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# taz.de -- Bachmannpreis coronabedingt virtuell: Neue Gesichter lesen im Stream
> Der Bachmannpreis startet nach einigem Zögern am 17. Juni seine erste
> rein virtuelle Ausgabe. Schwimmen im Wörthersee fällt dieses Jahr aus.
Bild: Hält die Eröffnungsrede für den Bachmannpreis: die Autorin Sharon Otoo…
Für Helga Schubert ist es der zweite Anlauf. Vor vierzig Jahren war sie
schon einmal zum Wettlesen in Klagenfurt eingeladen, damals noch als
Bürgerin der DDR. Dann aber verweigerte man ihr die Ausreise, auch weil
„der Antikommunist Marcel Reich-Ranicki“ (steht so in der Stasi-Akte zum
Vorgang) Juryvorsitzender war. Ab 1987 – da war Reich-Ranicki nicht mehr
dabei – durfte sie drei Jahre lang immerhin als Jurorin nach Klagenfurt
fahren.
Als Vorlesende gibt sie jedoch in diesem Jahr, mit achtzig, ihr Debüt. Im
kleinen Porträtfilm, den man im Netz sehen kann, staunt sie selbst darüber
am meisten und feiert die Einladung als kleinen Sieg über die Diktatur,
„zumal die, die es mir damals verboten haben, alle schon tot sind“.
Mit dem kleinen Haken, dass Helga Schubert auch beim zweiten Anlauf nicht
anreisen darf. Wegen Corona war der seit 1976 stattfindende Wettbewerb
zunächst sogar ganz abgesagt worden.
Für die Verantwortlichen schien eine Verlegung der Veranstaltung ins Netz
zunächst nicht vorstellbar. Zu sehr sahen sie die [1][Bachmann-Tage] vom
Ort und seinen Traditionen geprägt, vom Schwimmen im Wörthersee bis zum
Public Viewing im Lendhafen. Das Ganze ist nicht zuletzt ein alljährlicher
Literaturbetriebsausflug, es sind nicht nur die Vorlesenden und die Jury,
sondern neben interessiertem Publikum stets auch zahlreiche Lektor*innen
und Kritiker*innen vor Ort.
## Längst eine multimediale Veranstaltung
Gegen den Absage-Entscheid protestierten aber Teile der Jury, und zwar
vehement. Schließlich sind die Bachmann-Tage längst eine multimediale
Veranstaltung. Der ORF sendet live, hat sich nach heftigen Protesten gegen
die Ankündigung, die Sache aus Kostengründen zu streichen, vor ein paar
Jahren noch einmal sehr ausdrücklich zu ihr bekannt.
Und dann ist der primäre Ort der Erstrezeption schon lange das Netz:
Nirgends werden die Lesungen wie die Jury-Diskussionen so genau beobachtet
und instantan kommentiert wie in Blogs und vor allem auf Twitter (Hashtags:
#tddl und #tddl20).
So wurde nach den Jury-Protesten und ein wenig Hin und Her die Absage
wieder gecancelt und ein Konzept für eine [2][virtuelle Bachmann-Version]
ausgearbeitet. Das sieht nun so aus, dass die Lesungen vorab aufgezeichnet
wurden; die Jury-Mitglieder beobachten und diskutieren dann live
miteinander: jede und jeder von ihnen separat, das Bild aber nicht von
einer Webcam, sondern von kleinen Profikameras übertragen.
Im theaterbühnenhaft eingerichteten Studio in Klagenfurt sind neben dem
Moderator Christian Ankowitsch nur die zusätzlichen Kommentator*innen Julya
Rabinowich und Heinz Sichrowsky. Eröffnet wird die Veranstaltung am
Mittwoch mit einer Rede der Bachmannpreis-Gewinnerin von 2016, der
[3][Schwarzen Autorin Sharon Dodua Otoo].
## Viele unbeschriebene Blätter
In der Auswahl sind neben der Veteranin Helga Schubert viele eher
unbeschriebene Blätter. Viel Aufmerksamkeit bekommt schon vorab Hanna
Herbst, Ex-Vize der österreichischen Ausgabe von Vice, ab Herbst in
führender Funktion in Jan Böhmermanns neuer, im ZDF-Hauptprogramm laufender
Sendung. Im Porträtfilm singt sie, ziemlich selbstreflexiv und ganz lustig.
Meral Kureyshi, die als Kind aus Ex-Jugoslawien in die Schweiz kam, bringt
die Sache mit dem Migrationshintergrund im Porträt prägnant auf den Punkt:
„Deutsch ist meine Muttersprache. Meine Mutter spricht kein Deutsch.“ Egon
Christian Leitner ist ein eigenwilliger Außenseiter, der seit Jahren an
seinem mehrtausendseitigen, autobiografisch geprägten Projekt eines
„Sozialstaatsromans“ sitzt, von Bourdieu inspiriert, und sich im Porträt zu
seiner Liebe zum Schlafen bekennt.
Mit Matthias Senkel ist ein weiterer Autor zum zweiten Mal eingeladen. Er
fiel 2012 als „zu intelligent“ durch. Senkel scheint zu seinem Glück dümm…
geworden.
Neue Gesichter in der Jury sind die österreichische Literaturkritikerin
Brigitte Schwens-Harrant und der Autor und Philosoph Philipp Tingler. Man
wird sie kennenlernen und ihre wie der anderen Juror*innen Arbeitszimmer
per Live-Kamera auch.
17 Jun 2020
## LINKS
[1] /Bachmannpreis--Nachlese/!5603841
[2] https://bachmannpreis.orf.at/
[3] /Der-Erzaehlstil-der-Bachmannpreistraegerin/!5317121
## AUTOREN
Ekkehard Knörer
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