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# taz.de -- 250. Jubiläum des Philosophen Hegel: Frischer Blick von links
> Der Journalist Dietmar Dath präsentiert in seinem neuen Buch die
> Philosophie Hegels. Das tut er kompakt und ohne Best-of-Zitate als
> Bonmots.
Bild: An der Fassade des Stuttgarter Rathauses ehrt eine Statue den Philosophen…
Wie man es von Jubiläen mancher Geistesgrößen kennt, verraten diese nicht
unbedingt etwas über die posthum Geehrten, sondern mehr über den Blick der
Jetztzeit auf ihre Vorzeit. Das ist bei Hegel, dem wichtigsten Philosophen
der Moderne, anlässlich seiner Geburt vor 250 Jahren nicht anders.
Für den hiesigen Buchmarkt sind allein zwei umfangreiche Biografien
vorgesehen. [1][Klaus Vieweg beschreibt Hegel als Vordenker der liberalen
Demokratie] unserer Tage und kolportiert nebenher die hübsche Anekdote, der
vermeintliche Preußenphilosoph habe jedes Jahr am 14. Juli ein Glas
Champagner auf den Beginn der Französischen Revolution getrunken.
Der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube wird in seiner im August erscheinenden
Biografie Hegel mutmaßlich als konservativen Intellektuellen einer
Umbruchszeit erscheinen lassen. Liberale und Konservative fanden sich immer
im Gefolge Hegels. Aber gab es da nicht noch die Linken?
Den Part hat [2][Dietmar Dath] übernommen. In der Reclam-Reihe „100
Seiten“, in der er zuvor schon über Marx publiziert hatte, sind nun seine
Bemerkungen über Hegel erschienen. Hegel auf 100 Seiten? Wie soll das
gehen? Diese Frage stellt Dath selbst zu Beginn und empfiehlt seinem
Publikum bei aufkommendem Widerspruch „1. bei Hegel nachsehen und 2. selbst
denken“.
Gut, das kann man immer sagen. Es stimmt auch immer. Und doch: Wie soll das
gehen? Dass sich Dath nicht mit philologischen Analysen der Hauptwerke
(welches sollten aber dann die Nebenwerke sein?) aufhält, ist zu begrüßen.
Das alles gibt es schon und auch gut, wie das sich an Fortgeschrittene
richtende „Hegel-Handbuch“. Aber dass die gerade unter Marxisten eifrig
rezipierte Herr-Knecht-Dialektik von Dath geradezu schnöde missachtet wird,
wie soll man das finden? Erstaunlicherweise ist das kein Makel – im
Gegenteil.
## Revolution des Denkens
Dath interessiert sich wenig für die zum Bonmot für
Kulturwissenschaftsseminare verkommenen Best-of-Zitate, die er dem nebenher
abgewatschten [3][Show-Philosophen Slavoj Žižek] überlässt. Im Vordergrund
bei Dath steht ein von der Mathematik und den Naturwissenschaften
inspirierter Blick auf die Hegelsche Revolution des Denkens.
Die Kritik der zweiwertigen Logik ist für das Zeitalter der Computer
unverzichtbar, so Dath, der etwa Maxwell, Hertz und William Lawvere ins
Feld führt. Dass mathematischer Verstand und spekulative Vernunft notwendig
aufeinander verwiesen sind, dass also auch die Naturwissenschaften denken
müssen und dafür Begriffe brauchen und dass Hegel sich darüber mit
weiterhin gültigen Ergebnissen den Kopf zerbrochen hat, das alles kann Dath
in einer Sprache erklären, die Klarheit in der Darstellung nicht mit
selbstverordneter Regression auf Hauptsatzniveau verwechselt.
Über Hegel und seine Zeit erfährt man auch einiges. Daths Hegel-Büchlein
kann gerade dadurch überzeugen, dass es sich aus der Sicht eines
Zeitgenossen für das Denken des Jubilars interessiert, nicht für das
Jubiläum.
14 Jul 2020
## LINKS
[1] /Neue-Hegel-Biografie-im-Jubilaeumsjahr/!5654406
[2] /Neues-Buch-Du-bist-mir-gleich/!5646317
[3] /Streitschrift-von-iek-ueber-Corona/!5686873
## AUTOREN
Jakob Hayner
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Philosophie
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Hegel
Kapitalismuskritik
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