# taz.de -- Mücken in Berlin und Brandenburg: Ein Hauen und Stechen | |
> Wo es feucht ist, herrscht derzeit Mückenalarm. Was für die Betroffenen | |
> lästig ist, ist für Forscherinnen und Forscher hilfreich. | |
Bild: Wer Insekten will, sollte auch Mücken mögen | |
Glücklich ist, wer einen Garten hat? Was in den heißen Sommern der | |
vergangenen beiden Jahre richtig war, kann sich derzeit als äußerst | |
unangenehm herausstellen. Denn es summt wieder in Berlin, Mückenalarm. | |
Noch im Frühjahr war Derk Ehlert, Wildtierspezialist bei der | |
Senatsverwaltung für Umwelt, optimistisch. Der milde Winter habe vor allem | |
den Insekten zugesetzt, meinte Ehlert in einem Zeitungsinterview im April. | |
„Sie haben sehr viel Energie verloren. Und nun ist es im Frühjahr auch noch | |
sehr trocken. Sie haben kaum Chancen, sich zu reproduzieren.“ | |
Inzwischen sagt auch Derk Ehlert: „Es gibt in diesem Jahr sehr viel mehr | |
Mücken als in den vergangenen beiden Jahren.“ Als Grund nennt er die | |
Regenfälle der letzten Wochen. „Das Wasser steht auf den Wiesen, aber auch | |
auf dem Rasen im Garten“, erklärt er der taz. „Das ist gut für die Mücke… | |
weil sie da ihre Eier ablegen können.“ | |
Wer in Prenzlauer Berg oder Kreuzberg lebt, bekommt davon noch nicht viel | |
mit. In Wasserlagen wie der Altstadtinsel in Köpenick machen sich die | |
Mücken aber schon bemerkbar. Und in Brandenburg, dem Corona-Traumziel | |
vieler Urlauber, sprechen viele bereits von einer regelrechten Mückenplage. | |
Derk Ehlert mag das Wort von der Plage nicht hören. „Grundsätzlich sind | |
viele Mücken ein gutes Zeichen. Insekten brauchen nicht nur Blut, sie sind | |
auch Nahrung für andere Insekten“, sagt der Experte. „In den Schutzgebieten | |
ist die Anzahl von Insekten um 85 Prozent zurückgegangen. Jetzt haben sie | |
was zu fressen.“ Keine Plage also, meint Ehlert, räumt aber ein, dass sie | |
„lästig“ sein können. „Ich plädiere da aber für mehr Toleranz.“ | |
Etwas anders sieht das Ehlerts Kollegin Doreen Werner. Von einer Plage | |
spreche man ab einem Anflug von etwa 20 Mücken pro Minute, meint die | |
Biologin vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) im | |
ostbrandenburgischen Müncheberg. Bei einem Besuch in den | |
Überschwemmungsflächen an der Oder habe sie dagegen einen Anflug von mehr | |
als 100 sogenannten Überflutungsmücken zur „Aufnahme einer Blutmahlzeit“ | |
registriert, sagte Werner. | |
Die Biologin nutzt das hohe Mückenaufkommen, um gezielten Forschungsfragen | |
nachzugehen. So soll etwa vergleichend untersucht werden, ob die | |
einheimischen Mücken in gleichem Maße wie eingewanderte Mücken – etwa die | |
Tigermücke – in die Übertragung von Krankheitserregern involviert sind. | |
Studien dazu werden dann am Friedrich-Loeffler-Institut, dem | |
Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, durchgeführt. | |
Zu invasiven Mücken, wie etwa der Asiatischen Buschmücke, die in | |
Deutschland relativ weit verbreitet ist, oder auch der Tigermücke gebe es | |
gute Kenntnisse, welche Krankheitserreger sie übertragen können, sagt | |
Wissenschaftler Helge Kampen vom Friedrich-Loeffler-Institut. Tigermücken | |
gelten als Überträger von tropischen Erregern wie Zika-, Chikungunya- und | |
Dengue-Virus. | |
Solche Kenntnisse fehlten bei den einheimischen Mücken weitgehend, | |
berichtet Kampen. Das liege zum einen daran, dass das Thema bislang | |
vernachlässigt wurde. Zum anderen könnten viele einheimische Mücken nicht | |
gezüchtet werden. Jetzt sei die Chance da, mit der Vielzahl von | |
Überschwemmungsmücken Infektionsversuche durchzuführen. | |
Doreen Werner vom Zalf will die derzeitige Feuchtigkeit an der Oder nutzen, | |
um die Grundlage für vergleichende Studien an Oder, Spree, Elbe, Weser und | |
Rhein zu schaffen. Bisher kam es ihren Angaben zufolge in Deutschland noch | |
zu keinem Zusammentreffen von invasiven Mücken und Krankheitserregern. | |
Berlin und Brandenburg sind nach Angaben der Forscherin allerdings ohnehin | |
frei von eingewanderten Mücken. | |
Aber auch ohne gefährliche Erreger können einem die Mücken den Sommer | |
verderben. Besonders betroffen ist auch da wieder der Osten Brandenburgs, | |
sagt Derk Ehlert von der Senatsumweltverwaltung. „An der Oder kennen wir | |
die Kriebelmücken“, sagt er. „Die tun auch nach dem Stechen noch weh, weil | |
sie aus der Haut kleine Teile rausreißen.“ In Berlin kommen sie nicht vor, | |
beruhigt Ehlert. | |
Während in Berlin und in Brandenburg derzeit alle darauf warten, dass | |
„epochale“, also von Temperatur und Feuchtigkeit abhängige Mückenaufkommen | |
wieder verschwinden, greift man im polnischen Słubice zur chemischen Keule, | |
berichtet die Märkische Oderzeitung. Zwar habe Bürgermeister Mariusz | |
Olejniczak, eigentlich ein Verfechter ökologischer Lösungen, versprochen, | |
Nistkästen für Mauersegler anzubringen. Doch das sei coronabedingt nicht | |
geschehen. | |
Weil es keine natürlichen Feinde der Mücken gebe, werde nun auf | |
Spielplätzen, Parks und rund um Kleingartenanlagen gespritzt. | |
21 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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