| # taz.de -- Album „Women in Music Pt. III“ von Haim: Eingängige Songs übe… | |
| > Das kalifornische Trio Haim spielt eine Mischung aus Pop, Folk und Rock – | |
| > und kritisiert die Überrepräsentation von Männern im Musikgeschäft. | |
| Bild: Drei Schwestern: das kalifornische Trio Haim mit „Women in Music Pt. II… | |
| Von der Decke baumeln lange Würste, vor der Ladentheke posiert das | |
| kalifornische Trio Haim mit ernster Miene. Das Album-Artwork für sein | |
| drittes Album „Women in Music Pt. III“ dient offensichtlich als Anspielung | |
| auf die Sausage-Party, die der Popmainstream immer noch ausgiebig feiert. | |
| Das Problem liegt nicht nur in der Überrepräsentation von Männern bei | |
| Festivals, auch in Studios und hinter dem Mischpult bei Konzerten arbeiten | |
| mehr Männer als Frauen, zudem verdienen Künstlerinnen bei Konzerten | |
| schlechter als ihre Kollegen, wie das Magazin Musikexpress herausgefunden | |
| hat. | |
| 2018 befeuerten Haim die Debatte: Nachdem sie entdeckt hatten, dass sie für | |
| einen Festivalauftritt knapp ein Zehntel der Gage von Kollegen erhielten, | |
| machten sie diese Benachteiligung publik. Die Wursttheke auf dem Albumcover | |
| hat aber nicht nur metaphorische Bedeutung, sondern steht auch für die | |
| Anfänge der Band. Ihr Konzertdebüt gaben Este, Danielle und Alana Haim als | |
| Teenager im jüdischen Delikatessen-Laden „Canter’s“ in Hollywood. | |
| Mittlerweile sind Este, Danielle und Alana Haim 34, 31 und 28 Jahre alt. | |
| Kurz vor dem Lockdown stellte die Band „Women in Music Pt. III“ noch auf | |
| einer US-Tour vor. Kurzerhand wurden dafür Delis zu Veranstaltungsorten | |
| umfunktioniert. Mit ihrem letzten Album „Something to Tell You“ gastierten | |
| Haim auf großen Festivals wie Coachella. Auf dem lassen sich Haim | |
| musikalisch wohl auch am besten verorten, schließlich zeichnen sie sich | |
| durch ihre eingängige Mischung aus Pop, Folk und Rock aus. | |
| ## Einfluß der 70er Jahre | |
| Auch an ihrem dritten Album arbeiteten die drei Schwestern gleichberechtigt | |
| an Gesang, Instrumenten und bei den Kompositionen. Diesmal bedienen sich | |
| Haim noch intensiver bei Einflüssen der siebziger Jahre als auf den | |
| vorherigen Alben. | |
| Da wäre beispielsweise die bereits 2019 als Album-Vorbotin erschienene | |
| Single „Summer Girl“. Nicht nur ihre Bassmelodie erinnert deutlich an Lou | |
| Reeds Evergreen „Walk on the Wild Side“, auch das ikonische „Doot Doot“… | |
| Chorgesangs wurde gleich mitübernommen. Die Ballade „Hallelujah“ und das | |
| ebenso vom Folk beeinflusste „Leaning on You“ könnten hingegen von | |
| Fleetwood Mac zu „Rumors“-Zeiten erdacht worden sein. | |
| Haim kopieren nicht nur, sie verweben den Retro-Einfluss auch zum eigenen | |
| Klangteppich. Dank seiner glattgebügelten R&B-Produktion hebt sich „3 AM“ | |
| deutlich von den anderen Songs ab. Auch „All That Ever Mattered“ klingt | |
| zwischen fulminanten Gitarren-Soli, akzentuierten Kick-Drumbeats und | |
| verzerrten Vocals ziemlich amtlich. „The Steps“ überzeugt mit knarzenden | |
| Gitarrenriffs, Chorgesang und passiv-aggressivem Songtext. | |
| ## Lied über nutzlosen Lover und Depressionen | |
| „And every day I wake up and make money for myself / And though we share a | |
| bed / You know that I don’t need your help“, vermittelt Danielle Haim ihrem | |
| nutzlosen Lover. In „Now I’m In It“ singt sie hingegen gegen Depressionen | |
| an. In Interviews haben die drei Schwestern über eigene Erfahrungen im | |
| Umgang mit schwierigen Lebensphasen gesprochen. | |
| Mit der kraftvollen Stimme von Danielle Haim, Pop-Hookline und dem | |
| staccato-artigem Backgroundgesang ihrer Schwestern entwickelt sich der Song | |
| zur befreienden Kampfansage. In „I’ve Been Down“ wird das Thema erneut | |
| aufgegriffen. Ohnehin betreten Haim auf „Women in Music Pt. III“ textliches | |
| Neuland. | |
| Während sie früher vorwiegend Beziehungsknatsch besangen, wagen sie sich | |
| nun an kontroverse Themen. In „Man from the Magazine“ benennen sie die | |
| dämlichen Fragen eines Interviewers. Alana Haim verarbeitet in „Hallelujah“ | |
| den Tod einer Freundin, Danielle Haim macht in „Summer Girl“ ihrem an Krebs | |
| erkrankten Partner Hoffnung. Ihr Freund Arielle Rechtshaid hat das Album | |
| gemeinsam mit Rostam Batmanglij (ex Vampire Weekend) produziert. Auch | |
| Danielle Haim war an der Produktion mitbeteiligt. | |
| Bei insgesamt 16 Songs kommt „Women in Music Pt. III“ am Ende etwas zu | |
| überladen daher. Nichtsdestotrotz gelingt der US-Band Pop mit | |
| Ohrwurmtauglichkeit und Tiefgang. So ernst wie die drei auf dem Cover in | |
| die Gegend schauen, ist die Stimmung nicht. Bleibt also zu hoffen, dass | |
| sie nicht nur an Wursttheken Konzerte geben. | |
| 24 Jun 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Louisa Zimmer | |
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