# taz.de -- Streit um Freihandel und Coronavirus: Covid-19 stresst den Mercosur | |
> In der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ist man sich über den | |
> Freihandel uneins. Argentinien kehrt vorerst an den Verhandlungstisch | |
> zurück. | |
Bild: Argentinien zieht sich aus Mercosur-Verhandlungen zurück. Felipe Solà i… | |
Buenos Aires taz | Der Mercosur bricht vorerst nicht auseinander. Man werde | |
an den gemeinsamen Tisch zurückkehren, verkündete Argentiniens | |
Außenminister Felipe Solá am Donnerstag. Ein paar Tage zuvor hatte sich das | |
Land aus den Verhandlungen des Mercosur über die Freihandelsabkommen mit | |
Südkorea, Kanada, Indien, Singapur und dem Libanon ausgeklinkt und damit | |
den Bruch der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft riskiert. | |
Auf heftigem Druck der drei übrigen Mitgliedstaaten Brasilien, Uruguay und | |
Paraguay ist die argentinische Regierung nun zurückgerudert. Jetzt soll ein | |
Mechanismus gesucht werden, der es möglich macht, „in der Agenda für | |
Außenbeziehungen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voranzukommen“, | |
teilte Solá mit. Zugleich bekräftigte er, dass die Außenzölle des Mercosur | |
zum Schutz der Volkswirtschaften der vier Mitgliedsstaaten nur durch | |
gemeinsame Beschlüsse verändert werden können. | |
Wie das gelingen soll, ist wohl allen Beteiligten schleierhaft. Im Mercosur | |
tobt seit Monaten ein Streit. Mit der Amtsübernahme von Präsident Alberto | |
Fernández im Dezember änderte sich auch die Zielvorgabe aus Argentinien. | |
Bis dahin hatte sich die Vierergemeinschaft in Richtung Freihandel und | |
Weltmarktöffnung bewegt. Jetzt will Argentinien zuerst den Binnenmarkt des | |
Mercosur sichern und vertiefen, bevor neue Freihandelsabkommen geschlossen | |
werden. Brasilien, Paraguay und Uruguay drängen aber weiter auf eine | |
Senkung der gemeinsamen Zollaußenschranken. | |
[1][Die COVID-19-Pandemie hat die Lage zugespitzt]. „Es macht in diesen | |
ungewissen Zeiten keinen Sinn, über Freihandelsabkommen zu verhandeln, wenn | |
nicht einmal klar ist, in welchem Zustand sich die eigene Wirtschaft nach | |
Corona befindet“, hatte Außenminister Solá den Rückzug aus den | |
Verhandlungen begründet. Und obwohl er zugleich versicherte, dass sich | |
dieser nicht auf das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union | |
beziehe, war sofort vom Auseinanderbrechen der Wirtschaftsgemeinschaft die | |
Rede. „Der Mercosur ist das erste Wirtschaftsbündnis, das dem Virus zum | |
Opfer fällt“, kommentierte ein Händler an der Börse in Buenos Aires vor | |
laufender Fernsehkamera. | |
Die gemeinsamen Außenzölle schützen Produktion und Warenaustausch innerhalb | |
des Mercosur, indem sie günstigeren Anbietern von außen den Zugang | |
verwehren. So beträgt beispielsweise der Außenzoll auf Fahrzeug- und | |
Textilienimporte 35 Prozent. Ohne ihn stünden Argentiniens Autobauer und | |
die Textilindustrie schlicht vor dem Aus. „Wir können es nicht zulassen, | |
dass sie uns mit Autos überfluten, wenn unsere Autobauer auf 400.000 nicht | |
verkauften Fahrzeugen sitzen“, erklärte Felipe Solá und meinte das zur | |
Verhandlung anstehende Freihandelsabkommen mit Südkorea. | |
## EU-Mercosur: ein umstrittenes Abkommen | |
Die EU und die Mercosur-Staaten hatten sich im Juni 2019 auf ein | |
Freihandelsabkommen geeinigt. Die Verhandlungen über das Abkommen hatten | |
1990 begonnen, lagen aber zwischenzeitlich jahrelang auf Eis. Mit seiner | |
Umsetzung würde die größte Freihandelszone der Welt entstehen. Das Abkommen | |
ist jedoch höchst umstritten. So befürchten Umweltorganisationen weitere | |
Rodungen des Amazonasregenwaldes um Anbauflächen für Soja sowie die | |
Rinderzucht zu schaffen. Befürchtet werden auch Pestizidrückstände in | |
Nahrungsmitteln durch den massiven Einsatz von Agrogiften im Mercosur. | |
Damit es in Kraft treten kann, muss das Abkommen von allen 27 EU-Staaten | |
sowie den vier Mercosur-Staaten ratifiziert werden. Schon im März hatte | |
sich Österreichs Bundesrat gegen den Vertrag ausgesprochen, egal in welcher | |
Form. Deutschland hingegen hat sich für seine im Juli beginnende | |
EU-Ratspräsidentschaft vorgenommen, das Freihandelsabkommen voranzutreiben. | |
Fragt sich, in welchem Zustand sich dann der Mercosur befindet. | |
1 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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