# taz.de -- Mehr umweltfreundliche Mobilität: Mit Chauffeur und E-Van zum Arzt | |
> Taxi-Alternativen wie Uber oder Clevershuttle haben es bislang schwer. | |
> Das ändert sich nun. Feste Fahrpreise fürs Taxi sollen wegfallen. | |
Bild: Fahrzeuge der Bahntochter Clevershuttle | |
BERLIN taz | Es ist ein Baustein zur Modernisierung der Verkehrswelt. Wer | |
auf dem Land wohnt, nicht selbst Auto fahren kann und zum Arzt muss, wenn | |
die Praxis 15 Kilometer entfernt ist, hat kaum eine Wahl. Fährt der Bus nur | |
zweimal am Tag, bleibt oft nur eines: Taxi rufen. | |
Künftig soll es Alternativen geben – und mehr neue Mobilitätsanbieter, die | |
etwa mit Kleinbussen oder auch mit dem Pkw Personen transportieren. Das | |
soll die Modernisierung des Personenbeförderungsgesetzes ermöglichen. Die | |
schwarz-rote Koalition hat sich jetzt in einem Papier auf die | |
entscheidenden Eckpunkte dafür geeinigt. Damit ist ein langer Streit | |
beendet. | |
Die Taxi-Alternativen versuchen schon lange sich zu etablieren, bisher | |
kommen sie aber allenfalls in Städten voran. Oft stecken große Unternehmen | |
dahinter. Berühmt ist der US-Riese Uber, der Fahrten mit Chauffeur in Pkws | |
vermittelt. Das ist das eine. Das andere: die Neuerfindung der | |
Sammelbullis, Experten sprechen von „Pooling-Diensten“. | |
Das macht etwa die Deutsche Bahn mit ihrem Angebot Clevershuttle. Oder der | |
VW-Ableger Moia, der in Hamburg Elektrovans losschickt. [1][In Berlin fährt | |
der „Berl-König“], in München der „Isar-Tiger“. Das Prinzip jeweils: … | |
Kunden melden sich über eine App auf ihrem Handy, werden abgeholt und | |
dorthin gebracht, wohin sie wollen. Sie müssen nur damit rechnen, dass noch | |
andere neben ihnen sitzen, sie auch mal einen kleinen Umweg fahren, um | |
einen weiteren Gast mitzunehmen, dessen Weg im Grunde auf der Strecke | |
liegt. So teilen sich mehrere Fahrgäste ein Taxi, und der Preis wird quasi | |
unschlagbar. | |
## Taxibranche fühlt sich unter Druck gesetzt | |
Die Bundesregierung machte es den neuen Anbietern lange Zeit allerdings | |
nicht leicht – sie sind derzeit meist nur mit befristeten | |
Ausnahmeregelungen unterwegs. Der Hintergrund: Sie können zwar eine | |
Ergänzung zu Bussen, Bahnen, Taxen sein, vor allem für Letztere sind sie | |
aber auch eine Konkurrenz. TaxifahrerInnen sind darum schon mehrfach auf | |
die Straße gegangen und haben ihren Unmut – besonders über Uber – immer | |
wieder geäußert. | |
Die klassische Taxibranche fühlt sich durch die neuen Anbieter unter Druck | |
gesetzt. Dabei kommt sie sowieso schon schwer über die Runden. Für Taxis | |
gelten, anders als für die taxiähnlichen Mietwagen oder Vans, strenge | |
Regeln: Die Fahrpreise sind nicht frei kalkulierbar. Da Taxis Teil des | |
öffentlichen Nahverkehrs sind, gelten für sie verbindliche kommunale | |
Taxitarife, egal ob sie an Silvester fahren oder an einem öden Wochentag. | |
Die Fahrer brauchen eine Ortskundeprüfung.Sie müssen alle Fahrgäste | |
transportieren, auch wenn die Strecke kurz und wenig lukrativ ist. | |
„Sowohl der Taxi- wie auch der Mietwagenbetrieb soll von regulatorischen | |
Entlastungen profitieren“, nahmen sich CDU, CSU und SPD in ihrem | |
Koalitionsvertrag vor. Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) sagte es | |
nun so: „Das gute alte Personenbeförderungsrecht bekommt ein | |
Digital-Update.“ Es liege ein ausgewogener Kompromiss für moderne | |
Mobilitätsangebote in der Stadt und gerade auch auf dem Land auf dem Tisch. | |
Die entscheidenden Punkte erklärt [2][Andreas Knie]. Er ist einer der | |
führenden Mobilitätsforscher in Deutschland und leitet die Forschungsgruppe | |
„Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“ am | |
Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Als Punkt eins nennt er: „Mit der Reform | |
sollen die neuen Anbieter dauerhaft erlaubt werden.“ | |
## Rückkehrpflicht ist umstritten | |
Zweite wichtige Neuerung: „Für die klassischen Taxen können Preiskorridore | |
festgelegt werden – mit Ober- und Untergrenzen.“ Dritter Punkt: „Die | |
Kannibalisierung der Taxibranche durch Uber wird es nicht geben.“ Denn | |
taxiähnliche Mietwagen müssten auch in Zukunft, damit sie von klassischen | |
Taxen abgegrenzt werden können, nach jedem Beförderungsauftrag zum | |
Betriebssitz zurückkehren. Sie dürften, anders als die Taxen, nicht auf der | |
Straße auf zufällige Kunden warten. | |
Diese Rückkehrpflicht ist umstritten. Die Regierung wollte sie ursprünglich | |
aufheben, um den Neulingen Leerfahrten zu ersparen. Für Uber ist sie ein | |
Rückschlag. Die modernen Sammeltaxen, die sich mehrere Personen teilen, die | |
ein ähnliches Ziel haben, dürfen indes noch hoffen: Ob für sie die | |
Rückkehrpflicht gelten wird, werde noch verhandelt, so Knie. Der Professor | |
ist froh über die Reform. | |
Knie sagt: „Es ist noch nicht die Verkehrswende, aber nach langem | |
Stillstand bewegt sich was. Auf das private Auto wird sich leichter | |
verzichten lassen, neue kostengünstige und umweltfreundliche | |
Mobilitätsangebote werden kommen.“ Bis Ende des Jahres will die Koalition | |
die Regeln rechtlich festzurren. Da liege „schon noch ein langer Weg“ vor | |
ihnen, so CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. SPD-Fraktionsvize | |
Sören Bartol meinte, der Teufel stecke im Detail. | |
8 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Berliner-Verkehr/!5659668&s=Taxi+Uber+Mobilit%C3%A4t/ | |
[2] /Interview-mit-Mobilitaetsforscher-Knie/!5624709&s=Taxi+Uber+Mobilit%C3… | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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