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# taz.de -- Aufgelöste Seebrücke-Demo in Frankfurt: „Kein generelles Verbot…
> Protestierende klagen dagegen, dass die Polizei ihre Demo im April
> beendete. Die Staatsanwaltschaft erklärt verhängte Bußgelder nun für
> rechtswidrig.
Bild: Am Freitag protestierten in Frankfurt Seebrücke-Aktivist*innen gegen die…
Frankfurt taz | Selten stellen sich Polizei und Justiz gegenseitig infrage.
Anders zurzeit in Frankfurt am Main: Die dortige Staatsanwaltschaft nimmt
Bußgelder, die Einsatzkräfte gegen linke Demonstrierende verhängt hatten,
wieder zurück – und zwar mit einer interessanten Begründung.
Hintergrund ist eine [1][Aktion der „Seebrücke“ vom 5. April], bei der am
Mainufer rund 400 Personen in oranger Kleidung einen besseren Schutz von
Geflüchteten vor Corona gefordert hatten. Sie hatten dabei Masken getragen
und auf Abstand geachtet, dennoch beendete die Polizei die Versammlung
unter Verweis auf Corona. Es hagelte Platzverweise. Uniformierte wendeten
Gewalt an, die viele Teilnehmende als unverhältnismäßig bezeichneten. Zudem
trat die Behörde rund 40 Bußgeldverfahren los, schätzen Betroffene. Die
Polizei spricht von 11.
Einer davon betraf Lucia Apel. 230 Euro hätte sie laut einem Bescheid vom
9. Mai zahlen sollen. „Das hätte ich mir gar nicht leisten können“, sagt
die Studentin, die von einem Minijob lebt und ihren echten Namen nicht
öffentlich nennen will. Sie legte Einspruch ein. Ende Mai dann erhielt sie
Post von Staatsanwältin Anja Wüst. „Ich wollte den Brief erst gar nicht
aufmachen, solche Angst hatte ich“, sagt Apel über das Schreiben, das der
taz vorliegt. „Doch als ich von der Einstellung gelesen habe, habe ich mich
mega gefreut.“
Apels Bußgeldbescheid ist begründet mit Paragraf 1, Absatz 2, Vierte
Hessische Corona-Verordnung. Dieser untersagt Schiffsausflüge und
Vereinssport. Offenbar hat die Behörde hier die Vierte mit der Dritten
Corona-Verordnung verwechselt. Denn diese besagte Anfang April, dass man
sich im öffentlichen Raum nur allein aufhalten darf oder mit einer weiteren
Person, die nicht im eigenen Haushalt lebt, und einen Mindestabstand von
1,50 Metern einhalten muss.
## Dutzende Einstellungen
Doch Staatsanwältin Wüst bemängelt nicht das falsche Gesetz, sondern
argumentiert grundsätzlich: Das Verfahren sei einzustellen, da kein
„generelles Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel“ bestanden habe.
Zudem sei die konkrete Veranstaltung „nicht vollziehbar verboten“ gewesen,
so Wüst weiter. Neben dem von Apel wurden mindestens fünf weitere Verfahren
fallengelassen.
Dutzende Einstellungen gibt es auch im Nachgang des 1. Mai. Die Polizei
hatte circa 70 Personen erst in einen Kessel getrieben und ihnen dann
Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz vorgeworfen. Ob Seebrücke oder 1.
Mai: Diese Bußgeldbescheide sind rechtswidrig, bestätigt die
Staatsanwaltschaft auf Nachfrage der taz.
Karin Zennig überrascht das nicht. „Wir sind von Anfang an davon
ausgegangen, dass wir im Recht sind“, sagte die Anmelderin der
Seebrücke-Demo am Freitag bei einer Kundgebung vor dem Verwaltungsgericht.
Dort hat sie Ende Mai wegen der Auflösung der Seebrücke-Demo Klage gegen
die Polizei eingereicht.
Mit einem Urteil rechnet sie in wenigen Wochen. Zennigs Chancen zu gewinnen
stehen gut, erst kürzlich hat das [2][Bundesverfassungsgericht bei
ähnlichen Fällen aus Gießen und Stuttgart im Sinne des Versammlungsrechts
geurteilt].
## „Ich bekomme keine Luft“
Mit Zennig protestierten am Freitag rund 70 Personen für „Solidarität statt
Repression“. Eine Rednerin erinnerte an das ursprüngliche Anliegen,
Geflüchtete zu schützen. Sie kritisierte Abschiebungen, die eben das
Verwaltungsgericht anordnet, vor dem die Kundgebung stattdand. Andere
schilderten, wie sie den „brutalen Polizeieinsatz“ vom 5. April erlebt
haben.
Eine solche Szene der Alten Brücke hatte die [3][FAZ-Journalistin Kira
Kramer auf Video aufgenommen]: Neben einer Frau im Rollstuhl kniet ein
Polizist auf einem grauhaarigen Mann. Er soll laut Kramer gesagt haben, er
bekomme keine Luft. Dieser Satz hat mit dem Tod von George Floyd in den USA
traurige Aktualität erhalten.
Die Frankfurter Polizei widerspricht der Darstellung und schreibt: „Eine
Verfehlung der Kolleginnen und Kollegen ist nicht zu erkennen.“ Die
Staatsanwaltschaft teilt indes mit, sie prüfe „die Aufnahme von
Ermittlungen“ wegen versuchter Körperverletzung im Amt.
***
Anmerkung der Redaktion: Zahlreiche Journalist*innen sowie die Gewerkschaft
Verdi haben kritisiert, [4][wie die Polizei am 5. April mit der Presse
umgegangen ist.] So wurde die Autorin dieses Texts festgenommen, gefesselt
und verletzt. Das Bußgeldverfahren gegen sie ist noch nicht eingestellt
worden.
14 Jun 2020
## LINKS
[1] https://www.hessenschau.de/politik/protest-und-pandemie-streit-um-vorgehen-…
[2] https://verfassungsblog.de/coronaresistenz-der-versammlungsfreiheit
[3] https://twitter.com/kirakrmr/status/1246805366475755522?s=20
[4] https://dju.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++450f1540-79a5-11ea-a3e…
## AUTOREN
Lotte Laloire
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Seebrücke
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