| # taz.de -- Fast Fashion ruiniert Altkleidermarkt: Viele Textilsammler vor dem … | |
| > Die ohnehin gebeutelte Alttextil-Branche fürchtet sich vor dem | |
| > überarbeiteten Kreislaufwirtschaftsgesetz. Sie fürchtet neue Konkurrenz. | |
| Bild: Die Billigware lässt sich nicht einmal mehr zu Putzlumpen verarbeiten | |
| Berlin taz | Der Vorwurf der Rosinenpickerei ist sattsam bekannt aus dem | |
| jahrelangen Streit ums Altpapier. Die Kommunen warfen den gewerblichen | |
| Sammlern vor, den Sekundärrohstoff nur an lukrativen Orten sammeln zu | |
| wollen und den gammeligen Rest den Kommunen zu hinterlassen. Nun sehen die | |
| Altkleidersammler einen ähnlichen Konflikt heraufziehen. | |
| Im generalüberholten Kreislaufwirtschaftsgesetz, das demnächst | |
| verabschiedet werden soll, wird die Produktverantwortung ausgeweitet. | |
| Unternehmen dürfen künftig auch Waren zurücknehmen, die sie nicht selbst | |
| hergestellt oder vertrieben haben, wenn sie dies den Behörden anzeigen. Die | |
| Bundesregierung verspricht sich durch die Möglichkeiten „freiwilliger | |
| Rücknahme“ weniger Abfall, weil [1][Produkte wieder- und damit länger | |
| verwendet werden können]. „So können auch Alttextilien einer hochwertigen | |
| Sammlung zugeführt werden, die sonst eventuell über den Restmüll entsorgt | |
| werden“, sagt eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums. | |
| Dieses Ziel werde verfehlt, sagt Jörg Lacher, Sprecher des | |
| [2][Recyclingverbandes bvse]. Es sei davon auszugehen, dass „insbesondere | |
| die höherwertigen Materialien den herstellereigenen Rücknahmesystemen | |
| zugeführt werden“, beklagt Lacher. Und gerade diese würden damit den | |
| gewerblichen, gemeinnützigen und öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern | |
| entzogen. Die für den Verbraucher kostenlose Sammlung aller Alttextilien | |
| werde durch dieses Rosinenpicken unwirtschaftlich und langfristig in seinem | |
| Bestand gefährdet, befürchtet der Verband. | |
| Auch der Dachverband der caritativen Sammler, Fairwertung, sieht das Gesetz | |
| kritisch. „Wir beobachten mit Sorge, dass sich der klassische Handel | |
| zunehmend für gebrauchte Textilien interessiert“, sagt Ulrich Müller, | |
| Verbandsvorsitzender und Geschäftsführer der [3][Deutschen | |
| Kleiderstiftung], einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Helmstedt. | |
| „Jedes gute Stück, das durch neue Geschäftsaktivitäten gemeinnützigen | |
| Unternehmen entzogen wird, schränkt deren Handlungsfähigkeit ein.“ | |
| ## Hochwertiges Recycling ist in Gefahr | |
| Der Gesetzgeber sieht diese Befürchtungen allerdings gelassen. Vielfach | |
| bestehe gar kein eigenes Interesse der Unternehmen, Abfälle zu | |
| bewirtschaften, heißt es im Gesetzentwurf. Daher werde angenommen, dass nur | |
| wenige Firmen künftig freiwillig Waren zurücknehmen würden, die sie nicht | |
| selbst hergestellt oder verkauft haben. Dass die Alttextilbranche Alarm | |
| schlägt, hängt sicher auch mit ihrer augenblicklichen Lage zusammen. In | |
| seinem aktuellen Bericht „Bedarf, Konsum und Wiederverwendung von | |
| Bekleidung und Textilien in Deutschland“ sieht der bvse das hochwertige | |
| Recycling von Alttextilien in Gefahr. | |
| Aus Sicht der Textilrecycler sei eine Fortführung des bis heute | |
| praktizierten Systems nicht zukunftsfähig, heißt es in dem Bericht. So | |
| steigen die Mengen weggeworfener Kleidung stetig an, von rund 1 Million | |
| Tonnen alter Textilien im Jahr 2013 bis auf 1,3 Millionen Tonnen 2018. Im | |
| Schnitt kauft jedeR Deutsche jährlich 18 Kilogramm Kleidung. Bei der | |
| letzten Erhebung des Verbandes 2013 waren es noch 12 Kilogramm. Dazu kommen | |
| 3,5 Kilogramm andere Textilien wie Bettwäsche, Tischdecken oder Handtücher. | |
| ## Billige Materialien | |
| Die Qualität der Textilien nimmt dabei laut Verband immer weiter ab, was | |
| sich unter anderem darin zeigt, dass immer mehr alte Kleider verbrannt | |
| werden. Wurden 2013 noch 8 Prozent der gesammelten Kleider verbrannt, waren | |
| es fünf Jahre später schon 12 Prozent – mit steigender Tendenz. „Seit 1996 | |
| ist Bekleidung im Vergleich zum Standardwarenkorb um 36 Prozent billiger | |
| geworden“, sagt Hennig Wilts, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft am | |
| Wuppertal Institut, „weil immer billigere Materialien verwendet werden.“ | |
| Von sinnvoll geschlossenen Kreisläufen sei kaum ein Sektor so weit entfernt | |
| wie der Textilsektor. | |
| „Wenn die Hersteller die Kleidung so produzieren, dass sie nur sechs bis | |
| sieben Maschinenwäschen halten“, sagt Müller von Fairwertung, „dann könn… | |
| sie die auch nicht mehr ordentlich Second Hand gebrauchen.“ Nicht mal mehr | |
| zu Putzlumpen können viele alte Klamotten verarbeitet werden – ihr | |
| Kunststoffanteil ist zu hoch. „Damit ein Putzlappen saugfähig ist, benötigt | |
| man schon einen gewissen Baumwollanteil“, erklärt Müller. „Die Modeketten | |
| sollten für die Kosten der Nachnutzung selber aufkommen müssen“, sagt | |
| Wilts. Die bvse-Unternehmen könnten dann zu etwas werden wie der Grüne | |
| Punkt für Verpackungen und sich ihre Arbeit von den H&Ms und Zalandos | |
| dieser Welt bezahlen lassen. | |
| Zu der strukturellen Misere kommen [4][nun noch die Auswirkungen der | |
| Pandemie]. Seit dem Lockdown gelangen Mengen von Textilien auf den | |
| Altkleidermarkt, die in den Putz- und Aufräumaktionen der Menschen während | |
| des Lockdowns entsorgt wurden. Laut der Zeitschrift Textilwirtschaft | |
| schätzt der Branchendienst Cycle 8 den Warenwert wegen Corona unverkaufter | |
| Textilien in Europa auf 136 Milliarden Euro. | |
| 26 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Flandern-und-der-Muell/!5525200 | |
| [2] https://www.bvse.de | |
| [3] https://www.kleiderstiftung.de/startseite/ | |
| [4] /Bekleidungsindustrie-leidet-unter-Corona/!5674792 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
| ## TAGS | |
| nachhaltige Kleidung | |
| Kleidung | |
| Secondhand | |
| Recycling | |
| Mode | |
| Upcycling | |
| Secondhand | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kleiderspenden aus EU-Ländern: Altkleider im Abfall | |
| EU-Länder exportieren immer mehr getragene Klamotten, vor allem nach Asien | |
| und Afrika. Die aber landen häufig auf Mülldeponien. | |
| Export von Plastikabfall: Müll für die Welt | |
| Durch Corona geht der Plastikverbrauch wieder in die Höhe. Viel davon wird | |
| nach Asien verschifft – über die norddeutschen Häfen. | |
| Wachsende Berge von Altkleidern: Nicht das Label interessiert | |
| Die Secondhandbranche und das Textilrecycling sind in der Krise. Auch hier | |
| werden durch Corona die Systemfehler sichtbar. | |
| Serie: Was macht eigentlich …?: Das Schockhafte der Masse | |
| Im Textilhafen, einem Upcycling-Projekt der Stadtmission, werden | |
| Kleiderspenden zu Nützlichem und Schickem verarbeitet. Wie ist die Idee | |
| angelaufen? | |
| Textilrecycling als Geschäftsmodell: Kleider machen Leute | |
| Holger Hackbarths Geschäft sind alte Kleider. Er macht Putzlappen daraus | |
| und schickt sie um die halbe Welt – und an Hipster zwischen Harz und Heide. |