| # taz.de -- Neue Kulturbeauftragte in Österreich: Expertise statt Stallgeruch | |
| > Die grünenaffine Juristin Andrea Mayer genießt einen riesigen | |
| > Vertrauensvorschuss. Den bringt ihr auch die Opposition entgegen. | |
| Bild: Die neue Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer | |
| Wien taz | Wenn man als Frau in einer männerdominierten Welt gefragt werde, | |
| ob man einen Posten mit Verantwortung übernehmen wolle, dann müsse man | |
| „einfach ja sagen“. | |
| Andrea Mayer strahlt ein gesundes Selbstbewusstsein aus. Die | |
| Vorschusslorbeeren, die der neuen österreichischen Staatssekretärin für | |
| Kunst und Kultur nicht nur von der Kulturszene, sondern selbst von der | |
| Opposition entgegengebracht werden, verdanken sich einer | |
| Bilderbuchkarriere. | |
| Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) freute sich bei der Präsentation am | |
| Dienstag, „einen echten Profi“ auf den vakanten Posten setzen zu können. | |
| „Krisenfest, professionell, kompetent und engagiert“ sei die 57-jährige | |
| Juristin, die zehn Jahre lang im Bildungsministerium die Kunst- und | |
| Kultursektion geleitet hatte. | |
| Bei der Vereidigung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen am | |
| Mittwoch trafen auch keine Unbekannten aufeinander. Mayer hatte dem | |
| ehemaligen Chef der Grünen drei Jahre lang als Kabinettschefin gedient. In | |
| diesen Jahren habe sie vom Staatsoberhaupt viel gelernt. Vor allem sein | |
| unaufgeregtes Krisenmanagement während der Umbrüche im Gefolge des | |
| Ibiza-Skandals hätten sie beeindruckt. Van der Bellen würdigte Mayer als | |
| jemanden, die einen hohen juristischen Sachverstand habe und bestens | |
| vertraut mit politischen Abläufen sei. | |
| ## Vage Ansagen | |
| Wenn [1][Ulrike Lunacek], die am Freitag genervt hingeschmissen hatte, vom | |
| ersten Tag an Misstrauen entgegenschlug, weil die versierte | |
| Europapolitikerin keinen Kultur-Stallgeruch hatte, so kann Andrea Mayer auf | |
| einem Megavertrauensvorschuss aufbauen. | |
| Für sie ist der neue Posten „eine Heimkehr, auf die ich mich sehr freue“. | |
| Sie weiß um die Nöte der zum Nichtstun verdammten freien Szene genauso wie | |
| um den Finanzbedarf der großen Museen und Theater, die wegen der neuen | |
| Abstandsregeln auch nach [2][der schrittweisen Öffnung] ab dem 29. Mai | |
| nicht kostendeckend arbeiten können. Und sie weiß nur zu gut, dass sie ohne | |
| Finanzminister und Bundeskanzler (beide ÖVP und nicht gerade kulturaffin) | |
| ihr Vertrauenskapital auch wieder schnell verspielen kann. | |
| Entsprechend vage waren ihre ersten Ansagen, was die Finanzierung betrifft. | |
| Dass Geld fließen muss, wenn die Kulturszene, die immerhin doppelt so viel | |
| zum BIP beiträgt wie die Landwirtschaft, überleben soll, ist klar. Eine | |
| Mindestsicherung, wie sie die Schweiz während der Krisenmonate | |
| unbürokratisch an die Künstler auszahlt, kann sich Mayer offenbar | |
| vorstellen: „Wie immer man es nennt, ist egal.“ Mit Finanzminister Gernot | |
| Blümel, den sie sehr gut kenne, werde sie umgehend in Gespräche eintreten. | |
| Es spricht für die Grünen, dass sie bei ihren Personalentscheidungen nicht | |
| in erster Linie die eigenen Seilschaften bedienen. Andrea Mayer wurde an | |
| der Universität im Verband Sozialistischer Studenten (VSStÖ) sozialisiert | |
| und diente später unter roten Ministern. | |
| Im erweiterten Bundesvorstand der Grünen, wo Koglers Vorschlag diskutiert | |
| wurde, sei das zwar ein Thema gewesen, die Zustimmung sei aber einstimmig | |
| erfolgt. Seine Entscheidung, „dass ich mich nicht an Parteizugehörigkeit, | |
| sondern an Expertise orientiert habe“, so der Vizekanzler, sei akzeptiert | |
| worden. | |
| 20 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ralf Leonhard | |
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