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# taz.de -- 1. Mai in Hamburg: Auf der Reeperbahn abends um acht
> In St. Pauli demonstrieren rund 700 Menschen trotz Verbots. Die Polizei
> stellt sich massiv entgegen. Nach kurzer Eruption beruhigt sich die Lage.
Bild: Sicher mit Maske: DemonstrantInnen am Abend des 1. Mais auf der Reeperbahn
Hamburg taz | Die erste Durchsage kommt nach einer Stunde aus dem
Lautsprecherwagen der Polizei: „Diese Versammlung ist aufgelöst. Entfernen
Sie sich, oder wir setzen Wasserwerfer ein.“ Letzteres ist man in Hamburg
gewöhnt, aber die Androhung nicht unbedingt schon mit der ersten Durchsage.
„Grund dafür ist der Infektionsschutz“, sagt die Polizei. Ende der
Durchsage. Anfang des Katz-und Maus-Spiels zwischen Linken und
Polizist*innen.
Die anittimperialistische Gruppe Roter Aufbau, die am 1. Mai in Hamburg
meistens die größte Menschenmenge auf die Straße bringt, hatte um 20 Uhr
auf die Reeperbahn mobilisiert. Eine Demonstration war von der
Versammlungsbehörde verboten worden, das Verwaltungsgericht hatte das
bestätigt. Auf den Gang vor das Oberverwaltungsgericht verzichten die
Aktivist*innen wegen Chancenlosigkeit. Und auf eine legale Kundgebung mit
wenigen Teilnehmer*innen ließen sie sich nicht ein.
„Das hat dann nichts mehr mit Versammlungsfreiheit zu tun“, kommentiert
[1][der Rote Aufbau auf seiner Internetseite]. Auf eine Karikatur der
Versammlungsfreiheit habe man keine Lust. Falls wegen zu hoher
Polizeipräsenz nicht alle zusammen auf der Reeperbahn demonstrieren
könnten, solle man sich in Kleingruppen über das Viertel verteilen und
„kreativ sein“.
So bekommt Hamburg am Abend doch noch ein bisschen Krawall und Action,
nachdem der Tag ruhig geblieben war. Als in der Dämmerung schwarz
gekleidete und teils rot betuchte Kleingruppen auf St. Pauli eintreffen,
ist die Polizei schon da.
[2][An jeder Ecke der Reeperbahn steht eine Hundertschaft], Wasserwerfer
parken auf beiden Seiten der Partystraße, ein Räumpanzer wartet an der
Davidwache. [3][Den ganzen Tag über hatte sich die Polizei deeskalativ
verhalten], jetzt ist Schluss damit. So muss man wohl das Signal verstehen,
dass die Beamt*innen senden wollen.
Rund 700 Demonstrant*innen sammeln sich auf der Straße und auf den
Bürgersteigen. Einige trinken Bier, die Stimmung wird zunehmend
angespannter. Um 20:50 kommt die zweite Durchsage, auch Schaulustige
sollten sich entfernen. „In Kleingruppen kommen Sie durch die Polizeikette,
in größeren Gruppen auf keinen Fall“, sagt der Polizist durch den
Lautsprecher. „Halt die Fresse“, ruft ein Vermummter.
## Ein Böller knallt, ein Rauchtopf raucht
Viele Einzelne entfernen sich, um sich direkt hinter der Polizeikette am
Spielbudenplatz wieder zu versammeln. Ein Böller knallt, ein Rauchtopf
raucht, Demonstrant*innen rennen weg, Polizeigruppen hinterher. Kurz ist es
unübersichtlig, eilig, Polizist*innen drängen die Linken rabiat ab,
schubsen sie weg. Zwei Wasserwerfer verdrängen auch die Schaulustigen.
Nachdem auch die gefühlt hundert Polizeiwagen den Demonstrant*innen
Richtung Schanzenviertel gefolgt sind, herrscht kurz darauf schon fast
wieder Normalität auf der Reeperbahn. Vor dem größten Sexshop der Meile
lehnt sich ein Mann mit Zopf und ein zweiter im Hemd auf ein weißes Auto,
aus dessen Boxen laute Musik wummert. Eine Gruppe von zehn Personen steht
vor dem Kiosk und trinkt Alkohol mit Energydrinks.
Ein Hubschrauber kreist noch, aus den Nachbarstraßen hört man
Polizeisirenen. Für einen Freitagabend in Coronazeiten: alles wie immer.
1 May 2020
## LINKS
[1] https://roter-aufbau.de/?p=618
[2] https://twitter.com/Kat_Schipkowski/status/1256286193777610752
[3] /1-Mai-in-Hamburg/!5682633/
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Tag der Arbeit, Tag der Proteste
Protest
Hamburg
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Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
Schwerpunkt Coronavirus
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