess wegen Völkermordes in | |
Ruanda wartet. Der „Finanzier des Genozids“ war vor dem Massenmord an bis | |
zu einer Million Tutsi in Ruanda 1994 reicher Geschäftsmann und Schwager | |
des damaligen Präsidenten Juvénal Habyarimana. Er leitete den | |
Hetzradiosender „Mille Collines“ als Vorstandsvorsitzender und war während | |
des Völkermordes Präsident des „Nationalen Verteidigungsfonds“ zur | |
finanziellen und logistischen Unterstützung der Interahamwe-Milizen. | |
Erst im Mai 2020 wurde er [2][nach 22 Jahren auf der Flucht gefasst] – in | |
[3][Frankreich], wo er unbehelligt gelebt hatte. Am 26. Oktober 2020 wurde | |
er in das UN-Untersuchungsgefängnis in Den Haag überstellt, um nach Arusha | |
in Tansania gebracht werden zu können, wo der „Residualmechanismus“ des | |
2015 beendeten UN-Ruanda-Völkermordtribunals residiert, um ausstehende | |
Fälle abzuarbeiten. | |
Doch es wird immer unklarer, wann der mutmaßlich 86-Jährige je vor Gericht | |
kommt. Der belgische Chefankläger des UN-Residualmechanismus, Serge | |
Brammertz, erklärte am 15. März, es könne noch viele Monate dauern. | |
Die Covid-19-Pandemie erschwert nicht nur Kabugas Überstellung nach | |
Tansania, sondern auch die Vorbereitung des Prozesses: Jede Befragung | |
möglicher Zeugen, sei es in Frankreich, Belgien oder Ruanda, unterliegt | |
Reisebeschränkungen und Quarantänemaßnahmen. Um in Ruanda die | |
pandemiebedingt abgeriegelte Hauptstadt Kigali zu verlassen oder | |
Gefängnisse zu besuchen, brauchen Brammertz’ Ermittler Sondergenehmigungen. | |
## Schlechter Gesundheitszustand | |
Bis zum 15. September soll Brammertz einen Zwischenstand abliefern. Aber er | |
schließt nicht aus, dass die Richter den Beginn der Hauptverhandlung bis | |
2022 hinausschieben. Erschwerend kommt hinzu, dass zahlreiche relevante | |
Dokumente mehr als zwei Jahrzehnte alt sind: Der erste UN-Haftbefehl gegen | |
Kabuga datiert aus dem Jahr 1998. Viele Zeugen aus der Zeit müssten erst | |
noch wiedergefunden werden. Auch der Zeugenschutz bleibt virulent, obwohl | |
der Völkermord schon 27 Jahre her ist. | |
Kabugas französisches Pflichtverteidigerteam wird von Emmanuel Altit | |
geleitet, der gerade erst den Freispruch des ehemaligen Präsidenten der | |
Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, vor dem Internationalen Strafgerichtshof | |
erstritten hat. Altit hat nun den Residualmechanismus aufgefordert, ihm | |
sämtliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die auch den Anklägern | |
vorliegen, auch vertrauliche Beweismittel. Dies sei für die | |
„Waffengleichheit“ notwendig, schrieb er. | |
Verwirrend ist, dass Kabuga und Altit sich zerstritten haben. Altit hat | |
seine Entpflichtung beantragt mit der Begründung, er wolle keine | |
Anweisungen von Kabugas Familienangehörigen annehmen oder diesen | |
Akteneinsicht gewähren, wie Kabuga es gefordert habe – das verstoße gegen | |
die anwaltliche Schweigepflicht. Die Richter des Residualmechanismus | |
lehnten am 1. April die Entpflichtung ab. | |
Letztendlich stellt sich aber die Frage, ob Kabuga sich je vor Gericht | |
verantworten wird. Schon vor seiner Überstellung nach Den Haag hatten die | |
Anwälte des damals 85-Jährigen seinen schlechten Gesundheitszustand geltend | |
gemacht. Sollte die Kammer in Arusha einen Termin zur Eröffnung der | |
Hauptverhandlung festsetzen, könnte die Verteidigung mangelnde | |
Verhandlungsfähigkeit geltend machen und medizinische Gutachten anfordern – | |
und damit alles immer weiter verzögern. | |
7 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
François Misser | |
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