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# taz.de -- Balance Club/Culture Festival: Ein paar Stunden Weltfrieden
> Unter dem Motto „Tender Squads“ wurden bei „Balance Club/Culture
> Festival“ Allianzen für die Rettung der Clubszene geschlossen. Virtuell
> natürlich.
Bild: Dj ANTR bei ihrem virtuellen Set
Während sich da draußen in den Biergärten das Leben wieder zu normalisieren
scheint, [1][sieht es für die Clubkultur weiterhin schlecht aus]. Die
Coronapandemie vereitelt so ziemlich alles, was eine gute Clubnacht
ausmacht: Menschen auf engstem Raum, Schweiß, Ekstase, vielleicht
Knutschen. Es bleibt nur die Musik, die über Livestreams versucht, die
Menschen zu erreichen, zu bewegen, zu berühren. Doch ist Clubkultur nicht
viel mehr als das? Mehr als Musik, aber auch mehr als Tanz und Party?
Dieser Frage geht seit einigen Jahren das [2][Balance Club/Culture
Festival] nach, das nicht nur zur Ekstase, sondern auch zu Reflexion und
Gesellschaftskritik im Clubumfeld lädt. Auch dieses Jahr hätte unter
anderem im Leipziger Institut für Zukunft gefeiert und diskutiert werden
sollen.
Nun wurde das Ganze in die Weiten des Internets verlegt, in denen es in der
großen Stream-Entertainment-Konkurrenz heraussticht. Denn neben den
klassischen DJ-Set-Videos gibt es auch Vorträge, Multimedia-Beiträge,
Workshops, Artist-Talks und audiovisuelle Arbeiten.
Die beiden DJs Sarah Farina und Lyzza unterhalten sich in einem
Videotelefonat über den Club als geschützten Raum. „So etwas wie einen Safe
Space gibt es nicht“, sagt Lyzza, „vor allem nicht, wenn Alkohol und Drogen
im Spiel sind.“ Deshalb organisiert die brasilianische Elektronikkünstlerin
auch queere Partys, in denen gerade PoC und queere Menschen eine gute Zeit
haben sollen.
## Einheitliche Awareness-Regeln in der Clubszene
Als „ein paar Stunden Weltfrieden“ bezeichnet Sarah Farina eine gelungene
Clubnacht. Es mache natürlich wenig Spaß, Regeln zu erstellen, daher fände
sie es toll, wenn in allen Berliner Clubs dieselben Awareness-Regeln gelten
würden.
Allianzen bilden ist eines der großen Themen des Balance-Festivals, das
sich das Motto „Tender Squads“ auf die virtuellen Fahnen geschrieben hat.
„Allianzen haben viel mit Empathie zu tun“, sagt die trans* Aktivistin Mine
Wenzel, die auch Workshops zum Thema gibt. „Ich kriege immer einen kleinen
Kotzkrampf, wenn ich höre: Wir müssen miteinander reden. Weil: Wir müssen
erst mal zuhören.“
Ein anderer praktischer Workshop ist der Podcast der Feministischen
Gesundheitsrecherchegruppe, die schon vor Corona im Umgang mit Lebenskrisen
helfen wollte und sich nun mit einer ganz anderen Dimension konfrontiert
sieht. „Die Coronakrise ist nicht meine individuelle Krise, sondern alle
stecken mit drin“, erklärt Körperarbeiterin Julia Bonn. Dennoch betreffe
sie die Menschen unterschiedlich, wenn die einen beispielsweise mit Kindern
im Homeoffice sitzen und die anderen alleine ohne Arbeit auf der Couch.
Gegenkulturen im Kapitalismus wollen die Veranstalter*innen aufzeigen. So
spricht Ethnologin Bianca Ludewig über Gabber als hartem Ausdruck
utopischer Momente einer Jugendkultur, und taz-Autorin Sarah Ulrich
moderiert ein Gespräch über Drag als revolutionäre Praxis und Chance,
Gendernormen zu durchbrechen, und gleichzeitig über Möglichkeiten
solidarischer Allianzen in der Clubkultur.
## Clubkultur: Schutzraum für marginalisierte Menschen
Als einen sozialen Raum, als Möglichkeit der Experimentierfreude und
[3][Schutzraum für gesellschaftlich marginalisierte Menschen] sieht auch
Kornelia Kunert die Clubkultur. Kunert setzt sich als Vorstandsvorsitzende
im Leipziger Clubverband LiveKommbinat für die Verbesserung der Bedingungen
der Clubkultur ein. Gerade jetzt sei es von entscheidender Bedeutung, nicht
nur den wirtschaftlichen und den kulturellen Wert von Clubkultur zu
betonen, sondern das soziale und politische Potenzial hervorzuheben.
Diese Tendenz zur Institutionalisierung und Bildung von Allianzen gibt es
derzeit überall auf der Welt. „In Zeiten von Pandemien, Verlust von
zugänglichen kulturellen Orten und auftretendem Rechtspopulismus ist es
absolut notwendig, Allianzen zum Austausch von Wissen, Strategien und
Werkzeugen zu bilden, um die Widerstandsfähigkeit selbst organisierter
Kultur, ihrer Räume und Gemeinschaften zu stärken“, betont die
Niederländerin Liese Kingma, die gerade zur Bedeutung von Freiräumen
forscht.
Dass wegen Corona nun an diesem langen Wochenende weitaus weniger kleine
oder große Allianzen geschlossen wurden, als hätten Teilnehmende und
Publikum sich einfach getroffen, ist bitter – auch dass alle allein statt
gemeinsam zu den Sets von Solaris, ANTR, Dorian Electra, Myss Keta und
anderen tanzten. Dennoch ist die Webedition dieses Festivals ein wichtiges
Zeichen in Zeiten, in denen die Rettung der Clubkultur bei vielen nicht
ganz oben auf der Prioritätenliste steht.
24 May 2020
## LINKS
[1] /Berliner-Stimmen-aus-der-Quarantaene/!5683419
[2] http://balance.ifz.me/
[3] /Corona-Queere-Community-verunsichert/!5678347
## AUTOREN
Juliane Streich
## TAGS
Clubkultur
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Festival
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