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# taz.de -- Fußball-Bundesliga mit Restart: Virologisch korrekt
> Der 1. Geisterspieltag der Geschichte ist Geschichte: Bundesligagucken
> kam einem erschreckend normal vor. Das lag auch am Fußball.
Bild: Jubel, virologisch korrekt: Erling Haaland nach dem Derbysieg gegen Schal…
Das war sie also, die erste Geisterspieltagsbundesligakonferenz. Gefreut
hatte man sich auf diese Konferenz ja schon vorher, denn stattfinden sollte
sie ursprünglich am 14. März, kurz nach dem ersten Geisterspiel der
Bundesliga-Geschichte zwischen Gladbach und Köln. Aber der Spieltag wurde
abgesagt. Aus Gründen. Nun wurde, eine flachgelegte Kurve später, und immer
noch unter besonderen Bedingungen, endlich doch gespielt.
In der Geistertabelle, die nur für diese besonderen Bedingungen gilt,
führte als erstes Borussia Dortmund. Der [1][BVB setzte sich souverän im
ersten Geisterderby mit 4:0] gegen die von allen guten Geistern verlassenen
Schalker durch, vor der nackten Wand, die dereinst mal gelb war.
Ein Wunder war das nicht – die Borussia zeigte, dass sie mit den
Verhältnissen am besten zurecht kam. Das Videospielartige, das ihren
Fußball unter Tuchel und jetzt Lucien Favre schon länger ausmacht, zeigte
sich nun nackt in aller Deutlichkeit: gutes System, feine Spielzüge,
technisch hochwertige Spieler, die in rasender Geschwindigkeit besten
Reißbrettfußball spielen können. Alles wie an der „Playse“, nur besser,
weil echt.
Und auch wenn mehr vereinzeltes Geschrei zu mehr Hall im geisterhaft leeren
Stadion führte: Dass die geisterhafte Atmosphäre die Spieler erschreckt,
irgendwie negativ beeindruckt haben, konnte man nicht sagen. Es stachen
sogar Spieler wie Mo Dahoud heraus, beschrieben als „befreit, mal nicht
unter dem Druck von 80.000 Fans zu stehen“. Trainingsatmosphäre auf
Spitzenniveau. Natürlich nicht das, was die Fans zwischen Bockwurst und
Bier auf engem Raum sehen wollen. Aber besser als nichts und viel besser
als gedacht.
## Mehr Spiel als sonst
Und es zeigte sich: Es war [2][sogar mehr Fußball als sonst]. Ablenkung
durch Publikum, die Eventisierung des Sports, das ganze sonst so
aufgeblasene Drumherum war diesmal aufs Mindeste heruntergeschraubt. Es war
mehr Spiel, viel mehr grüner Rasen zu sehen als sonst. So ließen sich auch
mehr Feinheiten begutachten, Feinheiten im Spielablauf. Die Spiele selbst
nahmen überraschend rasch Fahrt auf, Ideen wie Fans aus Pappe,
Fan-Tonspuren über Stadionlautsprecher, Atmo-Apps mit Direktreaktionen der
User zu Hause braucht man so gar nicht.
Corona-bedingte Skurrilitäten gab es natürlich auch zuhauf.
Mundschutzmasken, die schreienden Trainern schnell unters Kinn rutschten.
Sky-Reporter, die aus sicherem Abstand jeden engeren Körperkontakt entweder
kritisch beäugten oder mit schlechten Witzen versahen. Spieler, die statt
sich abzuklatschen gegenseitig den Ellenbogen hinhielten – die Spieler des
SC Freiburg schienen das am besten zu können. Insgesamt galt aber auch
hier: Erstaunlich professioneller Ablauf. Wobei sich die Frage stellt,
warum der körperbetonte Torjubel als virologisch nicht so korrekt
eingestuft wurde, wo doch alle Spieler vorher durchgetestet und von
möglichen Fremdkontakten möglichst weggesperrt wurden? Wo soll Corona
herkommen, wenn niemand nachgewiesenermaßen welches hat? Aber gut, die
Zeichen stehen auf Vorsicht, und vielleicht ist das auch immer noch
angebracht und gut so.
Trotz alldem aber scheint: Die Renormalisierung schreitet voran. Über den
moralischen Kontext wird man auch weiter lange Diskussionen führen, auf
allen möglichen Ebenen, auch über die Künstlichkeit der ganzen
Veranstaltung, von den Sonderrechten über das Quartiersmanagement in
abgesonderten Hotels bis zu den logistisch hochkomplexen Voraussetzungen
jedes einzelnen Spiels.
Am Samstagnachmittag, beim Gucken von der Couch aus, sah das alles aber
fast schon so normal aus, dass man sich vorstellen kann, dass viel
schneller noch viel mehr gehen könnte als noch vor Wochen gedacht. Die
Bundesliga wird sich aus diesem digital-viralen Zwischenzustand weiter- und
schnell wieder heraus entwickeln; die ersten Stadionbesuche – natürlich
immer noch mit entsprechenden Hygieneschutzverordnungen, und vielleicht
zunächst nur mit 50, mit 100, dann mit 1.000 Zuschauenden – scheinen gar
nicht mehr so weit.
16 May 2020
## LINKS
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## AUTOREN
René Hamann
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