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# taz.de -- Von der Polizei erschossener Hussam Fadl: Verjährung befürchtet
> 2016 wurde Hussam Fadl bei einem Polizeieinsatz in Berlin erschossen. 150
> Menschen protestierten am Samstag für umfassende Aufklärung.
Bild: Hussam Fadl, Halim Dener, Sliemann Hamade: Die Liste der Opfer von Polize…
Berlin taz | „Diese Geschichte wird mich nie verlassen“, sagt Zaman Gate am
Rand einer Kundgebung am Platz der Luftbrücke. Unter dem Motto
„Gerechtigkeit für Hussam Fadl“ haben sich hier am Samstag rund 150
Demonstrant*innen versammelt. Gate ist Hussam Fadls Witwe. Der Iraker wurde
2016 von der Berliner Polizei erschossen. Seitdem fordert eine Kampagne die
Aufklärung der Umstände seiner Erschießung. „Ich werde immer darum kämpfe…
Gerechtigkeit für meinen Mann zu bekommen“, sagt Gate. „Ich hoffe, dass die
Polizist*innen bestraft werden.“
Am 27. September 2016 wurde die Polizei in die Moabiter Kruppstraße
gerufen. Ein Bewohner der Geflüchtetenunterkunft soll ein kleines Mädchen
sexuell missbraucht haben, war von Bewohner*innen gestellt und dem
Sicherheitsdienst übergeben worden, der die Polizei rief. Diese hatte den
Verdächtigen bereits in den Streifenwagen gebracht, als der Vater des
Mädchens, Hussam Fadl, aufgebracht auftauchte.
Daraufhin schossen mehrere Polizist*innen insgesamt viermal auf Fadl, ein
Schuss in den Rücken war tödlich. Bis heute ist unklar, weshalb überhaupt
geschossen wurde. Die Polizei gab an, Fadl sei mit einem Messer bewaffnet
gewesen. Mehrere Zeug*innen hatten jedoch kein Messer gesehen. Ein später
sichergestelltes Küchenmesser wies keine Fingerabdrücke von Fadl auf. Die
Ermittlungen gegen die Polizist*innen wurden bereits 2017 mit Verweis auf
Notwehr und Nothilfe eingestellt.
Die Witwe des Getöteten wollte sich damit nicht abfinden. Gemeinsam mit der
Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) und ihrem Anwalt
Ulrich von Klinggräff reichte sie ein sogenanntes Klageerzwingungsgesuch
ein und errang einen wichtigen Teilerfolg: Im Mai 2018 wies das Berliner
Kammergericht die Staatsanwaltschaft in deutlichen Worten an, die
Ermittlungen wieder aufzunehmen. „Die Aussagen der Beschuldigten und der
Zeugen weichen in wesentlichen Punkten voneinander ab“, heißt es darin. Es
stehe nicht fest, ob Hussam Fadl zum Tatzeitpunkt überhaupt mit einem
Messer bewaffnet war und es sei nicht hinreichend ermittelt worden, ob es
sich um Notwehr gehandelt habe.
## Hauptzeuge abgeschoben
Biplap Basu, Opferberater bei ReachOut und Teil der Kampagne „Gerechtigkeit
für Hussam Fadl“, sagt, in seiner 18-Jährigen Tätigkeit in der
Opferberatungsstelle sei dies erst das zweite Klageerzwingungsgesuch, das
positiv entschieden wurde.
Seitdem ist allerdings wenig passiert. Der Mann, im Zuge dessen Festnahme
Fadl damals erschossen wurde – und der auch Hauptzeuge wäre – wurde nach
Pakistan abgeschoben und ist angeblich nicht auffindbar. Eine Polizistin,
die ebenfalls als wichtige Zeugin gilt, ließ sich für krank und damit nicht
vernehmungsfähig erklären.
Eine schriftliche Anfrage der Linken an den Justizsenator wurde mit einem
knappen Hinweis auf die angeblich laufenden Ermittlungen abgewiesen. Seit
fast vier Jahren werde das Verfahren nun schon verschleppt, kritisiert eine
Sprecherin von KOP: „Bisher wurde keine Anklage erhoben, es gibt keine
Antwort auf den Stand der Ermittlungen. Man hat das Gefühl, man muss die
Behörden zu ihrer Arbeit tragen.“
## 162 Todesfälle seit 1990
Die Demonstrant*innen sehen darin einen weiteren Fall von institutionellem
Rassismus. Auf der Kundgebung werden die Namen aller Menschen verlesen, die
von 2016 bis heute in Polizeigewahrsam gestorben sind. Die Liste ist
bedrückend lang. 162 solcher Todesfälle hat die ebenfalls anwesende
Initiative Death in Custody seit 1990 verzeichnet.
Die Demonstrant*innen befürchten, dass die Ermittlungen weiter verschleppt
und schließlich ganz eingestellt werden. Tatsächlich wird die Zeit knapp:
Totschlag verjährt nach fünf Jahren, das wäre im September 2021. Doch die
Aktivist*innen wollen verhindern, dass das „System der Straffreiheit“
wieder einmal funktioniert. Deshalb wollen sie den Druck weiter erhöhen,
damit der Fall doch noch aufgeklärt wird und die verantwortlichen
Polizist*innen vor Gericht gestellt werden.
Zum Abschluss wendet sich der kleine Sohn von Hussam Fadl an die
Demonstrant*innen: „Danke schön, dass ihr da wart“, sagt er ins Mikro.
5 Jul 2020
## AUTOREN
Darius Ossami
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Soziale Bewegungen
Polizei Berlin
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Polizei Berlin
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