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# taz.de -- Gesetze gegen Hate Speech: Digitale Internationale
> Wer gegen illegale Inhalte in sozialen Medien vorgehen möchte, muss
> international agieren. Das funktioniert bisher noch nicht einmal in
> Europa.
Bild: Mitarbeiter im Löschzentrum von Facebook
Strafbare Inhalte im Internet sind ein Massenphänomen. Gerade erst hat eine
Umfrage des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung
einmal mehr belegt: [1][Journalist*innen werden vor allem über Social Media
bedroht], beleidigt und eingeschüchtert. Gerade in Zeiten der
Coronapandemie wird auch die Verbreitung von Falschinformationen zu einem
Problem.
Während bisher [2][die Plattformen in Deutschland] gesetzlich verpflichtet
wurden, in Selbstkontrolle entsprechende Inhalte zu filtern und zu löschen,
sollen sie, geht es nach dem Willen der Justizministerin Christine
Lambrecht, nun auch ihre Nutzer bei Verstößen anzeigen. Ob das reicht, um
den bis heute mehr oder minder rechtsfreien digitalen Raum zu
reglementieren?
Denn um wirklich wirksam gegen Hetze im Web vorzugehen, müsste es
internationale Regeln geben. Dafür macht sich auch Nordrhein-Westfalens
oberster Medienwächter, [3][der Direktor der Medienanstalt NRW Tobias
Schmid,] stark. Er hat [4][eine aktuelle Studie zum internationalen
Regelwerk] beim Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) mit initiiert.
Aber die entsprechenden Gesetze der Europäischen Union sind teilweise
bereits über 20 Jahre alt. Und der „Digital Services Act“, ein zentrales
Projekt der EU-Kommission, das eine übergreifende, zeitgemäße juristische
Grundlage für den digitalen europäischen Raum werden soll, scheint noch in
weiter Ferne.
Mark Cole, Leiter des EMR, sieht wesentliche Herausforderungen. Ein
Knackpunkt ist das „Herkunftslandprinzip“: Nur der EU-Staat, in dem ein
Provider oder Onlineanbieter seinen Sitz hat, darf den entsprechenden
Anbieter belangen, wenn auf seiner Plattform strafbare Inhalte zugänglich
sind.
## Fragmentiertes Regelwerk
Schon bei Hate Speech, der Hassrede, beispielsweise haben die europäischen
Länder teilweise komplett unterschiedliche Ansichten darüber, was erlaubt
ist und was strafbar. „Die Natur der Onlineinhalte, die regelmäßig bis zu
ihrer Entfernung verfügbar sind, erfordert Lösungen, mit denen der Zugriff
auf illegale und schädliche Inhalte schneller unterbunden werden kann“,
sagt Cole.
Dabei, so der Rechtswissenschaftler weiter, sei es denkbar, das
Herkunftslandprinzip beizubehalten, „aber gegebenenfalls eine Anknüpfung an
den Marktort zu ermöglichen, indem entweder die Verfahren vereinfacht oder
die Fälle, in denen andere als die Regulierungsbehörden des Herkunftslandes
tätig werden können, ausdrücklich definiert werden.“
Heißt: Auch in den Ländern, wo die entsprechenden illegalen Inhalte
konsumiert werden können, sollten die ansässigen Behörden ebenfalls die
Möglichkeit haben, gegen die Verantwortlichen vorzugehen, selbst wenn sie
in einem anderen EU-Land ihren Sitz haben.
„Es braucht Verfahren, die sich vor allem auf die Zusammenarbeit der
zuständigen Aufsichtsbehörden untereinander beziehen“, fordert daher
Schmid. Als Vorsitzender eines internationalen Gremiums, in dem sich die
Medienregulierungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten zusammengeschlossen
haben, sind er und seine Kollegen dabei, ein „Memorandum of Understanding“
zu verfassen, das genau dieses Ziel verfolge: „In jedem Fall“ sollten die
national zuständigen Aufsichtsbehörden bei der internationalen
Zusammenarbeit involviert sein, „weniger jedoch staatliche Stellen, etwa
Ministerien und die EU-Kommission“, so Schmid.
## Die Frage der Wettbewerbsfähgkeit
Aus EU-Führungskreisen heißt es dagegen, dass es in dieser Phase des
Prozesses verfrüht sei, über die genauen Instrumente zu spekulieren, die
eine wirksame grenzüberschreitende Zusammenarbeit gewährleisten könnten.
Die Befürchtung in Brüssel: Unkoordinierte Maßnahmen der Mitgliedstaaten
und der zuständigen Durchsetzungsbehörden könnten den Binnenmarkt für
digitale Dienste fragmentieren und europäische Unternehmen im globalen
Wettbewerb benachteiligen. Eine Lösung ist so schnell also nicht zu
erwarten und wird sicher noch Jahre in Anspruch nehmen. Ob sie dann noch
Sinn ergibt? Die digitale Welt jedenfalls wird sich auch in der
Zwischenzeit rasant weiterentwickeln.
13 May 2020
## LINKS
[1] https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Studie_Hass_und_Angri…
[2] /Neues-Netzwerkdurchsetzungsgesetz/!5662774
[3] /Medienanstaltsleiter-ueber-Hate-Speech/!5494067
[4] https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783748906438.pdf?download_full_pdf=1
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Hate Speech
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