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# taz.de -- Unterbringung von Bauarbeitern: Bruchbude für Arbeiter
> In Hannover mussten aus Bulgarien stammende Beschäftigte in einem
> früheren Hotel schlafen. Sie hatten nicht einmal Toiletten.
Bild: Heute kein guter Ort zum Übernachten: das ehemalige Maritim-Hotel in Han…
Göttingen taz | Überbelegung, Schimmelpilz, undichte Dächer,
Brandschutzmängel und nicht tragbare hygienische Zustände: Über die
katastrophalen Bedingungen in vielen [1][Behausungen für Mitarbeitende in
der Fleischindustrie] – nicht nur im Tönnies-Imperium – ist in den
vergangenen Wochen häufig berichtet worden.
Dass es in anderen Branchen auch nicht immer besser aussieht, stellten
Mitarbeitende der Gewerbeaufsicht und der Gesundheitsbehörde in Hannover am
Dienstag bei einem nicht angemeldeten Besuch auf der Baustelle des
ehemaligen „Maritim“-Hotels fest. Rund 50 überwiegend aus Bulgarien
stammende Beschäftigte, die mit der Entkernung des Gebäudes beauftragt
sind, hausten dort ohne Trinkwasser, ohne sanitäre Einrichtungen und ohne
Waschmöglichkeiten.
Bei dem Termin fanden die Behördenleute wohl auch keine kompetenten
Ansprechpartner vor. Der Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes, Bernd Reese,
sagte der Hannoverschen Allgemeine Zeitung (HAZ), die am Mittwoch zuerst
über die Zustände auf der schwer mit Schadstoffen belasteten Baustelle
berichtet hatte, es sei „kein Bauleiter, der der deutschen Sprache mächtig
war“, angetroffen worden. Lediglich ein Mitarbeiter solle gebrochen
gedolmetscht haben.
Für Mittwochnachmittag wurde deshalb erneut eine Kontrolle angesetzt – der
Termin dauerte bei Redaktionsschluss noch an. Das Gewerbeaufsichtsamt habe
die Zusage erhalten, dass dann ein Bauleiter vor Ort sein werde, sagte
Reese zur taz. Themen des Treffens sollten unter anderem Fragen des
Arbeitsschutzes und vorgegebene [2][Corona]-Hygienemaßnahmen sein.
## Übernachten auf der Baustelle ist nicht unüblich
Das Übernachten in den Räumen wurde bereits am Dienstag mit sofortiger
Wirkung untersagt. Grundsätzlich sei es aber nicht unüblich, dass Arbeiter
auf Baustellen übernachteten, so Reese – dann allerdings meistens in extra
dafür aufgestellten Containern. Wenn entsprechende Bedingungen hergestellt
werden könnten, gelte das auch für das „Maritim“.
Beschäftigte aus umliegenden Büros hatten Ende vergangener Woche die
Polizei über vermutete Missstände im früheren „Maritim“ informiert. Die
Anrufer hätten sich darüber gewundert, dass die Abbrucharbeiter in dem
maroden Gebäude übernachten mussten, hieß es. Deutlich sichtbar seien
Schuhe, Hosen und andere Wäschestücke zum Trocknen auf die äußeren
Fenstersimse gelegt worden.
Das Hotel wurde in den 1960er-Jahren am Friedrichswall im Zentrum der
niedersächsischen Landeshauptstadt errichtet. Es war der erste Großhotelbau
in Hannover nach dem Zweiten Weltkrieg. 1995 erwarb die Hotelkette
„Maritim“ das Gebäude für rund 35 Millionen D-Mark. Im Expo-Jahr 2000 wur…
das Vier-Sterne-Haus erstmals saniert.
Nachdem weder das Land Niedersachsen noch die Stadt Hannover für eine
weitere Sanierung Bürgschaften übernehmen wollten, verkaufte die Hotelkette
das Gebäude im Jahr 2014. Besitzer ist seitdem die Berliner
„Intown“-Gruppe, ein Finanzinvestor inmitten eines unübersichtlichen
Geflechts aus zahlreichen Unterfirmen und Beteiligungen. Strategie des
Unternehmens ist es, Immobilien in schlechtem Zustand an gut gelegenen
Standorten zu erwerben, um diese dann zu sanieren und teuer zu vermieten
und zu verkaufen.
Seit Anfang 2019 gehört die „Intown“-Gruppe zur „Lianeo Real Estate GmbH…
Diese versteht sich laut Eigenwerbung als „übergreifende Plattform für
Asset Management, Property Management, Facility Management und Leasing
Management“. Sie verwaltet Vermögen und Immobilien mit einer Gesamtfläche
von drei Millionen Quadratmetern. Im vergangenen Jahr waren mehr als 130
Firmen unter diesem Namen registriert.
## Zwischenzeitlich lebten dort Geflüchtete
Der neue Eigentümer kündigte zunächst den Beginn der Totalsanierung und den
Umbau zu einem modernen Hotel für 2018 an. Es passierte dort aber erst mal
lange Zeit gar nichts. Erst kürzlich begann die Entkernung und die
Beseitigung der mit Schadstoffen belasteten Altlasten.
In der Zwischenzeit hatte die Stadt Hannover das Haus für mehrere Millionen
Euro angemietet, um dort geflüchtete Menschen unterzubringen. Zeitweise
lebten dort bis zu 550 Geflüchtete. Betreiber der damals größten
Flüchtlingsunterkunft in Hannover war das Deutsche Rote Kreuz.
Auftragnehmer für die Bauarbeiten ist angeblich die „Manufortis
Construction GmbH“ aus dem brandenburgischen Zossen. Sie musste am Dienstag
dafür sorgen, dass die Beschäftigten an anderen Orten untergebracht werden.
Ob das erfolgt ist, sollte bei der gestrigen Begehung überprüft werden. Das
Unternehmen hat zwar einen Eintrag im Handelsregister, aber keinen eigenen
Internetauftritt.
15 Jul 2020
## LINKS
[1] /Untersuchungen-in-der-Fleischindustrie/!5698660
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Hannover
Unterkunft
Bauarbeiten
Wohnen
IG BAU
Arbeitsbedingungen
Schwerpunkt Coronavirus
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