# taz.de -- Lagebericht aus Ruanda: Ohne Bargeld unterwegs | |
> Ruanda hat seine Sicherheitsmaßnahmen in der Coronakrise straff | |
> organisiert. Kontaktlose Seifenspender und Bezahlen via App sind beliebt. | |
Bild: Kigali in Zeiten des Coronavirus | |
KIGALI taz | Es ist immer noch, als wäre der Spuk plötzlich vorbei. Seit | |
fast zwei Wochen gilt in Ruanda [1][die erste Lockerungsphase nach knapp | |
siebenwöchiger Ausgangssperre]. All diese Zeit habe ich mich in der | |
Hauptstadt Kigali kaum nach draußen gewagt. Selbst Sport machen, spazieren | |
oder gar nur mit dem Hund Gassi gehen war untersagt. An jeder Straßenecke | |
standen Polizisten mit Mundschutzmasken und digitalen Fieberthermometern. | |
Wer auch nur zum Supermarkt oder zur Bank wollte, wurde mit dem Auto | |
gestoppt. Die Uniformierten fragten stets höflich, aber bestimmt, wohin es | |
gehe und warum. | |
Manchmal gab es Anweisungen, zum nächstgelegenen Supermarkt zu fahren und | |
nicht zu dem, bei dem es die Lieblingsmarmelade gibt. Manchmal gab es die | |
Anweisung, [2][die Mundschutzmaske aufzuziehen], dabei saß ich allein im | |
Fahrzeug. Manchmal wurde man einfach so hindurchgewinkt. Jeder Ausflug nach | |
draußen wurde somit zum Risikospiel. | |
Das kleine, aber straff durchorganisierte Land Ruanda hat mich in den | |
vergangenen Wochen immer wieder überrascht. Die Zahl der rund um die Uhr | |
stationierten Polizeikräfte war schier überwältigend: ebenso deren | |
Disziplin und Fähigkeit, stundenlang bei strömendem Regen sich die Beine in | |
den Bauch zu stehen. Dass sie dennoch höflich waren, beeindruckte mich am | |
meisten. Im Nachbarland Uganda werden Uniformierte oft ausfallend, im | |
anderen Nachbarland Kongo fragen sie in der Regel nach Geld. In Ruanda | |
taten sie einfach ihren Job. Das gab den Menschen ein Gefühl der Sicherheit | |
und den Eindruck, die Regierung habe die Lage unter Kontrolle. | |
Nur in den Seitengassen, wo die Polizei nicht hinreichte, herrschte oft | |
fragliche Unordnung: bettelnde und barfüßige Straßenkinder, die sich durch | |
die Müllsäcke der gut betuchten Stadtelite wühlten und den Unrat auf den | |
sonst sauberen Straßen verteilten. Die sonst in der Hauptstadt nur | |
versteckte Armut wurde in den vergangenen Wochen wieder überall sichtbar. | |
Vor den städtischen Wasserquellen drängelten sich trotz Abstandsgebot die | |
Kinder mit ihren gelben Wasserkanistern, die sie dann nach Hause | |
schleppten. | |
## Joggen nur mit Hund | |
Für die Mittelklasse gab es Wasser satt: Überall vor den Banken, | |
Supermärkten, Krankenhäusern wurden mobile Handwaschstationen aufgebaut. | |
Durch das Drücken eines Fußpedals sprudelt Wasser heraus. Daneben der | |
automatische Seifenspender mit Sensorfunktion. Alles „Made in Ruanda“. | |
Made in Ruanda war auch die eigens programmierte Polizeiapp. Wer zum | |
Supermarkt oder selbst ins Krankenhaus wollte, musste in den vergangenen | |
zwei Wochen jedes Mal eine Anfrage online stellen. Dabei musste man | |
Personaldaten, Autokennzeichen und Zweck und Ziel der Fahrt eingeben. | |
Eigentlich sollte dann eine Bestätigungs- oder Ablehnungsnachricht | |
aufpoppen. Meist gab es aber nur Fehlermeldungen. Erst Tage später kam | |
mitunter die Meldung: „Fahrt zum Supermarkt zwischen 15.55 Uhr und 16.55 | |
Uhr erlaubt.“ Glücklich fuhr ich damit durch die Gegend, drehte noch eine | |
Extrarunde, um die Autobatterie etwas aufzuladen. Ausgerechnet dann wollte | |
kein Polizist mich kontrollieren. | |
Ich habe seit Wochen kein Bargeld angerührt. Mein Handy mit der mobilen | |
Geldtransfer-App wurde neben meiner Visakarte zur Geldbörse. Erstaunlich, | |
wie wenig man ausgibt, wenn man keine Restaurants besucht, in keine Kneipe | |
geht. Nur mit dem Hund habe ich mich jeden Abend zum Joggen rausgewagt, um | |
die Ecke allerdings nur. Knapp eine Stunde lief ich immer wieder um | |
denselben Häuserblock. | |
Am Montag nun war ich zum ersten Mal ohne Auto, ohne Hund draußen. Selbst | |
ohne obligatorischen Mundschutz, denn der stört beim Joggen. Auf der acht | |
Kilometer langen Strecke, die ich auch sonst immer laufe, war alles wie vor | |
der Coronakrise: der Stau auf den Straßen, die Luftverschmutzung, die | |
offenen kleinen Läden in den Seitengassen mit rauchenden und trinkenden | |
Männern davor. Nur wenige Menschen trugen Mundschutz. Selbst die Polizisten | |
waren verschwunden. | |
Ich begegnete nur drei von ihnen: Sie lagen in einem kleinen Park zwischen | |
den Bäumen und dösten vor sich hin. Nach wochenlanger Arbeit aber | |
wohlverdient. | |
17 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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