# taz.de -- Corona-Hilfe für Selbstständige in NRW: Unterstützung als Luftnu… | |
> NRW-Landesregierung und Bund streiten darum, wie Finanzhilfen verwendet | |
> werden. Selbstständige fürchten, am Ende Geld zurückzahlen zu müssen. | |
Bild: Das Geld vom Bund – aber nicht für Lebensmittel | |
Bochum taz | Andreas Pinkwart, FDP-Wirtschaftsminister in | |
Nordrhein-Westfalen, gab sich zu Beginn der [1][Coronakrise] ungewohnt | |
großzügig. Auch Soloselbstständige sollten die Krise überstehen, die der | |
59-Jährige heute für „die größte seit Ende des Zweiten Weltkriegs“ häl… | |
9.000 Euro versprach Pinkwart per „NRW-Soforthilfe“ allen, die ohne | |
Angestellte oft von zu Hause arbeiten und „drastische Umsatzeinbußen“ | |
erlitten haben, weil sie dichtmachen mussten. | |
Von der freiberuflichen IT-Spezialistin bis zum Grafiker, von der freien | |
Journalistin bis zum Volkshochschullehrer, vom Schauspieler bis zur | |
Künstlerin – ihnen allen sollte schnell geholfen werden. Die Soforthilfe | |
diene „auch dazu, das eigene Gehalt und somit den Lebensunterhalt zu | |
finanzieren“, versprach Pinkwarts Wirtschaftsressort noch am 29. März im | |
Internet. | |
Anfang April aber verschwand dieses Versprechen leise und heimlich von der | |
Homepage des Düsseldorfer Ministeriums. Offenbar hatte der Bund das Land | |
zurückgepfiffen: Obwohl selbstbewusst „NRW“ im Namen von Pinkwarts Programm | |
prangt, stammt ein Großteil des Gelds aus dem 50 Milliarden Euro schweren | |
Soforthilfe-Topf der Bundesregierung. Und deren Bundesprogramm sehe „keine | |
Erstattung der privaten Lebensführung oder der privaten Miete vor“, stellt | |
ein Sprecher des vom Christdemokraten Peter Altmaier geführten | |
Bundeswirtschaftsministeriums klar. Die Unterstützung solle stattdessen für | |
„laufende Betriebskosten wie Büromieten, Kredite wie Betriebsräume, | |
Leasingraten“ verwandt werden. | |
Entsprechend verunsichert und enttäuscht sind die mehr als 346.000 | |
Soloselbstständigen allein in NRW. „Ich habe natürlich damit gerechnet, | |
dass ich von den 9.000 Euro in der Coronakrise leben kann“, sagt etwa die | |
Schauspielerin Melanie Kleinsorg. Ihr Kindertheater habe keine hohen | |
Betriebskosten, sie lägen bei maximal 2.000 Euro im Jahr. Die Unterstützung | |
wird die Schauspielerin deshalb kaum nutzen können: „Ich bin sauer, richtig | |
sauer“, sagt Kleinsorg. | |
## „ Das wird ein böses Erwachen geben“ | |
Die Schauspielerin ist kein Einzelfall. „Sicherheit für das persönliche und | |
unternehmerische Leben“ biete die Soforthilfe für viele Soloselbstständige | |
nicht, erklärt Katja Croy, Sprecherin der Industrie- und Handelskammern in | |
NRW: „Das bekommen wir intensiv in der Beratung unserer Hotlines mit.“ | |
Denn aus Angst vor Rückzahlungsforderungen rühren viele die Soforthilfe | |
nicht an – trotz massiver Einkommensverluste. „Für den Lebensunterhalt habe | |
ich das Geld nicht benutzt“, sagt etwa die freischaffende Regisseurin | |
Frauke Meyer, die an der San Francisco Opera ebenso gearbeitet hat wie an | |
der Deutschen Oper Berlin. „Ich traue mich einfach nicht.“ | |
Zwar stehe im Bewilligungsbescheid der Bezirksregierung Köln kein Wort | |
davon, dass die 9.000 Euro nicht für den privaten Lebensunterhalt verwendet | |
werden dürften, sagt Meyer – ebenso wenig wie in anderen Bescheiden, die | |
der taz vorliegen. Verschwurbelt wird stattdessen nur erklärt, die | |
Unterstützung müsse „vollumfänglich zur Kompensation der unmittelbar durch | |
die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt“ werden �… | |
ob für private oder nur für betriebliche Zwecke, wird dagegen nicht | |
erklärt. | |
Rückforderungen fürchtet Meyer trotzdem. „Das wird für viele Kolleg*innen | |
ein böses Erwachen geben“, warnt die Regisseurin, die jahrelange | |
Erfahrungen mit dem Zuwendungsrecht hat. Zwar hat Wirtschaftsminister | |
Pinkwart zusammen mit CDU-Kabinettskollegen Lutz Lienenkämper wochenlang | |
beim Bund versucht herauszuhandeln, dass Selbständige mit dem Geld auch die | |
Wohnung und den Supermarkteinkauf bezahlen können. Doch Berlin blieb hart. | |
Offiziell ausschließen will die Landesregierung Rückforderungen deshalb | |
nicht. Die Soforthilfe sei nur eine „Billigkeitsleistung, auf die kein | |
Rechtsanspruch besteht“, teilt das NRW-Wirtschaftsressort stattdessen | |
schriftlich mit. | |
## Hat Schwarz-Gelb das Problem inzwischen erkannt? | |
Nach den vollmundigen Versprechen von Minister Pinkwart sei jetzt das Land | |
in der Pflicht, findet dagegen die Opposition aus Sozialdemokraten und | |
Grünen: „Soloselbstständige brauchen Soforthilfe – und zwar zum Leben“, | |
sagt SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty. Für die Grünen fordert | |
deren Fraktionsvorsitzende Monika Düker, Vorbild müsse Baden-Württemberg | |
sein, wo schon seit Wochen 1.180 Euro für den privaten Lebensunterhalt | |
fließen. | |
„Wir brauchen ein eigenes Landesprogramm“, sagt auch der Vorsitzende des | |
Kulturrats NRW, Gerhart Baum. Unterstützung bekommt der einstige | |
FDP-Bundesinnenminister von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft | |
(GEW), die viele oft schlecht bezahlte freiberuflich Lehrende etwa an | |
Volkshochschulen vertritt. „Eine klare Entscheidung muss her“, sagt Joyce | |
Abebrese, GEW-Expertin für Erwachsenenbildung. Rückforderungen hält sie für | |
illegitim. Bis zu einer „Klarstellung“ solle das Geld aber besser nicht für | |
den Lebensunterhalt ausgegeben werden, warnt Abebrese trotzdem | |
Dass Hilfe dringend nötig ist, hat mittlerweile auch die schwarz-gelbe | |
Landesregierung von [2][CDU-Ministerpräsident Armin Laschet] erkannt. | |
„Jedenfalls muss das Problem gelöst werden, dass die meisten | |
Soloselbständigen vom Bundesprogramm derzeit keine Hilfe erwarten können“, | |
erklärt selbst Finanzminister Lienenkämper. Am Dienstag – so ist aus | |
Düsseldorf zu hören – wird Laschets Kabinett deshalb noch einmal über | |
Hilfen beraten – vielleicht auch aus der Landeskasse. | |
11 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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