# taz.de -- Schlechte Prognosen für Einzelhandel: Kaum noch Lustshoppen | |
> Viele Einzelhändler befürchten, dass sie die Coronakrise nicht überstehen | |
> werden. Die grüne Wirtschaft ist optimistischer. | |
Bild: Gemütlicher Einkaufsbummel gerade nicht angesagt: Shoppen mit Maske mach… | |
Es sind keine guten Zahlen, die der Handelsverband Deutschland (HDE) | |
kürzlich veröffentlichte: Mehr als jeder dritte Einzelhändler fürchtet | |
wegen der Coronapandemie um seine Existenz – davon ausgenommen sind | |
Geschäfte, die Lebensmittel verkaufen. Bei einer [1][Umfrage unter 400 | |
Unternehmen] gaben 80 Prozent an, für die Zukunft der Branche | |
schwarzzusehen. | |
Und nicht nur sie rechnen damit, dass es in [2][deutschen Innenstädten bald | |
eine Insolvenzwelle] geben wird. Laut der Wirtschaftsauskunftei | |
Creditreform könnten viele Geschäfte in diesem Herbst pleitegehen. Düstere | |
Aussichten also für den Einzelhandel. | |
Optimistischer ist dagegen die grüne Wirtschaft: Nachhaltige Unternehmen | |
nehmen die Coronakrise bei Weitem nicht so existenzbedrohend wahr wie der | |
Rest der Branche. „Die Unternehmen sind in der Krise deutlich resilienter“, | |
sagt Katharina Reuter, Geschäftsführerin von Unternehmensgrün. | |
84 Prozent der Mitglieder dieses Bundesverbands der grünen Wirtschaft seien | |
zuversichtlich, gut durch die Krise zu kommen. Das liege unter anderem | |
daran, dass sich die Firmen besser gegen Risiken absichern und auch | |
nachhaltiger wirtschaften, sagt Reuter. So hätten einige von ihnen Teile | |
ihrer Gewinne beispielsweise für Krisenzeiten zurückgelegt. | |
## Weniger Umsatz, gleiche Kosten | |
Die meisten Händler in Deutschland haben solche Rücklagen aber nicht. Sie | |
leben von dem, was sie verkaufen – und leiden darunter, dass während der | |
Coronakrise viele Umsätze ausblieben. „Diese Einnahmen sind verloren“, sagt | |
Stefan Hertel, Pressesprecher beim HDE. Und auch jetzt noch, wo es [3][im | |
Handel immer mehr Lockerungen gibt], verzeichneten viele Händler deutlich | |
weniger Umsätze, als sie gewohnt seien – bei gleichbleibenden Kosten. Bis | |
zu 50.000 Handelsstandorte könnten deshalb wegfallen, schätzt Hertel. | |
Dass der Einzelhandel bald wieder Spitzenumsätze einfahren wird, ist eher | |
unwahrscheinlich. „Wir beobachten eine große Zurückhaltung bei den | |
Konsumentinnen und Konsumenten“, sagt Kai Hudetz vom Institut für | |
Handelsforschung in Köln. Aktuell gingen die meisten Leute nur in die | |
Stadt, um eher gezielt etwas zu kaufen – das spontane Lustshoppen bleibe | |
tendenziell aus. Die Menschen verweilten wesentlich kürzer in den | |
Innenstädten. Wegen der Maskenpflicht und der Hygienevorschriften | |
versuchten sie, ihre Einkäufe so schnell wie möglich zu erledigen. | |
„Ein gemütlicher Einkaufsbummel ist eher nicht angesagt“, sagt auch Hertel. | |
Und selbst wenn es weitere Lockerungen geben sollte und das Shoppen wieder | |
angenehmer würde: Die Stimmung der Konsumenten wird sich so schnell nicht | |
bessern, schätzt Hudetz. Auch diejenigen, die aktuell noch nicht finanziell | |
betroffen sind, sorgten sich um die wirtschaftlichen Auswirkungen der | |
Krise, fürchteten eine zweite Welle und Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit. | |
„Die Angst, dass es einem schlechter gehen könnte, dämpft den Konsum“, | |
erklärt Hudetz. | |
## Nachhaltigkeit zahlt sich aus | |
Aber warum ist die grüne Wirtschaft dann so optimistisch? Selbst wenn sich | |
Geschäfte gegen Risiken abgesichert haben, schützt das nicht ewig – bleiben | |
Ökohändler etwa von der gedämpften Stimmung unberührt? „Es ist sicher nic… | |
alles rosig“, gibt Reuter von Unternehmensgrün zu. Gerade stationäre Läden | |
lebten von Stammpublikum und spürten eine abnehmende Nachfrage. | |
Gleichzeitig profitiere die Branche aber davon, dass während der Krise | |
vieles, was mit Nachhaltigkeit zu tun hat, stärker in den Vordergrund | |
gerückt ist. Zum Beispiel der Wunsch, Dinge selbst zu machen – etwa eigenes | |
Brot. | |
„Brotbackautomaten hatten fast schon Sonderkonjunktur“, sagt Kai Hudetz. | |
Und auch Stefan Hertel vom HDE beobachtet, dass sich der Wunsch, regionale | |
und nachhaltige Produkte zu kaufen, während der Krise verstärkt hat. „Aber | |
ein Massenmarkt ist das nicht“, betont er. | |
Für den Einzelhandel in der Summe komme es deshalb jetzt vor allem darauf | |
an, wann sich die Lage normalisiert – und die Kunden wieder unbeschwert | |
einkaufen können. „Viele Händler sind in einer sehr schwierigen Situation �… | |
Insolvenzen stehen unmittelbar bevor“, sagt Hertel. Sie hofften nun darauf, | |
dass die Überbrückungskredite vom Bund schnell ausgezahlt werden. Klar sei | |
aber auch, dass man nicht ewig überbrücken kann. „Deshalb bleibt nur zu | |
hoffen, dass die Coronakrise schnell vorbeigeht“, so Hertel. | |
18 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://einzelhandel.de/presse/aktuellemeldungen/12761-nicht-lebensmittelha… | |
[2] /Darbende-Einkaufsstrassen-und-Corona/!5678619/ | |
[3] /Der-Einzelhandel-ist-wieder-geoeffnet/!5677113/ | |
## AUTOREN | |
Sandra Röseler | |
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