# taz.de -- Corona und Fernsehproduktionen: Alarm für „Alarm für Cobra“ | |
> Derzeit müssen viele TV-Produktionen ruhen. Die Privatsender könnten sich | |
> langfristig aus dem Fiktion-Segment zurückziehen. | |
Bild: Das Cobra-Team posiert in einer Werbung für die neue Staffel der Serie | |
Zwei Drittel aller TV- und Filmproduzenten in Europa mussten in den | |
vergangenen Monaten wegen Covid-19 ihre Produktionen stoppen. Das ist das | |
Resümee des Europäischen Produzentenverbands Cepi. Zugleich bangen alle | |
privaten TV-Sender auf dem Kontinent wegen drastischer Verluste bei den | |
Werbeeinnahmen. Etwa die SevenOne Entertainment Group (ProSiebenSat.1). Die | |
verzeichnet für das zweite Quartal im Vergleich mit dem Vorjahr einen | |
Umsatzrückgang von 34 Prozent. Bei der RTL-Gruppe dürfte es ähnlich sein, | |
auch wenn die Verantwortlichen dort keine konkreten Zahlen nennen möchten. | |
Schlechte Zeiten also für aufwändige und kostenintensive fiktionale | |
Produktionen bei den kommerziellen TV-Anbietern? „Bei RTL mussten wir unter | |
anderem die Produktion von ‚Alarm für Cobra‘ schieben, können derzeit aber | |
weiter produzieren“, sagt ein Sprecher des Kölner Senders. „Im | |
Movie-Bereich ist es zum Beispiel der Boris Becker-Film, den wir nun im | |
nächsten Jahr produzieren werden.“ Durch die Verschiebungen der bereits | |
geplanten Projekte sei der „Ausstrahlungsoutput“ im Bereich Fiktion in | |
diesem Jahr gemindert. Aber dafür, schiebt der Sprecher nach, gebe es im | |
nächsten Jahr umso mehr. Fraglich, wie sicher man das zu diesem Zeitpunkt | |
sagen kann. | |
Weit vorsichtiger ist die Einschätzung, zu der die Teilnehmer eines | |
Webinars namens „The effects of Covid-19 on the film, TV and VOD industries | |
in Europe“ kamen. Die virtuelle Minikonferenz fand Ende Juni anlässlich der | |
Filmmesse Cannes Marché du Film statt. „Aktuell erleben wir die größte | |
ökonomische Krise, der wir uns jemals gegenübergesehen haben“, formulierte | |
es Grégoire Polad, Chef der Association of Commercial Television in Europe. | |
Gerade bei den unabhängigen Produzenten gebe es einen massiven Mangel an | |
Einnahmen. | |
Im schlimmsten Fall, so das Fazit der Expertenrunde, könnte Corona zu einer | |
systemischen Krise werden, mit einer tiefgreifenden Rezession, die auch das | |
TV-Werbegeschäft aushöhlt. Die Einkünfte der Öffentlich-Rechtlichen sowie | |
der Filmförderungen wären dann ebenso betroffen – und das zu einer Zeit, in | |
der die Ausgaben für die so beliebten [1][Highend-Serien] immer weiter | |
steigen. | |
## Konkurrenz aus dem Netz | |
Wird Fiction bei den Privaten daher jetzt Mangelware, gibt es nun noch mehr | |
preisgünstigere Segmente wie Reality und Show? Moritz von Kruedener von der | |
Produktions- und Filmhandelsgruppe Beta Film rechnet zwar mit Auswirkungen | |
auf die Programmentscheidungen der privaten Anbieter. Aber: „Heute ist es | |
noch zu früh, um festzustellen, Sender oder Plattformen wollen raus aus der | |
Fiction und machen nur noch Non Fiction und Sport – das wäre zu vereinfacht | |
und eine völlig falsche Schlussfolgerung.“ | |
Beta Film-Projekte wurden ebenfalls verschoben oder unterbrochen, etwa die | |
Serie „Wild Republik“ für Deutsche Telekom und ARD oder „Katakomben“ f… | |
Joyn. „Beide große private Sender-Gruppen haben lange vor Corona ihre | |
Plattformen gestartet, sind sehr aktiv und beauftragen spannende Projekte, | |
das ist weiterhin in vollem Gange, und sie wagen viel“, beschreibt von | |
Kruedener weiter, „ich glaube nicht, dass hier die großen Sendergruppen und | |
Player das ganze Fiction-Segment der Konkurrenz überlassen werden.“ | |
Die Konkurrenz – das sind vor allem die Plattformen, die immer mehr die | |
Vorherrschaft erringen, wenn es um den Bewegtbildkonsum geht: Netflix | |
beispielsweise konnte im ersten Halbjahr rekordverdächtige 26 Millionen | |
neue Abonnenten gewinnen. Und eine aktuelle Studie von Deloitte kommt zu | |
dem Ergebnis, dass der durchschnittliche US-Verbraucher jetzt für vier | |
verschiedene Dienste zahlt – gegenüber drei vor Ausbruch der Pandemie. | |
„Schon vor Covid-19 war das System in einer fragilen Balance“, analysiert | |
Gilles Fontaine vom European Audiovisual Observatory, „durch Stagnation bei | |
den Ressourcen und Druck bei der Finanzierung von Inhalten, gerade mit | |
Blick auf das wettbewerbsintensive Genre der Highend-Serien – die Pandemie | |
hat jetzt lediglich Trends beschleunigt, die schon zuvor existent waren.“ | |
Einer der wichtigsten Trends: Anbieter, die früher erbitterte Konkurrenten | |
waren, arbeiten heute einträchtig zusammen, um hochwertige Fiction zu | |
finanzieren, so wie bei der Serie [2][„Mapa“] von Joyn und RBB. | |
Ganz eindeutig zeigt die Krise aber vor allem eins: Plattformen stehen | |
jetzt endgültig gleichberechtigt neben den klassischen TV-Sendern, wenn es | |
um den Konsum audiovisueller Inhalte geht. | |
6 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Urbe | |
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