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# taz.de -- Höhepunkt des ersten Geister-Spieltages: Plötzlich beste Kumpel
> Das Duell Dortmund gegen Schalke am Samstag zeigt, wie schlecht in der
> Bundesliga gewirtschaftet wird – und wie gut Lobbyismus funktioniert.
Bild: So könnte es aussehen: 2017 musste Borussia Dortmund schon einmal vor le…
Es ist eine eigenartige Partnerschaft, in die der FC Schalke 04 und
Borussia Dortmund während der vergangenen Wochen hineingedrängt wurden. Die
beiden Revierklubs, die am Samstag zum Höhepunkt des ersten
Geisterspieltags der Bundesligageschichte gegeneinander antreten werden
(15.30 Uhr, live auf Sky), haben wunderbar harmoniert.
Hier der FC Schalke, dessen Name immer mitschwang, wenn hochrangige
Vertreter der Vereine ihre Drohkulisse von einer Bundesliga aufstellten,
die „in ihrer bisherigen Form nicht mehr existieren“ werde, sofern die Liga
zum Saisonabbruch genötigt würde. Die Gelsenkirchener wären womöglich bald
insolvent, wenn die TV-Zahlungen ausblieben, hieß es.
Und dort Hans-Joachim Watzke, der sich mit einem Interviewmarathon von Sky
über Bild-TV, 11 Freunde sowie die FAZ bis hin zu [1][„Markus Lanz“] zu
einer Art Chefsprecher der Saisonfortsetzungsbefürworter aufschwang. Und
der dann – selbstverständlich ohne Nennung des königsblauen Nachbarklubs –
gerne Sätze sagte wie: Ohne Geisterspiele „säuft die ganze Bundesliga ab“.
Aufmerksame Zuhörer brauchten nicht viel Fantasie, um den dazugehörigen
Nebensatz selbst zu ergänzen:… und zuallererst Schalke 04. So übten die
Schalker und der Dortmunder Geschäftsführer gemeinsam Druck aus, um eine
Wiederaufnahme des Spielbetriebs zu erwirken, die nach einer Umfrage des
ZDF-„Politbarometers“ nur 32 Prozent der Deutschen befürworten. Das ist ein
frappierendes Votum gegen einen Sport, dessen Protagonisten sich jahrelang
einbildeten, von der ganzen Welt geliebt zu werden.
## Den letzten Cent rausquetschen
Diese skeptische Grundhaltung der Menschen gegenüber den Fußballern lässt
sich gut verstehen, wenn man sich den FC Schalke 04 und Borussia Dortmund
etwas genauer anschaut. Hans-Joachim Watzke brauchte ziemlich lange, bis er
verstand, dass das in diesem Business tief verwurzelte Streben nach dem
größtmöglichen Vorteil für die eigene Sache derzeit so abstoßend wirkt wie
nie.
Während das ganze Land über Solidarität sprach, gefiel ihm die Idee, dass
reiche Vereine in Not geratenen Klubs helfen, überhaupt nicht. Schließlich
handle es sich um „Konkurrenten“, sagte er, „und da muss man das sehr gen…
miteinander austarieren, was noch Wettbewerb ist und was kein Wettbewerb
mehr ist“.
Das waren Worte, hinter denen viele Zuhörer exakt die Härte spürten, mit
der in der gesamten Fußballwelt versucht wird, auch noch den letzten Cent
aus dem Geschäft herauszuquetschen. Selbst in der Krise.
Watzke entschuldigte sich; er hätte sich „freundlicher und empathischer
ausdrücken können. Mea culpa“, erklärte er. Ob der Sauerländer zu den
Leuten gehören wird, die den von vielen Seiten geforderten Wertewandel im
Weltfußball forcieren, wird aber erst die Zukunft zeigen.
## Finanzlage bleibt in jedem Fall labil
Schalke 04 wird dann womöglich schon eine Insolvenz hinter sich haben, denn
der Klub hat seit vielen Jahren den Ruf eines Unternehmens, das trotz
gewaltiger Einnahmen vonseiten des russischen Sponsors Gazprom, aus der
TV-Vermarktung und aus dem Ticketverkauf bei kleinsten Erschütterungen in
finanzielle Schwierigkeiten gerät.
Genau diese Art des Wirtschaftens ist ein weiterer Aspekt, der den
professionellen Fußball so unsympathisch macht. Selbst wenn die Profis
jetzt wieder kicken, bleibt die finanzielle Situation in Gelsenkirchen
labil. Zumal niemand weiß, ob die Saison tatsächlich zu Ende gespielt wird,
unter welchen Umständen die kommende Bundesligaspielzeit stattfinden wird
und ob Einnahmen aus einem Europapokal die Bedrohung für die
Gelsenkirchener abmildern.
[2][„Es geht um die Existenz von Schalke 04“], hatte Marketingvorstand
Alexander Jobst zwar schon früh betont und damit einen Satz formuliert, der
ein gut funktionierendes Werkzeug der Lobbyisten war, die sich in den
Machtzirkeln der Republik erfolgreich für die Wiederaufnahme des
Spielbetriebs eingesetzt haben. Wer wollte schon verantworten, dass dieser
ruhmreiche, unterhaltsame und identitätsstiftende Verein sich in Luft
auflöst?
In Wahrheit war aber immer klar: Auch eine Insolvenz würde den FC Schalke
04 nicht auslöschen. Das Stadion würde weiterhin in Gelsenkirchen stehen,
die vielen Fans würden weiterleben, eine Insolvenz führte derzeit weder zu
einem Abstieg noch zu Punktabzügen. So hart ein solcher Absturz auch wäre,
überleben wird das königsblaue Wesen aus Gelsenkirchen genauso wie die
Bundesliga mit dem BVB, der deutscher Meister werden möchte.
Nun treffen die beiden Klubs also am Samstag aufeinander, in einem leeren
Stadion. Wobei Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge in der
Sport Bild erklärte, er gehe von einem Milliardenpublikum in der ganzen
Welt aus. Der nach frischem Sport dürstende Coronaplanet werde nach
Deutschland blicken. Auf ein Revierderby, in dessen langem Vorlauf beide
Vereine bestens funktionierende Rollen auf dem Weg zur Erfüllung eines
gemeinsamen Wunsches gefunden haben: dass es endlich wieder losgeht.
16 May 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=Agck_HE5jx0
[2] https://schalke04.de/inside/es-geht-um-die-existenz-des-clubs/
## AUTOREN
Daniel Theweleit
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