# taz.de -- Rassismus-Debatte um „Otto – Der Film“: Schluss mit lustig | |
> „Otto – Der Film“ läuft gerade wieder in einigen Kinos und ist wegen | |
> einer problematischen Szene Gegenstand einer Diskussion um Rassismus und | |
> Humor. | |
Bild: Otto Waalkes und Günther Kaufmann in der Sequenz des Anstoßes | |
BREMEN taz | Darf ein Komiker [1][das N-Wort] benutzen – oder gar „Bimbo“ | |
sagen? Von einem mindestens verstörenden Erlebnis berichtete [2][unlängst | |
Jacek Slaski im Berliner Stadtmagazin tip]: Mit seinem zehnjährigen Sohn | |
hatte er einen Film mit dem „Helden der eigenen Jugend“ angesehen, die 1985 | |
entstandene Erfolgskomödie „Otto – Der Film“ von und mit dem Exilostfrie… | |
und Wahlhamburger Otto Waalkes. Überraschender Erklärungsbedarf bestand | |
dann in jener Szene, in der Titelheld Otto (Waalkes) einer reichen Dame das | |
Geld aus der Tasche zieht, indem er ihr Günther Kaufmann als „Sklaven“ | |
anbietet – auch mit den Worten: „Schwarzer Kopf, schwarzer Bauch, schwarze | |
Füß“. | |
Das ist heute nicht mehr lustig, und so fragt sich denn auch Slaski, „was | |
es für eine Gesellschaft bedeutet, dass ein derart erfolgreicher Film so | |
offen und plump mit rassistischen Klischees spielt und das nicht einmal | |
erkannt und eingeordnet wird“. Sein unaufgeregter Text war vermutlich nicht | |
der allererste zu diesem Thema, aber ein ziemlich früher. Seither wird eine | |
gelegentlich schrille Debatte geführt über Humor und Rassismus; in den | |
vergangenen Tagen nahm sie noch mal merklich an Fahrt auf, und das dürfte | |
daran liegen, dass der Film am heutigen Donnerstag vielerorts wieder ins | |
Kino kommt. | |
Otto Waalkes, der bislang nichts dazu gesagt hat, wäre nicht einer der | |
besten deutschen Nachkriegskomiker, wenn er nicht wüsste, dass die Zeit für | |
diesen Witz schon seit längerem vorbei ist. 1985 hingegen war der Gebrauch | |
dieses „deutschen“ N-Worts üblich und keine rassistische Beschimpfung – … | |
also auch kein Anlass für erhitzte Diskussionen. Zumal der Kontext einer | |
problematischen Lesart eher entgegen arbeitet: Auf der Ebene der Handlung | |
macht die Szene sich lustig über die Scheinheiligkeit „feiner Leute“, die | |
nichts gegen einen Sklaven im Haus hätten – wäre ihnen das bloß erlaubt. | |
Auch beleidigt Otto den auf der Straße aufgegabelten US-Soldaten (Günther | |
Kaufmann) weder, noch degradiert er ihn, und eher amüsiert als irritiert | |
macht der Mann den Streich mit. Überhaupt spielt Kaufmann (1947–2012), als | |
Darsteller bei Fassbinder oder auch in legendären Bremer | |
Theaterinszenierungen bekannt geworden, die einzige Figur, die keine | |
Karikatur ist – abgesehen vielleicht von Silvia (Jessika Cardinahl). | |
Andererseits ist dieses weibliche Objekt von Ottos Begierde so naiv | |
gezeichnet, dass der Film mindestens so sehr sexistisch genannt werden kann | |
wie rassistisch. | |
Geschrieben hatten die umstrittene Szene – wie den Rest des Drehbuchs, | |
[3][aber auch die meisten Nummern in Ottos damaligen Bühnenshows] – Bernd | |
Eilert, Robert Gernhardt und Peter Knorr, die allesamt zur „Neuen | |
Frankfurter Schule“ des höheren Blödsinns gehörten und zuerst für die | |
Pardon, dann für die Titanic schrieben. „Politisch korrekt“ genannt zu | |
werden, wäre für sie wohl eine Beleidigung gewesen. Lustig machten sie sich | |
aber immer nur nach oben gerichtet, Auch wenn Otto versucht, sich | |
radebrechend einem vermeintlichen Arbeitsmigranten verständlich zu machen, | |
antwortet dieser in geschliffenem Deutsch – das dann wiederum Otto nicht | |
versteht. | |
Wie gut ist „Otto – Der Film“ also gealtert? Als infantile Kunstfigur ist | |
Otto immer noch witzig. Abseits seiner Auftritte fiel er damals nie aus der | |
Rolle, wer der Privatmann Otto Waalkes war, war schwer zu ergründen. | |
Obwohl ihr Humor völlig verschieden ist, dürfte Otto damit ein Rollenmodell | |
für Helge Schneider gewesen sein. In den 1980er-Jahren gehörte Otto zur | |
Handvoll Künstler*innen, die die Populärkultur der Bundesrepublik | |
veränderten. Mit zwei anderen in diesem Sinne wichtigen Leuten, Udo | |
Lindenberg und Marius Müller-Westernhagen, lebte er eine kurze Zeit lang in | |
einer Hamburg-Eppendorfer Wohngemeinschaft. | |
Nicht gut gealtert ist eine der bekanntesten und witzigsten Sequenzen: Die | |
Idee, eine Parodie auf Michael Jacksons Gruselvideo „Thriller“ zu machen, | |
in dem nachts auf dem Friedhof eine Armee von untoten Heinos auferstehen | |
und zum Marschschritt „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ singen, bleibt einer | |
der schönsten Lacher des Jahrzehnts. Aber Jackson und Heino stehen | |
inzwischen für etwas ganz anderes als schwarze Coolness und weiße | |
Dumpfheit, und gute Parodien müssen einerseits nah an ihren parodierten | |
Vorbildern bleiben – diese aber muss das Publikum auch kennen. | |
„Otto – Der Film“ übernahm viele Elemente von Ottos Bühnenshows, darunt… | |
seine Version des Comedian-Harmonists-Songs „Mein kleiner grüner Kaktus“. | |
Was damals mancher als Zweitverwertung bemängelte, ist heute ein Vorteil, | |
denn nebenbei bietet der Film so das Beste von Otto aus seinen besten | |
Zeiten. Die Autoren Eilert/Gernhardt/Knorr haben auch hier einen schönen | |
Dreh gefunden und die Komik noch erhöht: So tritt Otto in einem Altersheim | |
auf, wo ihn keine*r witzig findet. Schallend lachen die Senior*innen nur | |
über die boshaften Kommentare eines alten Grantlers im Stil von Waldorf | |
und Statler aus der Muppet-Show. „Seid ihr alle da?“ fragt Otto | |
schließlich, und auf ihr „Ja“ antwortet er: „Aber nicht mehr lange!“. … | |
man heute noch solche Altenwitze machen? | |
Mit 14 Millionen Zuschauer*innen war „Otto – Der Film“ der lange Zeit | |
erfolgreichste bundesdeutsche Kinofilm. Produzent Horst Wendlandt (1922 | |
–2002) wusste damals wie niemand anders, was die Westdeutschen wann im Kino | |
sehen wollten, erfand etwa die Edgar-Wallace- und Winnetou-Filme. Waalkes | |
wiederum machte noch fünf weitere Otto-Filme – mit abnehmendem Erfolg. Sein | |
Comeback hatte er 2002 als Synchronstimme des Faultiers „Sid“ in den | |
Ice-Age-Filmen. Für 2020 geplant war die Premiere von „Catweazle“, der | |
Kinoadaption einer britischen Fernsehserie aus den 1970er-Jahren. | |
„Otto – Der Film“ war der Höhepunkt von Waalkes̕ Karriere. Derzeit läu… | |
in einigen Kinos, aber auch auf Netflix ist er zu sehen – noch ohne | |
Schnitte. | |
31 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /N-Wort/!t5011137 | |
[2] https://www.tip-berlin.de/otto-der-film-und-der-rassismus-eine-revision-ist… | |
[3] /Krankheitsbild-Elektrosensibilitaet/!5170065 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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