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# taz.de -- Corona-Ausbruch nach Restaurant-Feier: Ein harter Schlag
> In einem Restaurant in Ostfriesland haben sich mehrere Gäste mit dem
> Coronavirus infiziert. ExpertInnen raten, lieber draußen als drinnen zu
> sitzen.
Bild: Erstmal geschlossen: Das Restaurant „Alte Scheune“ in Leer
Neumünster taz | Die „Alte Scheune“ in Moormerland im Landkreis Leer ist
ein Ziegelbau mit weißen Sprossenfenstern, auf der Speisekarte steht
deftige Hausmannskost. Zurzeit ist das Lokal geschlossen – der Inhaber ist
in Coronaquarantäne. In seinem Lokal fand am 15. Mai, kurz nachdem
Restaurants in Niedersachsen unter Auflagen wieder öffnen durften, eine
Feier statt. 18 der damaligen Gäste wurden inzwischen positiv auf das
Coronavirus getestet, aktuell befinden sich laut Bericht der Deutschen
Presse-Agentur 118 Menschen in Quarantäne.
Zu den Betroffenen zählt auch die Personalchefin der Meyer-Werft. Da die
leitende Angestellte in den Tagen nach der Party geschäftliche Meetings
besucht hatte, sind aktuell 18 Beschäftigte, darunter Mitglieder des
Betriebsrats, in Quarantäne. Zwar hat die Werft im März schon über 70
MitarbeiterInnen in Quarantäne schicken müssen, dennoch ist es eine
peinliche Panne für den Betrieb, der wegen der Krise im Kreuzfahrtgewerbe
eh schon schlechte Zeiten erlebt. Schließlich, so heißt es auf der
Homepage, sei „unser Ziel: vorausschauend handeln, Vorsichtsmaßnahmen
ergreifen und für die Sicherheit unserer Mitarbeiter sorgen“.
Für die Gastronomie ist der Vorfall in Ostfriesland ein harter Schlag.
Detlef Schröder, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga
Niedersachsen, sagte, sein Verband sei „bestürzt“ und verlangte, dass der
Landkreis Leer den Fall „lückenlos aufklärt“.
Diese Arbeit läuft noch, aber das, was Landrat Matthias Groote bereits in
Interviews mitteilte, deutet darauf hin, dass die Abstandsregeln nicht
eingehalten wurden: Demnach habe der Betreiber keine Maske getragen, die
Gäste hätten zu eng gesessen, auch „Körperkontakt“ soll es gegeben haben.
Der Dehoga Niedersachsen versprach, er werde „noch einmal verstärkt
sensibilisieren, dass Gastwirte und ihre Gäste nur gemeinsam die strengen
Vorgaben der gesetzlichen Hygieneregeln umsetzen können“ – dieser gute
Vorsatz hielt nicht, wie ein Vorfall in Delmenhorst vom Sonnabend zeigt.
Dort fand die Polizei in einem Restaurant eine Fete mit „mindestens 40
Personen“, Mindestabstände wurden nicht eingehalten. Auch die Dokumentation
der Personalien konnte der Restaurant-Betreiber nicht vorzeigen, ihm droht
jetzt ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz, das
Bußgeld kann bis zu 25.000 Euro betragen. Angesichts des Corona-Ausbruchs
in Leer „sollte der Vorfall nachdenklich stimmen“, schreibt die
Polizeipressestelle.
Trotz der Vorfälle ist am Montag in Niedersachsen die dritte Stufe der
Lockerungen eingetreten. Für die politisch Verantwortlichen geht es um das
Versagen Einzelner: „Ich denke, dass die Regeln nach den vorliegenden
Informationen ausreichend sind“, sagte Landrat Groote dem NDR.
Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) sah am Sonnabend
keinen Grund, vom Lockerungskurs abzurücken: „Nach ersten Erkenntnissen ist
das Infektionsgeschehen nicht auf einen normalen Restaurantbesuch
zurückzuführen.“
Im Umkehrschluss sollte also gelten: Werden die Regeln eingehalten, dürfte
es nicht zu Infektionen kommen. Aber abgesehen davon, dass jedes Bundesland
die Regeln etwas anders schreibt, sehen ExpertInnen Restaurantbesuche
generell kritisch.
Seit sich Chormitglieder – erst in den USA, dann in Deutschland – trotz
Abstand angesteckt hatten, gehen Fachleute davon aus, dass die Infektion
vor allem durch die Luft verbreitet wird. Andreas Podbielski, Virologe an
der Uni Rostock, riet im Interview mit der dpa, im Lokal „möglichst draußen
zu sitzen“.
Ähnlich äußerte sich der Chef-Virologe der Berliner Charité, Christian
Drosten, in der Sendung „Corona-Podcast“, wo er vor einem falschen Gefühl
der Sicherheit warnte: „Ich glaube, dass man nicht so viel bewirken kann
durch das viele Händewaschen und Desinfizieren.“ Statt sich drinnen zu
drängen, sollten Gäste lieber in Biergärten oder auf Terrassen der Lokale
sitzen, riet er. Um das Risiko im Innenraum zu vermindern, helfe am besten:
„Fenster aufreißen.“
26 May 2020
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Leer
Meyer-Werft
Restaurant
Infektion
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Coronavirus
Friedrichshain-Kreuzberg
Schwerpunkt Coronavirus
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