Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Virtuelle Fankurve: Ein Hauch von 3D
> Fernsehsender versuchen verzweifelt, Stadionatmosphäre zu simulieren. Fox
> Sports in den USA zeigt jetzt sogar computergenerierte Fan-Avatare.
Bild: Platt und unbeweglich, das war Fox Sports zu wenig. Hier Fans aus Pappe b…
Es ist ein Traum für den in der Armseligkeit der dritten Liga versunkenen
früheren Bundesligisten MSV Duisburg. In der ersten Runde des Wettbewerbs
um den DFB-Pokal spielt der Meidericher Spielverein gegen den großen
Reviernachbarn Borussia Dortmund. Als unterklassiger Verein hat der MSV
Heimrecht. Was für ein Spiel für Fußballromantiker! Eigentlich. Denn es
wird nicht viel los sein in Duisburg Anfang September, wenn das Match
steigt. Was hat es schon für Pokalsensationen gegeben, in denen der
Underdog, angefeuert von mit bestem Bier zu bester Laune gedopten Fans,
eine Millionärsvereinigung aus der ersten Liga mit einer Niederlage wieder
nach Hause geschickt hat! Vorbei.
Nicht mal einen echten Heimvorteil gibt es, [1][solange die Kurven nicht
voll sind]. Auch wenn erste konkrete Pläne ausgearbeitet werden, nach denen
die Stadien eventuell bis zu einem Viertel gefüllt werden können, in den
großen Profiligen wird so schnell nichts so sein, wie es vor Corona war.
Doch nicht nur der Heimvorteil leidet unter dem Hygienesport der
Gegenwart. Auch die Sportfans zu Hause an den Empfangsgeräten jammern über
die Nicht-Stimmung, die ihnen in die Wohnungen gesendet wird. Die Ultras
und Kuttenfans aus den Kurven, die sich zu jedem Spieltag so drollig
verkleiden und ein Liedlein nach dem anderen auf die Liebe ihres Lebens
anstimmen, sind eine lieb gewordene Kulisse auch für Sportanhänger:innen,
die nie ein Stadion betreten würden. Das wissen die übertragenden Sender
zur allzu gut und versuchen, seit Sport für die Massen ohne Livepublikum
auskommen muss, digital an das Signal ranzuprogrammieren, was fehlt.
Der Sender Fox Sports in den USA lässt die Tribünen bei Spielen der Major
League Baseball jetzt mit [2][virtuellen Fans] bestücken, also in die
Liveübertragung reinkopierte Avatare, die sogar eine leichte Anmutung von
Dreidimensionalität haben. Die Programmierer:innen können sie sogar
aufstehen, klatschen und jubeln lassen.
## Virtuelle Leibchen auf virtuellen Leibern
Das ist der aktuell liebevollste, aber beileibe nicht erste
Lösungsvorschlag zum Thema leere Stadien. Wer ein Abonnement des
Bezahlsenders Sky hat, konnte in der abgelaufenen Saison der Bundesliga
Spiele ansehen, über die ein akustisches Signal gelegt wurde, das
Stadionatmosphäre vorgaukeln sollte.
Es war ein niederschmetterndes Experiment. Da wurde „Schalke“ gesungen,
obwohl es dafür nun wirklich keinen Grund gab. Es wurde laut, wenn gerade
gar nichts los war, oder es wurde gepfiffen, auch wenn niemand gefoult
worden war. Und wenn es wirklich einen Grund zum Aufregen gab, weil ein
Schiedsrichter zum Beispiel ein Handspiel von Jérôme Boateng im Strafraum
nicht gepfiffen hat, blieb das virtuelle Publikum brav. Ein lautes
„Fußballmafia DFB!“ hätte so manchem Spiel gewiss gutgetan. Kurz – es w…
ein Desaster.
Als dann in Spanien der Ligabetrieb wieder aufgenommen wurde, wollte man
noch einen draufsetzen und kündigte an, die Ränge mit virtuellen Fans zu
besetzen. Denen wurden die Vereinsfarben des jeweiligen Gastgebers auf die
virtuellen Leiber programmiert. Alle sahen gleich aus und die Bilder aus
spanischen Stadien wirkten so, wie man sich ein Fußballspiel in Nordkorea
vorstellen mag. Wenn die Kamera gewechselt wurde, statt der Totalansicht
des Spielfelds eine Nahaufnahme zu sehen war, war das Publikum dann
plötzlich verschwunden. Jede Fußballsimulation für den Computer seit der
Jahrtausendwende wirkt da echter. Es war zum Abschalten.
Die Frage, warum überhaupt noch echte Sportler in echte Arenen geschickt
werden, drängt sich hier regelrecht auf. Für den allgemeinen
Gesundheitsschutz wäre es sicher besser, man würde die Spieler:innen,
Trainer:innen und Manager:innen gleich ganz zu Hause lassen. Vielleicht
könnte man den Stars Controller in die Hand drücken, damit sie ihre eigenen
Avatare am Spieltag steuern können. Die virtuellen Fans im Stadion würde
das gewiss nicht stören. Und die Fans zu Hause? Die kann man ja vielleicht
auch programmieren.
27 Jul 2020
## LINKS
[1] /Oeffnungsdebatte-im-deutschen-Fussball/!5689375
[2] https://www.theverge.com/2020/7/25/21336017/fox-sports-baseball-virtual-fan…
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Stadion
Baseball
Fankultur
American Pie
Serien-Guide
American Pie
Kolumne Press-Schlag
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kolumne Frühsport
## ARTIKEL ZUM THEMA
Playoffs in Eishockey-Liga NHL: Smoothies auf Eis
Im Baseball dominieren Infektionszahlen die Berichterstattung. Derweil
schreitet der Spielbetrieb in den kanadischen NHL-Blasen unaufgeregt voran.
Corona und Fernsehproduktionen: Alarm für „Alarm für Cobra“
Derzeit müssen viele TV-Produktionen ruhen. Die Privatsender könnten sich
langfristig aus dem Fiktion-Segment zurückziehen.
Positive Corona-Tests im der MLB: Baseball in Zeiten der Seuche
Nach einer Reihe positiver Covid-19-Tests bei den Miami Marlins steht das
Hygienekonzept der MLB in der Kritik. Der Chef der Liga wiegelt ab.
Politische Ökonomie des Fußballs: Gut aufgestellt vom Investor
Beim 1. FC Kaiserslautern will der potenzielle Geldgeber dem Trainer
reinreden. Er zeigt, wie man auch in der Dritten Liga Geschäfte machen
kann.
Rückkehrpläne des Tennis-Betriebs: Ein bisschen realitätsfern
So reibungslos wie die Fußball-Bundesliga oder Formel 1 hat der
Tennis-Restart während Corona nicht geklappt. Nun schwebt die Szene in
Berlin ein.
Öffnungsdebatte im deutschen Fußball: Jens Lehmann ist jetzt Mainstream
Zuschauer im Stadion trotz Corona? Die Idee wird jetzt ernsthaft
diskutiert. Dabei hat sich wenig verändert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.