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# taz.de -- 40 Jahre „Löwenzahn“: „Und jetzt? Richtig. Abschalten!“
> Peter Lustig begeisterte mit „Löwenzahn“ Jung und Alt. Nun wird die
> Sendung 40 Jahre alt – und wir erinnern uns zurück.
Bild: 1983 ist Peter Lustig als Unkrautgärtner unterwegs
## „Löwenzahn“ ist wie das „‚Neon‘-Phänomen“
Wenn ich das Wort „Löwenzahn“ höre, spielt sich eine Melodie in meinem Ko…
ab, die des Titelsongs. Sie ruft die Erinnerung an den Onkel mit runder
Brille und Schnauzer wach. Wohnen im Bauwagen war für Stadtkinder wie mich
spannend. Fast jeder, der in den späten 80er Jahren geboren wurde, muss
„Löwenzahn“ kennen.
Aber noch besser als ich erinnert sich meine Mutter an die Sendung mit dem
„sympathischen Aussteiger“. Sie versuchte zwar, unseren Fernsehkonsum
einzuschränken, aber Sonntagvormittag liefen „Die Sendung mit der Maus“ und
„Löwenzahn“. Vielleicht kann man das am besten mit dem „Neon-Phänomen“
beschreiben: Ein Medium kommt besonders gut bei den Eltern seiner
Zielgruppe an, wie es bei dem eingestellten Jugendmagazin der Fall war.
Irgendwann geriet „Löwenzahn“ in Vergessenheit. Vor Jahren kam das Gerücht
auf, dass Herr Lustig Kinder nicht besonders mochte. In den Sendungen
fehlten sie auch, ältere Menschen waren die Protagonisten. Doch es war ein
Thema, mit dem ich mich nicht näher befasste. Zu Unrecht. Kinder fehlten am
Filmset, weil Lustig sie nicht belasten wollte. Ob das für sie so schlimm
gewesen wäre? Das Kinderradio, mit dem ich früh begonnen habe, war alles
andere als das. Gerüchte hin oder her – die Melodie und Peter Lustig werden
uns noch länger gut in Erinnerung bleiben. Natalie Mayroth
## Ein freundlicher Alltagsanarchist, der niemandem schadet
Da ist dieser Löwenzahn, der zu einem beschwingten Lied durch den Asphalt
einer durchschnittlichen Nebenstraße bricht, direkt auf der Fahrbahn
zwischen den wenigen parkenden Autos. Erst ist es ein Löwenzahn, dann zwei
und drei, und am Ende des Intros sind es ganz viele. An mehr von dieser
guten, alten Sendung erinnere ich mich kaum, aber dieser freundliche
Anarchismus des Löwenzahns, wie er die graue Ordnung stört und Farbe in die
Welt bringt, hat mir schon als Kind gefallen.
Und ein bisschen so war auch Peter Lustig selbst, ein freundlicher
Alltagsanarchist, ein nerdiger Bastler, der im Wohnwagen wohnt und seine
Sachen halt einfach gern vor sich selbst hin frickelt. Seine punkige
Do-it-yourself-Attitüde war dabei nie aggressiv, ganz so wie der Löwenzahn
aus dem Intro auch nichts kaputtgemacht hat, sondern bloß etwas bunter und
schöner. Martin Rosie
## Die „Löwenzahn“-CD-ROM war unsere erste Computererfahrung
Bienensummen, ein chaotischer Garten. „Hallo aus meinem Bauwagen. Auf
dieser CD-ROM gibt es ne Menge zu gucken und zu tun“, sagt Peter Lustig in
einem krisseligen Video. Umrahmt ist es von einer bunten Zeichnung. Es ist
1999 und meine drei Brüder und ich sind im Besitz unseres ersten PC-Spiels
für den Windows-98-Computer unseres Vaters. Der steht im Keller, denn
dieser Technikkram soll bloß keinen Eingang in den Alltag finden.
Mit dem pünktlichen Abschalten hatten die Eltern und Peter Lustig eine
gemeinsame Linie. Die halbe Stunde Bildschirm-Zeit am Samstag wurde also
mit warmen Puschen an den Füßen und einem pädagogisch wertvollen PC-Spiel
verbracht. Gab es bei anderen Spielen schnelle Autos, Crashs und
Highscores, erklärte uns in der Terzio-Spielereihe „Löwenzahn 1–8“ der
tiefenentspannte Peter Lustig, wie wir Birken von Kastanien unterscheiden
oder wovon sich ein Maulwurf ernährt.
Wollten wir endlich zu den Mini-Spielen auf den CD-ROMS gelangen, die meist
ein beglückendes Jump-’n’-Run-Dauer-Mausklicken waren, mussten wir zunäch…
ein Erklärvideo über Igel schauen oder ein Quiz über Pilze durchklicken.
Die Belohnung waren dann Spiele, in denen wir einen schmelzenden Schneemann
abwerfen, Brücken konstruieren oder durch intelligentes Öffnen und
Schließen von Schleusen ein Essen ausliefern sollten, bevor es kalt wurde.
Ah, schade. Die halbe Stunde ist schon wieder rum. Linda Gerner
## Nur für den blauen Wohnwagen schaltete ich auf Kika
Ich war nie ein Fan von Kika, dem Kinderkanal. Für meinen Geschmack liefen
da Sendungen, die viel zu brav, viel zu langweilig waren. In meiner
Kindheit lief deshalb Super RTL, der verbotene Kindersender. Da gab es
Spongebob, einen gelben Schwamm, der in einer Ananas wohnte und
Burgerbrater war; Angela Anaconda, die sich ganz eigenartig bewegte und
ständig in absurde Träume flüchtete; oder Arnold, einen Jungen mit
Footballschädel. Ich bezweifle, dass diese Zeichentricksendungen meinem in
der Entwicklung steckenden Gehirn gut taten. Wer wollte, dass aus seinem
Kind mal was Ordentliches wird, ließ es deshalb lieber Kika schauen.
Eine Ausnahme gab es aber doch, für eine Sendung zappte ich immer auf Kika:
„Löwenzahn“. Peter Lustig lebte das Leben, von dem ich als Kind träumte. …
Bauwagen, mit Latzhose (ja, ich besaß nämlich auch eine), mitten in der
Natur.
Wenn Lustig aus seinem Zuhause trat, war da ein wild gewachsener Garten –
und ein nerviger Nachbar. Um den Nachbarn beneidete ich Lustig nicht so
sehr, aber mein Eindruck war: Wer Freiheit und Natur will, muss sich eben
auch mit deutschen Spießern rumschlagen. Lustig hat mir viel beigebracht:
All die Dinge, für die im Lehrplan kein Platz war oder für die meine Eltern
keine Zeit fanden.
Übrigens, ich habe – wie so viele wohl – nie abgeschaltet. Ich habe einfach
umgeschaltet, auf Super RTL. Und so lange weitergeschaut, bis der Fernseher
überhitzte und meine Mutter rief: „Mach aus. Du hast ja schon ganz
viereckige Augen.“ Erica Zingher
## Solche Sendungen waren noch Familienevents
Als „Pusteblume“ das erste Mal auf unserem Bildschirm flimmerte, war ich im
vorgerückten Kindesalter von 17 Jahren. Mein Bruder war zwei Jahre älter
und Papa und Mama noch älter. Ich weiß nicht mehr, ob wir schon die erste
Sendung gesehen haben. Aber als Peter Lustig zuerst aus seinem Häuschen und
später aus seinem Bauwagen zu uns ins Wohnzimmer stieg, hatten wir ihn
sofort in unser Herz geschlossen.
Meine Eltern hatten einen Schrebergarten und Peter Lustig war der
Gartennachbar, wie man sich ihn in einer Kleingartenkolonie nur wünschen
könnte. Gutmütig, ein bisschen kauzig, ja, aber immer lächelnd und
zufrieden und vor allem: kinderfreundlich.
Damals waren solche Sendungen richtige Familienevents. Nix mit Wiederholung
oder im Internet gucken. Gab’s ja nicht mal als Begriff. Wer „Pusteblume“
verpasste, musste eine ganze Woche leiden. Ja, „Pusteblume“ hatte die
Sendung geheißen und erst später wurde daraus „Löwenzahn“. Verstanden ha…
wir die Umbenennung nie. Eine Pusteblume ist was Tolles für Kinder, aber
wenn daraus der Löwenzahn wächst, dann ärgert das die Kleingärtner*innen.
Und jetzt? Abschalten und rausgehen, es kommt nichts mehr. Ihr seid ja noch
da. Abschalten! Jürgen Vogt
16 May 2020
## AUTOREN
Natalie Mayroth
Martin Rosie
Linda Gerner
Jürgen Vogt
Erica Zingher
## TAGS
Kika
Löwenzahn
Zeichentrick
Sendung mit der Maus
Wissenschaftsjahr
Kika
ZDF
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Peter Lustig. Immer mit Latzhose, Brille, Bauwagen, Natur.
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