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# taz.de -- Album „Monophonie“ von Phillip Sollmann: Nach Zeichnungen des M…
> Klangexperimente beginnen beim Instrument. Für sein Album „Monophonie“
> ließ sich der Komponist Phillip Sollmann von Klangforschern anregen.
Bild: Seltsame Instrumente im Einsatz: Aufführung von „Monophonie“ auf der…
Es klackert, raschelt, klirrt und gongt auf „Monophonie“, dem neuen Werk
des [1][Berliner Produzenten und Komponisten Phillip Sollmann]. Ganz
langsam entwickeln sich in den Stücken perkussive Muster, Drones schwellen
an und verschwinden wieder, ständig passiert etwas, und dennoch verbreitet
sich eine ruhige, trancehafte Stimmung. Wenn man bedenkt, was für einen
gewaltigen Aufwand Sollmann für diese Produktion betrieben hat, wie viel
Tüftelei in dieser steckt, ist es wirklich erstaunlich, wie tiefenentspannt
das Ergebnis klingt.
Seit 15 Jahren produziert Sollman inzwischen Techno, meist unter seinem
Pseudonym Efdemin. Er ist Resident DJ im Berghain. Seine Sets und seine
Tracks wurden bereits in der ganzen Welt gefeiert. Mehr geht kaum in der
Branche. Doch in den letzten Jahren, das sagt er selbst, kommt ihm das
Techno- und DJ-Business immer öder vor. Er, der elektroakustische Musik in
Wien studiert hat, fühle sich demnach zunehmend als Außenseiter in einer
ihm immer konformer anmutenden Szene.
Die künstlerische Konsequenz aus dieser inneren Distanz ist nun
„Monophonie“, ein Album, bei dem nur noch sehr unterschwellig herüberkommt,
dass hier jemand dahintersteckt, der sich mit Techno auskennt.
Es gibt ja Verbindungslinien zwischen der US-amerikanischen Minimal Music
von Komponisten wie Terry Riley oder Steve Reich und dem
Klickerklacker-Minimaltechno, der dann in den Nullerjahren auf den
Dancefloors populär wurde. Sollmann hat sich diese neu angeschaut, nähert
sich den Pionieren der durchaus meditativen Klangforschung aber über eher
ungewöhnliche Referenzen.
Diese heißen vor allem Harry Partch und Harry Bertoia, zwei sehr
ungewöhnliche und enigmatische Soundkünstler des 20. Jahrhunderts. Beiden
reichte die Verwendung herkömmlicher Instrumente für ihre Musik nicht aus,
deswegen besannen sie sich auf das Erfinden eigener, selbst gebastelter
Klangerzeuger.
## Die Instrumente erkennt man nur mit einiger Fantasie
Seltsam anzusehende Perkussionsinstrumente sind das etwa bei Partch oder
eine Orgel mit vielen bunten Tasten, modifizierte Gitarren und Ungetüme,
für die man einige Fantasie braucht, um in ihnen überhaupt noch ein
Musikinstrument erkennen zu können. Die Namen, die Partch seinen
Erfindungen gegeben hat, sind kaum ungewöhnlicher als diese selbst:
Chromelodeon heißt eines, ein anderes Quadrangularis Reversum. Harry
Bertoias Spezialität sind dagegen Soundskulpturen und Klangstäbe.
Wer nun selbst mit diesen kuriosen Gerätschaften arbeiten möchte, hat es
nicht ganz leicht. Es existieren nur ganz wenige von ihnen weltweit, und
wie man vor allem Harry Partchs eigenwillige Kreationen bedient, weiß auch
kaum jemand.
Doch davon hat Sollmann sich nicht abschrecken lassen. Mit Nachfahren
Bertoias hat er sich persönlich getroffen, um sich besser vertraut zu
machen mit dessen Metallskulpturen. Und mit dem Ensemble Musikfabrik aus
Köln hat er einen Klangkörper für seine musikalische Vision anheuern
können, der sich auf Partch spezialisiert hat. In aufwendiger Arbeit hat
das Ensemble mithilfe von Zeichnungen und Instruktionen des Meisters die
meisten seiner Instrumente nachbauen lassen und zu spielen gelernt.
## Sollmann an der Doppel-Sirene von Hermann von Helmholtz
Für das Ensemble hat Sollmann dann die Komposition „Monophonie“
angefertigt, die 2017 in der Berliner Volksbühne uraufgeführt wurde. Der
Komponist selbst ist auf dieser dann auch zu hören. Er spielt die
sogenannte Doppel-Sirene, eine Erfindung des deutschen Universalgelehrten
Hermann von Helmholtz, dessen Arbeit auch großen Einfluss auf Harry Partch
hatte. Auch die Doppelsirene sieht weniger wie ein Instrument aus, sondern
eher wie eine Kaffeemaschine von Daniel Düsentrieb.
Partch, Bertoia, von Helmholtz, da kommt viel zusammen bei „Monophonie“.
Dass das Ganze nun auch noch als Platte beim vornehmlich für
experimentellen Techno zuständigen Hauslabel des Berghain erscheint, ist
eine zusätzliche Pointe obendrauf.
Doch, wie bereits angedeutet: Sollmann bekommt seine ganzen Bezüge locker
auf einen Nenner. Er versucht sich kein Stück an einer Leistungsschau
seiner Wundermaschinen, sondern lässt den einzelnen Instrumenten immer
subtil und uneitel Raum genug, sich langsam zu entfalten. Bis die Klänge
einen Schwebezustand erreichen, zu driften beginnen. Und am Ende dann doch
ein wenig an Clubmusik erinnern.
9 Jun 2020
## LINKS
[1] /Elektronik-Produzent-Efdemin/!5573150
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Klang
Experimentelle Musik
Techno
Neues Album
Album
Efdemin
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