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# taz.de -- Tourismus in der Türkei in der Krise: Hoffen auf deutsche Urlauber
> Die türkische Tourismusindustrie setzt Hygiene- und Schutzkonzepte
> vorbildlich um. Doch Deutschland stuft die Türkei als Corona-Risikogebiet
> ein.
Bild: Leerer Strand in Marmaris
Istanbul taz | Wer vom Flughafen aus mit dem Bus nach Marmaris kommt, sieht
die Stadt zunächst aus der Höhe, bevor die Straße sich in Serpentinen zum
Meer herunterschraubt. Der Blick ist immer wieder atemberaubend. Entlang
der Bucht liegen die großen Hotels, die exklusivsten teils direkt im Wald.
[1][Es ist ein Urlaubsort wie man ihn sich erträumt.] Jetzt, Ende Juni,
wären die Hotels normalerweise bereits gut gefüllt und die Stadt würde
pulsieren. Die Clubs, Bars und Diskotheken von Marmaris sind legendär.
Doch die Stadt ist leer. Die knapp 90.000 Einwohner, zu denen im Sommer
normalerweise gut 450.000 Urlauber kommen, sind weitgehend unter sich. Es
wirkt nicht nur gespenstisch, es ist ein wirtschaftliches Debakel für eine
Stadt, die 90 Prozent ihrer Einnahmen durch den Tourismus generiert. Einige
Rentner sitzen in selbst mitgebrachten Stühlen am leeren Strand.
In den Cafés sind so wenige Gäste, dass die Abstandsregeln wie von selbst
eingehalten werden. Von den mehr als 20 großen 5-Sterne-Hotels, die an der
Bucht von Marmaris in den letzten dreißig Jahren gebaut worden sind, ist
lediglich eins geöffnet. Das Marti (Die Möwe) liegt landschaftlich gut
angepasst im Wald versteckt. Es hat vor einer Woche geöffnet, von den 285
Zimmern sind lediglich 60 belegt.
Es sind ausschließlich inländische Gäste, die meisten kommen aus Istanbul.
Ali Öz ist mit seiner Familie vor zwei Tagen angekommen. „Ich habe mir das
Hotel im Internet ausgesucht“, erzählt er, „es ist ein ruhiger und sicherer
Platz.“
## Enttäuscht von der Bundesregierung
Er lobt die Vorsichtsmaßnahmen, die getroffen wurden, die guten
Hygienemaßnahmen, die mit 5 Metern Abstand aufgestellten Liegen am Strand.
„Wir fühlen uns sicher hier“, bestätigt seine Frau. Für die wenigen Gäs…
lässt das Hotel 200 Angestellte arbeiten. Die meisten von ihnen sind
Saisonkräfte, die glücklich sind, dass sie jetzt etwas verdienen.
Am Samstag haben der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu und der
Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy deutsche und andere europäische
Korrespondenten extra in die Tourismushochburg Antalya eingeladen, damit
sie sich vor Ort überzeugen sollten, wie gut die Türkei auf Urlauber
vorbereitet ist.
Çavuşoğlu meinte, er sei enttäuscht, dass die Bundesregierung die Türkei
als Corona-Risikogebiet eingestuft hat. Es gebe dafür keinen
wissenschaftlichen Grund. Für die Tourismusgebiete geben ihm die Zahlen
recht. In der gesamten Provinz Antalya gab es seit dem 11. März lediglich
500 infizierte Personen, in der Provinz Muğla, zu der Marmaris gehört,
weniger als 300 positiv getestete Menschen. Die täglichen Neuerkrankungen
liegen bei 3 bis 5 Fällen.
## Problem auch für Tausende türkischstämmige Deutsche
Während Çavuşoğlu sich diplomatisch gab und betonte, man sei weiter mit der
Bundesregierung im Gespräch, wurde Tourismusminister Ersoy einen Tag später
deutlicher. „Wenn es keine wissenschaftlichen Gründe für die Reisewarnung
gibt, müssen ja wohl politische und wirtschaftliche Überlegungen
dahinterstecken“, sagte er. „Die europäischen Länder haben wohl
beschlossen, dass das Geld der Urlauber in Europa bleiben soll“, glaubt er.
„Die zweite Coronawelle ist für die Türkei eine ökonomische“, sagte Erso…
der selbst eine Hotelkette betreibt.
Die bis Ende August verlängerte Reisewarnung ist aber nicht nur für den
Tourismus in der Türkei ein Riesenproblem. Auch Tausende türkischstämmige
Deutsche sitzen auf ihren Koffern und wissen nicht, was sie machen sollen.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoğlu, sagte den
[2][Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland], vor allem die
Regelung, dass Rückkehrer aus „Risikogebieten“ womöglich nach der
Wiedereinreise für zwei Wochen in Quarantäne müssten, verunsichert die
Leute.
Außenminister Çavuşoğlu hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Wir
glauben immer noch an eine Neubewertung der Türkei, vielleicht ab Juli.“
22 Jun 2020
## LINKS
[1] /Tourismus-in-der-Tuerkei/!5599829/
[2] https://www.rnd.de/politik/zweite-corona-welle-in-turkei-befurchtet-turkisc…
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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