# taz.de -- Nachruf auf Peter Lustig: Der Posterboy der Grünen | |
> Die 80er waren eine schlimme Zeit. Doch zum Glück gab es „Löwenzahn“ und | |
> Peter Lustig. Immer mit Latzhose, Brille, Bauwagen, Natur. | |
Bild: Peter Lustig war Ökologie- und Sozialkundelehrer mindestens einer Genera… | |
Schon in den 90er Jahren konnte wohl kaum ein Kind noch etwas mit Peter | |
Lustigs Geste am Ende von fast jeder „Löwenzahn“-Folge anfangen: | |
„Abschalten“, sagte er dann und machte dazu eine kreisende Bewegung mit der | |
Hand. Was sollte das? So machte man höchstens noch seinen Herd aus. | |
Denn wer hatte damals schon noch so einen Fernsehknopf? Einmal drehen, | |
knack, an, erstes Programm, nochmal drehen, knack, zweites Programm, | |
nochmal drehen, knack, drittes Programm. Und zurückgedreht: knack, knack, | |
knack. Aus. Keiner hatte mehr so was. | |
Doch was interessierten Moden? Es ging (und geht) bei „Löwenzahn“ um | |
Beständigkeit, ums Erhalten, um Immerwährendes. Immer Latzhose, immer | |
Brille, immer Bauwagen, immer Natur, immer grün – und immer den Fernseher | |
ausdrehen. „Und ihr? Ihr sitzt ja immer noch vor dem Fernseher in der | |
Stube! Ihr solltet lieber rausgehen. Heute kommt sowieso nichts mehr“, | |
sagte er schon am Ende der ersten Folge 1981. | |
„Löwenzahn“ war wohl die einzige Sendung, die ihre ZuschauerInnen nicht in | |
einen Audience-Flow einlullen wollte, sondern sie vom Bildschirm | |
verscheuchte. Der Tag war schließlich noch lang. Und außerdem Wochenende. | |
Lustig hat mit diesem pädagogischen Kniff Bemerkenswertes geschafft: Er | |
versöhnte das Bildungsbürgertum mit dem Medium Fernsehen. Zumindest für | |
eine halbe Stunde. Selbst die Lehrerkinder durften fernsehen, wenn | |
„Löwenzahn“ lief. Ich weiß das, ich spreche da aus Erfahrung. | |
Dabei war das Glotzen (noch so ein Ding von damals) doch bäh und musste – | |
auch hier spreche ich aus Erfahrung – möglichst stark limitiert werden. | |
Hatten sich die Muttis im Reformhaus doch gerade erst wieder drüber | |
unterhalten und waren sich darin einig wie selten. Einzige Ausnahme: | |
„Löwenzahn“. | |
Lustig passte mit seiner zupackenden, naturverbundenen Art in eine Zeit, in | |
der sich die Mittelschicht der Gesellschaft gerade ein Umweltgewissen | |
zulegte. Er war der nette Posterboy der Grünen. Auch seine Baghwan-Esoterik | |
passte zum links-ökologischen Mainstream. Er war ein gutes Vorbild in einer | |
gefühlt schlechten Zeit: Kalter Krieg, Atomkraft, Nato-Doppelbeschluss, | |
Waldsterben, Tschernobyl. Politisches und ökologisches Versagen führten uns | |
in den 80ern Hand in Hand ins Verderben. So fühlten viele. | |
## „Gute Reise, Peter Lustig“ | |
Und Peter Lustig verwandelte dieses Gefühle in etwas Konstruktives: Werft | |
nicht so viel weg! Die Dose kann man prima wiederverwenden! Nutzt das | |
Fahrrad und den öffentlichen Nahverkehr! Kompostiert, trennt den Müll, | |
pflanzt, baut, guckt, macht, fragt! All diese Imperative unterhaltsam zu | |
verpacken und zu inszenieren ist eine Kunst. Es war seine Kunst. | |
In seinen 25 Jahren bei „Löwenzahn“ war Peter Lustig der Ökologie- und | |
Sozialkundelehrer mindestens einer Generation. „In seinen Bauwagen wollte | |
ich immer einziehen. Gute Reise, Peter Lustig! Wir haben viel von Dir | |
gelernt“, schrieb der Grünen-Parteivorsitzende Cem Özdemir nach Lustigs Tod | |
bei Twitter. | |
Natürlich war Lustig nicht nur „Löwenzahn“. Der 1937 in Breslau geborene | |
und ausgebildete sowie studierte Techniker war schon viel früher zum | |
Fernsehen gekommen. Er war bei Kennedys „Ich bin ein Berliner“-Rede | |
verantwortlich für den Ton. Er war in den 70ern Teil der „Sendung mit der | |
Maus“. Er war „Pusteblume“, der „Löwenzahn“-Vorgänger. Er war Autor… | |
drei Mal verheiratet. Er war Vater. Er war Opa. Er war jahrelanger | |
Wahl-Nordfriese. | |
Dennoch werden ihn viele Kinder der 80er immer mit dem ZDF-Format | |
verbinden. Peter Lustig ist Teil ihrer Vitae, genauso wie Oshkosh-Hosen, | |
Alf und He-Man (zugegeben, sie passen nicht in diese Reihe), Vollkorn, | |
Holzspielzeug – und unfreiwilliger Fernsehverzicht. Er hatte es schließlich | |
so häufig gesagt: Abschalten. | |
Am Dienstag starb Peter Lustig im Alter von 78 Jahren. | |
24 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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