Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Facebook entschädigt Moderator*innen: Traumatisierende Inhalte
> Facebook zahlt Moderator*innen eine Entschädigung von insgesamt 52
> Millionen US-Dollar. Das sollte Signalwirkung für die ganze Branche
> haben.
Bild: Vieles, was an Kommentaren, Bilder und dergleichen gepostet wird, ist psy…
Community-Manager*innen kennen die Belastung, die bei der Bewertung der
durch Nutzer*innen generierten Inhalte entsteht. Neben der Herausforderung,
im komplexen Feld von Gemeinschaftsstandards und gesetzlichen Vorschriften
navigieren zu müssen, sind viele der geposteten Beiträge verstörend,
abstoßend oder schlicht ekelhaft. Schlecht bezahlt ununterbrochen mit den
Abgründen menschlicher Niedertracht konfrontiert zu sein, heißt, an einer
Frontlinie unter Dauerbeschuss zu stehen.
Dass dieser Job zu Depressionen, Substanzenmissbrauch und sogar
posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) führen kann, ist in der
Diskussion um das Berufsbild viel zu wenig präsent.
Insofern ist es ein Meilenstein, dass [1][Facebook in einer gerichtlichen
Einigung mehr als 10.000 Moderator*innen eine Entschädigung von 52
Millionen US-Dollar] zugesteht. Mindestens 1.000 Dollar pro Person und bis
zu 50.000 Dollar für nachgewiesene Fälle von PTBS sollen ausgezahlt werden.
Interessant sind zwei Punkte an der Einigung. Zum einen die Tatsache, dass
die bei Subunternehmen angestellten Moderator*innen direkt von Facebook
entschädigt werden: Schließlich sind die Gründe für das Outsourcing an
Unternehmen wie Accenture, CPL oder Cognizant eine erhöhte Flexibilität,
geringere Kosten und eben nicht zuletzt der Schutz vor arbeitsrechtlichen
Auseinandersetzungen.
Ob genau diese Brandmauer vor Klagen von Moderator*innen auch nach
europäischem Recht fällt, wird sich in einem ähnlichen, [2][in Irland
laufenden Verfahren gegen CPL und Facebook] zeigen. Inwieweit
Entscheidungen in Nordamerika oder Europa Einfluss auf die
Arbeitsbedingungen in den Moderationssweatshops auf den Philippinen oder in
Indien haben, steht aber in den Sternen.
## Künftiger Arbeitsschutz
Die Signalwirkung der Einigung über die Entschädigung ist aber zumindest in
den USA für die ganze Branche bedeutend. Das Problem betrifft ja nicht
Facebook allein, sondern alle Netzwerke, die vom user generated content
leben, wie Twitter und vor allem die Googletochter Youtube. Der zweite Teil
der Einigung hat dabei nicht weniger Gewicht. Denn während die finanzielle
Kompensation auf einen bestimmten Personenkreis in vier Bundesstaaten
begrenzt ist, enthält das Papier, dem die Kläger*innen und das Gericht noch
endgültig zustimmen müssen, Regelungen zum künftigen Arbeitsschutz für die
Moderator*innen.
Darunter fällt die Verpflichtung, ausgebildetes und auf PTBS
spezialisiertes Personal vorzuhalten. Mit dem soll es regelmäßige Einzel-
und Gruppensitzungen für die Angestellten geben, bei besonders belastenden
Aufgaben sogar im Wochenrhythmus. Eine Möglichkeit für Moderator*innen,
bestimmtes Material aus der eigenen Moderationsschleife herauszuhalten,
soll geschaffen werden. Dazu kommen technische Hilfestellungen, die das Maß
verringern sollen, in dem die Angestellten belastendem Material ausgesetzt
sind. Das sind beispielsweise eine automatische Stummschaltung von Videos
oder die Verkleinerung des Ansichtsfensters bis auf Thumbnailgröße.
Teil der Einigung ist jedoch auch eine gewisse Rückversicherung für
Facebook. Die volle Verantwortlichkeit für Verstöße gegen die angestrebten
Arbeitsschutzstandards will das Netzwerk dann doch nicht übernehmen. Es
verpflichtet sich zwar, auf deren Einhaltung zu drängen und diese bei den
Subunternehmen zu überprüfen. Die Nachhaltigkeit dieser Kontrollen kann
aber durchaus angezweifelt werden. Und das nicht nur mit Blick auf die
außerhalb der Landesgrenzen operierenden Moderationsdienstleister. Denn
deren Geschäft ist auch in den USA von heftigen Preiskämpfen und häufigen
Anbieterwechseln geprägt. Immer wieder [3][ziehen sich Firmen ganz vom
Markt zurück].
Ein Automatismus folgt aus der gerichtlichen Einigung, die nach Auskunft
der Anwälte die erste ihrer Art ist, also nicht. Ein Anfang aber ist
gemacht. Ein Anfang, an dem zumindest implizit anerkannt wird, was für ein
Knochenjob die Contentmoderation ist und welche Maßnahmen helfen könnten,
ihn erträglicher zu machen
13 May 2020
## LINKS
[1] https://www.documentcloud.org/documents/6889329-Facebook-Settlement.html
[2] https://www.pri.org/stories/2019-12-12/facebook-content-moderators-sue-over…
[3] https://www.theverge.com/2019/10/30/20940956/cognizant-facebook-content-mod…
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Schwerpunkt Meta
Moderator
Arbeitsschutz
Posttraumatische Belastungsstörung
Netzkultur
Instagram
Digitale Wirtschaft
Hate Speech
Autobiographischer Comic
## ARTIKEL ZUM THEMA
Moderator:innen über Reddit-Streik: „Man kann konstruktiv diskutieren“
Reddit will an die Börse – gegen den Willen der Nutzer:innen. Zwei
Content-Moderator:innen sprechen über Mods, Subs und digitalen Streik.
Umgang mit Kinder-Daten: Rekordstrafe für Instagram
Wegen schwerer Verstöße gegen Datenschutzregeln für Kinder muss das
Netzwerk Instagram in Irland 405 Millionen Euro zahlen. Weitere Strafen
drohen.
Buch über digitalen Kapitalismus: In Zeiten des Überflusses
Neue Märkte, neue Unternehmen, neue Menschen? Philipp Staab geht den
Veränderungen durch die digitale Ökonomie auf den Grund.
Gesetze gegen Hate Speech: Digitale Internationale
Wer gegen illegale Inhalte in sozialen Medien vorgehen möchte, muss
international agieren. Das funktioniert bisher noch nicht einmal in Europa.
Comic über Job an der Hasskommentarfront: Kaffeepause vom Volkszorn
Freischalten, Ablehnen, Sortieren: Kathrin Klingners Comicfigur Kitty
kämpft sich in einer Hamburger Internetklitsche durch Hass und
Gewaltfantasien.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.