Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Coronavirus in Wiesenhof-Betrieb: Ausbruch im Schlachthof
> Im einem Schlachthof in Lohne sind 66 Menschen mit dem Coronavirus
> infiziert. Die meisten hätten sich im Privaten angesteckt, sagt der
> Landkreis.
Bild: Der Ort wirkt klein dagegen: Wiesenhof-Schlachthof in Lohne
Bremen taz | Erneut ist das [1][Coronavirus in einem Betrieb der
Fleischindustrie] ausgebrochen, diesmal im Landkreis Vechta. In einem
Geflügel-Schlachthof der Firma Oldenburger Geflügelspezialitäten in Lohne
wurden 66 Menschen positiv getestet. [2][Das teilte der Landkreis am
Wochenende mit.] Der Schlachthof gehört zur PHW-Gruppe, bekannt durch die
Marke Wiesenhof. 1.046 der insgesamt 1.284 Beschäftigen wurden getestet –
die restlichen seien im Urlaub, krank oder bereits in Quarantäne,
[3][erklärte Vechtas Landrat Herbert Winkel (CDU) am Sonntag].
Bereits Anfang und Ende Juni seien im Betrieb Testreihen durchgeführt
worden, so Winkel, mit je zwei positiven Ergebnissen. Von Wiesenhof selbst
durchgeführte risikobasierte Tests seien dann vermehrt positiv ausgefallen,
sodass man am 16. Juli nochmals testete. Bisher wurden in Vechta insgesamt
70 Kontaktpersonen der 66 Infizierten unter Quarantäne gestellt, in
Diepholz weitere 64. Das zuständige Gesundheitsamt sucht noch immer nach
weiteren Kontaktpersonen.
Ein Infektionsherd im Schlachthof selbst konnte bisher nicht ausgemacht
werden, sagt Winkel. „Also habe ich keinen Grund dafür, den Betrieb zu
schließen.“ Um diese „Ermessensentscheidung“ zu treffen, seien Schichtpl…
und Wohnorte der Infizierten miteinander verglichen worden. Lediglich im
Kartonlager des Schlachthofs sei es zu einer leichten Anhäufung von
Infektionen gekommen – insgesamt sieben wurden festgestellt. Dabei sei
während der Arbeit ein Abstand von zwei bis drei Metern einhaltbar. Man
vermute daher, dass in den Pausen der Abstand nicht eingehalten wurde, so
Winkel.
Überwiegend sollen die Infektionen im privaten Bereich passiert sein. Die
Ermittlung der Infektionsherde sei schwer, da es sich „oft nicht um
deutschsprachige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt“, sagt der
Landrat. Diese würden aussagen, dass sie sich an Abstandsregeln und
Hygienemaßnahmen halten. „Aber vom Gesamtbild her kann das eigentlich nicht
sein.“ Mitte der Woche sollen weitere Tests durchgeführt werden, um
Infektionsherde herauszufinden.
Auch der Wiesenhof-Vorsitzende Peter Wesjohann vermutet als Grund für die
Fälle im Kartonlager, „dass vielleicht ein Fehlverhalten vorliegt“. Daher
wolle man die [4][Hygienemaßnahmen verschärfen], wie er am Sonntag
berichtete. Mehr Personal soll die Einhaltung der Abstandsregel in den
Pausen überwachen. Auch werde die Anzahl der risikobasierten Tests erhöht
und der Schlachthof einer erneuten Komplettdesinfektion unterzogen.
Schon vor Corona-Zeiten habe man ein „hochwertiges Hygienekonzept“ in einem
der „modernsten Hähnchenschlachthöfe weltweit“ gehabt, in dem Schlachtung
und Zerlegung inzwischen komplett automatisiert ist: Schutzkleidung von
Kopf bis Fuß, regelmäßige Schulungen, ausreichend Desinfektionsmittel.
Mit dem Ausbruch des Virus wurden die Schulungen intensiviert, die
Schichten komplett getrennt und verpflichtende Tests für Urlaubsrückkehrer
und neue Mitarbeitende eingeführt. Abstände beim Arbeiten seien vielfach
ohnehin gegeben, an kritischen Stellen wurden Plastiktrennwände aufgebaut,
die Pausenbereiche erweitert, sagt Wesjohann. Auch beim Transport der
Werkvertragsarbeiter aus ihren Unterkünften sei der Abstand gewährleistet
worden.
Der Theologe Peter Kossen, der sich seit langem für die Rechte von
Werkvertragsarbeitern einsetzt, kritisiert die Arbeitsbedingungen in der
Fleischindustrie mit Subunternehmen und maroden Unterkünften und bezeichnet
diese als „moderne Sklaverei“. In „vielen Fällen“ handele es sich bei …
Wohnorten der Infizierten aber um Einzelhaushalte und keine der oft
kritisierten Massenunterkünfte, sagt Landrat Winkel. In wie vielen genau,
konnte ein Sprecher des Landkreises nicht konkretisieren.
Ein branchenspezifisches Problem sehen die Verantwortlichen nicht: Auch
woanders gab es viele Coronafälle, betont Winkel, etwa in der Paketbranche.
Die Häufung der Infektionen liege nicht unbedingt an Größe oder Branche des
Betriebs, sondern auch an den „Bevölkerungsanteilen, die da arbeiten und
die Hygieneregeln vielleicht besser einhalten“. Mit der Beurteilung solcher
Fragen müsse man aber sehr vorsichtig sein.
Auch Wesjohann wehrt sich gegen eine Verurteilung der Fleischindustrie und
weist darauf hin, dass es dort „sicherlich eine gewisse Anzahl“ Fälle gebe
– „vielleicht aber auch mehr Testungen“. Er erinnert zudem daran, dass man
schon vor einiger Zeit beschlossen habe, bis zum 1. Januar 2021 die
Werkvertragsbeschäftigten alle in ein festangestelltes Arbeitsverhältnis zu
überführen.
Auch die Bundesregierung will gegen Werkverträge in der Fleischindustrie
vorgehen, wie Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) Anfang Juli
der [5][Frankfurter Allgemein Sonntagszeitung] sagte.
In den vergangenen Wochen war es in mehreren Fleischfabriken in
Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zu Corona-Ausbrüchen gekommen, so bei
Tönnies in Rheda-Wiedenbrück oder im ebenfalls [6][zu Wiesenhof gehörenden
Putenschlachthof Geestland bei Oldenburg]. Der Tönnies-Schlachthof musste
für einen Monat dichtmachen, in Geestland musste man für zwei Wochen
schließen.
Mit den Schlachthof-Mitarbeitenden sind im Landkreis Vechta nun 41,67 von
100.000 Einwohner*innen binnen einer Woche neu infiziert. Vorher betrug die
sogenannte Inzidenzzahl lediglich 16,24. Ab einem Wert von 50 müsste der
Landkreis nach aktueller Gesetzeslage Konsequenzen ziehen. In diesem Fall
würde man schauen, kündigt Winkel an, wo genau die meisten Infektionen
aufgetreten sind, „um dann gegebenenfalls Ausgangssperren örtlich begrenzt
einzuführen – aber nicht für den gesamten Landkreis“.
21 Jul 2020
## LINKS
[1] /Rheda-Wiedenbrueck-die-Toennies-Stadt/!5695908
[2] https://www.landkreis-vechta.de/nc/service/aktuelles/pressemitteilungen/ein…
[3] https://www.youtube.com/watch?v=gwr04S3y-hk
[4] https://www.phw-gruppe.de/newsbereich/de/oldenburger-geflugelspezialitaten-…
[5] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/julia-kloeckner-kein-recht-auf-t…
[6] /Infektionen-in-Schlachthof-bei-Oldenburg/!5696902
## AUTOREN
Alina Götz
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Wiesenhof
Vechta
Schlachthof
Fleischindustrie
Schlachthof
Schlachthof
Schwerpunkt Coronavirus
Lesestück Recherche und Reportage
Clemens Tönnies
Fleischproduktion
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verbot von Werkverträgen beschlossen: Für faire Arbeit am Fleisch
Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie sollen verboten werden.
Ziel ist es, die durch Corona sichtbar gewordenen Arbeitsbedingungen zu
verbessern.
Corona bei Tönnies: Wie die Säue zur Schlachtbank
Der Tönnies-Skandal zwingt uns zum Hingucken. Tier und Mensch verdienen
viel mehr Wertschätzung, als ihnen zukommt.
Corona bei Schlachthof-Angestellten: Tönnies bleibt Infektionsherd
Seit einigen Tagen wird bei Tönnies wieder geschlachtet. Jetzt haben sich
weitere 30 Beschäftigte mit dem Coronavirus infiziert.
Rheda-Wiedenbrück, die Tönnies-Stadt: Eine Stadt aus Fleisch
Die Subunternehmen seien schuld am Corona-Ausbruch, nicht Clemens Tönnies,
sagen viele Anwohner. Auf den Fleischproduzenten lässt man nichts kommen.
Fleischbetrieb nach Corona-Pause: Tönnies darf wieder schlachten
Knapp vier Wochen stand der Schlachtbetrieb bei Tönnies still. Nun darf
Deutschlands größter Fleischbetrieb an seinem Hauptstandort wieder die
Messer wetzen.
Grüne zu Corona-Fällen in Schlachthöfen: Die Fleischproduktion senken
Nach etlichen Corona-Fällen steht die Fleischbranche in der Kritik. Die
Grünen wollen die Produktion senken. Das würde auch Schweinehalter
betreffen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.