# taz.de -- Aktivist über Proteste gegen Rassismus: „Es hat einen Funken geg… | |
> Tausende protestieren gegen Polizeigewalt und Rassismus. Biplab Basu von | |
> der Beratungsstelle ReachOut ist zuversichtlich, dass daraus eine neue | |
> Bewegung entsteht. | |
Bild: Allein in Berlin demonstrierten am 6. Juni Zehntausende gegen rassistisch… | |
taz: Herr Basu, am Wochenende haben in Deutschland [1][weit über 100.000 | |
gegen rassistische Polizeigewalt demonstriert]. Hatten Sie das erwartet? | |
Biplab Basu: Nein. Ich hatte nicht mit mehr als 1.000 bis 2.000 Menschen | |
pro Demonstration gerechnet. | |
Selbst die Veranstalter*innen hatten viel weniger Teilnehmende erwartet. | |
Was ist passiert? | |
Es erstaunt mich auch. Der [2][Tod von George Floyd] war ja nicht der erste | |
solche Fall in den USA. Der Satz „I can’t breathe“ wurde schon 2014 durch | |
den [3][Tod von Eric Garner] geprägt. Auch in Deutschland kennen wir | |
zahlreiche Fälle. Aber Social Media trägt zu einer Verbreitung bei, wie wir | |
sie in der Vergangenheit nie erreicht haben. Und wir haben es mit einer | |
Generation zu tun, die nicht mehr daran glaubt, dass es von alleine besser | |
wird. | |
Ihr [4][Bündnis „Death in Custody“] zählt in Deutschland 159 Fälle von T… | |
in Gewahrsam seit 1990, darunter Oury Jalloh oder Hussam Fadl, der 2016 in | |
einer Geflüchtetenunterkunft von Polizisten erschossen wurde. Wo waren | |
damals die Großdemonstrationen? | |
Eine Bewegung aufzubauen braucht Zeit. In den USA gehen heute | |
Hunderttausende für George Floyd auf die Straße. Aber Schwarze | |
Bürgerrechtler haben Jahrzehnte gebraucht, um das Civil Rights Movement | |
aufzubauen. Diese Proteste heute bauen auf unserer Arbeit auf. Ich habe auf | |
der Demo in Berlin jemanden mit einem Schild [5][„Gerechtigkeit für Hussam | |
Fadl“] gesehen. Das hat mich sehr gefreut. | |
Die Demos wurden nicht von den üblichen Initiativen angemeldet, und unter | |
den Teilnehmenden waren viele, die wohl zum ersten Mal auf der Straße | |
waren. Sehen wir gerade eine neue Politisierung? | |
Ja. Und das ist die junge Generation, die ich schon angesprochen habe. | |
Viele von uns Älteren haben sich nie gegen Rassismus gewehrt. Sie haben | |
versucht, brav zu leben, und dachten, ihre Kinder hätten es dann besser. | |
Die würden dann Erfolg und gleiche Chancen im Leben haben. Und diese Kinder | |
merken jetzt: Das stimmt gar nicht. Rassismus zieht sich so stark durch | |
alle ihre Lebensbereiche; sie wissen, dass abwarten nicht reicht. | |
Hat die aktuelle Empörung auch damit zu tun, dass der Anlass in den USA | |
liegt – weit weg? | |
Nein, das glaube ich nicht. Junge People of Color und Schwarze Deutsche | |
haben gesehen, was in den USA passiert ist – und es hat sofort hier einen | |
Funken gegeben. Es hat sie sofort daran erinnert, wie ihr Leben hier | |
aussieht, das Leben ihrer Eltern, ihrer Onkel und Tanten, Cousinen und | |
Cousins. Ihrer Freunde. Wie ihnen hier von Polizisten ohne Achtung und | |
Respekt begegnet wird. Und sie sind auf die Straße gegangen. Das ist | |
übrigens ein großer Unterschied etwa zu den Demonstrationen für | |
Geflüchtete. | |
Inwiefern? | |
Diese jungen Menschen gehen für sich selbst auf die Straße. Für ihre | |
Community. Natürlich ist es wichtig, dass die weiße Mehrheitsgesellschaft | |
mitzieht, dass wir so viele Menschen wie möglich auf unserer Seite haben. | |
Aber wir haben es hier mit einer enorm empowerten Generation Schwarzer | |
Menschen und People of Color zu tun, die ihr Leben und ihren Protest in die | |
eigenen Hände nimmt. Das ist wichtig. | |
Wird aus dieser Energie eine neue Bewegung entstehen? | |
Dafür zu sorgen ist jetzt die große Aufgabe. Wenn wir es nicht schaffen, | |
diese Menschen jetzt aufzufangen, zu unterstützen und zu motivieren, wird | |
der Effekt, fürchte ich, bald verpuffen. Ich habe aber Hoffnung. Allein | |
Montagvormittag haben mich sechs Menschen angerufen, die von Vorfällen | |
berichten und wissen wollten, was sie tun können. Die Leute müssen ja nicht | |
bei uns Mitglied werden. Aber sie müssen weiterprotestieren, und zwar nicht | |
nur am Alexanderplatz in Berlin, sondern immer, in ihrem Alltag. Wenn wir | |
das schaffen – dann kann man wirklich sagen, dass eine Welle der | |
Veränderung losgebrochen ist. | |
9 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Deutschlandweit-Demos-nach-Mord-an-George-Floyd/!5690812 | |
[2] /Rassismusdebatte-in-den-USA/!5691580 | |
[3] /Polizeigewalt-in-den-USA/!5688545 | |
[4] /Berater-ueber-rassistische-Polizeigewalt/!5671660 | |
[5] /Polizei-erschiesst-Gefluechteten/!5649627 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Antirassismus | |
Black Lives Matter | |
Demonstrationen | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rechte Angriffe in Berlin: Medien und Politik fördern Rassismus | |
„Trotz Lockdown gab es 2020 kaum weniger Angriffe“, sagt Reachout – | |
antiasiatischer Rassismus habe mit Corona zugenommen. | |
Von der Polizei erschossener Hussam Fadl: Verjährung befürchtet | |
2016 wurde Hussam Fadl bei einem Polizeieinsatz in Berlin erschossen. 150 | |
Menschen protestierten am Samstag für umfassende Aufklärung. | |
Berliner Jahresbericht zu rechter Gewalt: „Rassismus ist das Hauptmotiv“ | |
Das Antifaschistische Pressearchiv hat die „Berliner Zustände“ | |
veröffentlicht. 2019 gab es so viel rechte Gewalt war nie. | |
Rassismus bei der deutschen Polizei: Beamte sind auch nur Deutsche | |
Ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Bevölkerung hegt rassistische | |
Ressentiments. Warum sollten ausgerechnet PolizistInnen davor gefeit sein? | |
Globale Proteste gegen Rassismus: Das letzte weiße Aufbäumen | |
Der Mord an George Floyd hat weltweite Auswirkungen. Viele fordern, nicht | |
mehr außen vor gelassen zu werden. | |
Nach dem Tod von George Floyd: Weltweite Proteste gegen Rassismus | |
In den USA und zahlreichen anderen Ländern gehen Menschen auf die Straße, | |
um ein Ende von Rassismus und Polizeigewalt zu fordern. | |
Black-Lives-Matter-Proteste in Berlin: Aufstehen in Würde | |
Jugendliche of Color lassen sich nicht mehr gefallen, dass der Staat sie | |
bedroht und nicht beschützt. Allein in Berlin demonstrieren Zehntausende. |