# taz.de -- Botanischer Sexismus: #allmaletreesaretrash | |
> In vielen Städten stehen vor allem männliche Bäume. Das ist ein Problem. | |
> Besonders für Allergiker und alle, die etwas gegen Sexismus haben. | |
Bild: Reden Bäume über Sexismus? | |
Männlichkeit kann problematisch sein, toxisch: Dominanzverhalten, | |
ausschließende Machtstrukturen, die Annahme, alles, was nicht männlich ist, | |
sollte sich unterordnen. Besonders problematisch ist Männlichkeit, wenn sie | |
kollektiv auftritt. Viele von uns Menschen haben das erkannt. Es ändert | |
sich nur langsam etwas. Immerhin reden wir darüber. | |
Aber was ist mit Bäumen? Inzwischen wissen wir: Die reden auch. Das geht | |
über Duftbotschaften und Pilze, die wie eine Art Glasfasernetz den Boden | |
durchziehen. Manche glauben, Bäume haben sogar ein Gedächtnis. [1][Ein | |
Baumexperte sagte der Osnabrücker Zeitung]: Bäume haben ihre eigenen | |
Probleme. Sie können sie gemeinsam lösen. Ich sage: Bäume haben zumindest | |
ein Problem, das wir auch haben, und das heißt Sexismus, botanischer | |
Sexismus. Reden Bäume darüber? Oder ist das, was die da unten in der Erde | |
abziehen, so eine Art Locker Room Talk? | |
Oft ist es ja so, dass Diskurse aus den USA nach Deutschland | |
rüberschwappen. So auch hier. Der US-amerikanische Gärtner Tom Ogren hat | |
[2][die theoretische Grundlage geschaffen] und herausgefunden: Wir Menschen | |
sind schuld am Sexismus, auch am botanischen – und wir leiden darunter. | |
Eines Tages ging Ogren im kalifornischen Sacramento spazieren. Bestimmt war | |
gutes Wetter, und Ogren, dessen Frau unter Asthma und schlimmem | |
Heuschnupfen leidet, schaute sich die Bäume an. Erschrocken blieb er stehen | |
(vielleicht) und stellte fest: Alles Männer! | |
Bei den Bäumen ist es nämlich so: Sie können männlich, weiblich oder beides | |
sein. Weibliche Blüten wandeln sich in Früchte um, männliche sorgen für die | |
Bestäubung. | |
Ogren recherchierte: In den 1940er Jahren empfahl das | |
US-Landwirtschaftsministerium, in Städten vor allem männliche Bäume zu | |
pflanzen, weil die weniger Müll (also Samen und Früchte) machten – | |
einfacher für die Straßenreinigung. Vor allem nach dem großen Ulmensterben | |
Ende der 60er Jahre füllte man die Leerstellen mit männlichen Bäumen. | |
Dafür zahlen Stadtbewohner*innen aber einen Preis: Männliche Bäume | |
produzieren Unmengen von Pollen. Und es gibt zu wenige weibliche Bäume, die | |
diese Pollen auffangen könnten, da gibt es nämlich eine Art Magnetismus. | |
Botanischer Sexismus führt laut Ogren zu mehr Allergien. Außerdem sind | |
männliche Bäume schlechter darin, Luft zu filtern. Sie nehmen Schadstoffe | |
auf, binden diese aber nicht in Früchten, sondern schicken sie in ihren | |
Pollen wieder durch die Luft. Toxisch halt, danke für nichts. | |
Keine Ahnung, wie weibliche Bäume das sehen. Man müsste mal zu ihnen fahren | |
in die Vorstädte und aufs Land und ein Ohr auf die Erde legen. Vielleicht | |
sind da leise Stimmen, die rufen: „Wir brauchen eine Quote!“ Und: „All ma… | |
trees are trash“. | |
27 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.noz.de/deutschland-welt/gut-zu-wissen/artikel/657704/experten-e… | |
[2] https://blogs.scientificamerican.com/guest-blog/botanical-sexism-cultivates… | |
## AUTOREN | |
Viktoria Morasch | |
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