| # taz.de -- Krieg in Libyen: Die Wüste bebt | |
| > Die Türkei gegen Russland und Frankreich. Libyens Krieg wird zum | |
| > Stellvertreterkrieg. Jetzt wurde ein wichtiger Militärflughafen | |
| > bombardiert. | |
| Bild: Der Militärflughafen Watia in Libyen. Er wurde Ziel unbekannter Bomber | |
| Tunis taz | Die Lage an der [1][Front in Libyen], nahe der Stadt Sirte, ist | |
| seit zwei Wochen auch ohne offiziellen Waffenstillstand zwischen den | |
| Milizen der Regierung von Fajis al-Sarradsch und der Libyschen | |
| Nationalarmee (LNA) des Generals Chalifa Haftar ruhig. Doch es scheint, | |
| dass die ausländischen Verbündeten der beiden Kriegsparteien in der | |
| Hauptstadt Tripolis und im Osten des Landes sich auf eine | |
| Entscheidungsschlacht um die Ölfelder vorbereiten. | |
| Unbekannte Kampfflugzeuge bombardierten am Samstag die Luftwaffenbasis | |
| al-Watia im Regierungsgebiet. Nach Aussagen von Bewohnern des Nachbarortes | |
| Dschmel wurden in mehreren Wellen Raketen auf den größten Flughafen im | |
| Westen Libyens abgefeuert. Haftartreue Medien berichteten, der Angriff habe | |
| einem türkischen Luftabwehrsystem gegolten und es seien türkische Soldaten | |
| verletzt worden. | |
| Die türkischen Behörden bestätigten den Angriff und die Beschädigung | |
| türkischen Militärmaterials. Das Verteidigungsministerium in Tripolis | |
| sprach von einem „feigen ausländischen Angriff“. | |
| Das mehrere Quadratkilometer große Gelände war die Ausgangsbasis für | |
| Haftars [2][Belagerung der Hauptstadt Tripolis] zwischen April 2019 und | |
| Ende Mai 2020 gewesen. [3][Der Fall Watias] an regierungstreue Milizen war | |
| Mitte Mai der Wendepunkt in diesem Krieg gewesen. | |
| Mittlerweile konnten die sarradschtreuen Truppen ganz Westlibyen unter ihre | |
| Kontrolle bringen, die LNA ist in den Osten zurückgedrängt. Dies gelang vor | |
| allem mithilfe türkischer Kriegsschiffe und Drohnen. Tausende syrische | |
| Kämpfer wurden vom türkischen Geheimdienst nach Tripolis geflogen. | |
| Türkische Transportflugzeuge bringen noch heute täglich Ausrüstung und | |
| Spezialisten nach Westlibyen. Mit dem werbewirksamen Einsatz von | |
| Minenräumkommandos an der ehemaligen Front will Ankara die Sympathie der | |
| Libyer gewinnen. | |
| Bei einem Besuch in Tripolis am 5. Juli stellte der türkische | |
| Verteidigungsminister Hulusi Akar den Preis für die Militärhilfe klar: Aus | |
| Watia soll eine türkische Militärbasis werden, in der Hafenstadt Misrata | |
| soll eine Basis der türkischen Marine entstehen. | |
| In der Vorwoche hatte der Kommandeur des US-Afrika-Kommandos Africom, | |
| Stephen Townsend, in Westlibyen über [4][die Pläne des Nato-Mitgliedes | |
| Türkei] gesprochen. Türkische Soldaten arbeiten bereits in Watia am Aufbau | |
| eines Luftabwehrsystems. | |
| Russland, das Haftar unterstützt, hat seinerseits mindestens 14 moderne | |
| Mig-29-Kampfflugzeuge aus Syrien in das zentrallibysche Dschufra verlegt, | |
| auf den größten Militärflughafen des Haftar-Gebietes. Aus türkischen | |
| Regierungskreisen wurde am Montag verlautbart, dass dieser Flughafen das | |
| nächste Ziel sein könnte. | |
| Falls Russland über Watia im Einsatz war, wäre dies eine gefährliche | |
| Eskalation. Quellen aus Ostlibyen berichten der taz, dass der Angriff von | |
| Piloten der Vereinigten Arabischen Emirate von der Militärbasis al-Khadim | |
| bei Bengasi aus geflogen worden sei. Dort stehen emiratische Flieger. | |
| Es können auch [5][ägyptische] Maschinen gewesen sein. Die beiden Länder | |
| sind die wichtigsten arabischen Unterstützer Haftars. | |
| Medien in der libyschen Hauptstadt äußern derweil den Verdacht, dass | |
| französische Jets über Westlibyen im Einsatz waren. Die Webseite Libya | |
| Observer zitiert Augenzeugen aus Südlibyen, die Kampfjets an der Grenze zu | |
| Niger gesehen haben wollen. Frankreich hat in Niger und Tschad im Rahmen | |
| der Terrorbekämpfung Mirage-Kampfjets stehen, die eine sehr große | |
| Reichweite haben. | |
| Frankreich hat sich diplomatisch immer hinter Haftar und gegen das | |
| türkische Eingreifen in Libyen gestellt. Am Montag vergangener Woche hatte | |
| Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin | |
| Angela Merkel die „kriminelle Verantwortung“ der Türkei in Libyen | |
| gegeißelt. | |
| Zuvor hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavasoğlu Frankreich eine | |
| „zerstörerische“ Haltung in Libyen vorgeworfen. Offiziere der | |
| Sarradsch-Truppen berichten der taz immer wieder, dass französische | |
| Fregatten vor der libyschen Küste mit elektronischen Störmanövern ihr Radar | |
| außer Gefecht setzen. | |
| Frankreich und die Türkei sind auch direkt aneinandergeraten. Am Mittwoch | |
| zog sich Frankreich vorübergehend aus der Nato-Marinemission „Sea Guardian“ | |
| zurück, die im Mittelmeer das UN-Waffenembargo gegen alle libyschen | |
| Kriegsparteien überwacht, nachdem ein türkisches Kriegsschiff in Begleitung | |
| eines verdächtigen Frachters sein Feuerleitsystem auf ein französisches | |
| Kriegsschiff ausgerichtet hatte. Die ebenfalls im Mittelmeer zur | |
| Embargoüberwachung aktive EU-Marinemission „Irini“ hatte zuvor vergeblich | |
| [6][versucht, den Frachter zu inspizieren]. | |
| ## Libyer wünschen Rückkehr zum Dialog | |
| Erstmals bekämpfen sich im libyschen Stellvertreterkrieg ausländische | |
| Militärmächte also auch ohne libysche Beteiligung. Unter den fünf Millionen | |
| Libyern steigt derweil die Kriegsmüdigkeit und sowohl in Tripolis als auch | |
| in Bengasi wird über eine Rückkehr zu einem Dialog spekuliert. | |
| „Europa kann Libyen nicht der Türkei, Ägypten, den Emiraten und Russland | |
| überlassen“, sagt der ehemalige libysche Botschafter Ali Masednah Kotany | |
| zur taz. „Wir werden wieder eine Kolonie.“ Er wünscht sich wie viele die | |
| Schaffung einer entmilitarisierten Zone zwischen Ost und West, um Gespräche | |
| zwischen Libyens Provinzen zu ermöglichen. | |
| Ein Mitarbeiter der in Tunis residierenden [7][UN-Mission für Libyen | |
| (Unsmil)] berichtet der taz, dass an Plänen zur Entsendung von | |
| UN-Beobachtern gearbeitet wird. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses | |
| im deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, forderte in der vergangenen Woche, | |
| dass sich die Bundeswehr an einer solchen Mission beteiligen solle. | |
| 6 Jul 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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