# taz.de -- Rassismus wegen Corona: „Diskriminierung wie nie zuvor“ | |
> Jae-Hyun Yoo berät koreastämmige Menschen, die in Deutschland Rassismus | |
> erlebt haben. Die Coronakrise habe zu einer Enthemmung geführt, sagt er. | |
Bild: „Da habe ich gemerkt, dass sich etwas zusammenbraut“: Jae-Hyun Yoo | |
taz: Herr Yoo, Sie sind von Berufs wegen normalerweise in Sachen | |
politischer Kunst unterwegs. Jetzt haben Sie in der [1][Coronakrise] ein | |
Hilfsangebot für Menschen aus Südkorea gestartet. Der Beratungsdienst „Uri�… | |
(auf koreanisch: Wir) ist als Gruppe in der Kommunikation-App „Kakao Talk“ | |
zu erreichen. Warum haben Sie sich entschlossen, das Projekt ins Leben zu | |
rufen? | |
Jae-Hyun Yoo: Menschen mit asiatischem Aussehen sind hierzulande derzeit | |
Zielscheibe von Rassismus und Diskriminierung wie nie zuvor. [2][Man | |
projiziert auf diese Menschen eine Schuld] an der aktuellen Bedrohung. | |
Bislang gab es aber keine Hilfsangebot speziell für SüdkoreanerInnen. | |
Ohnehin gibt es in ganz Deutschland nur vier südkoreanische | |
Landesvertretungen, nämlich in Berlin, in Hamburg, in Bonn und in | |
Frankfurt. | |
Aber es geht nicht allein um SüdkoreanerInnen, sondern bei den Opfern | |
rassistischer Anfeindungen handelt es sich auch um Deutsche mit | |
südkoreanischem Wurzeln, die wegen ihre Aussehens angegangen werden. Denen | |
kann kein Konsul helfen. | |
Was ist mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes? | |
Die ist derzeit telefonisch nicht besetzt und nur per Email zu erreichen. | |
Das hilft aber den Betroffenen nicht wirklich weiter. Sie bräuchten in | |
besonderen Krisenzeit eher mehr persönliche Unterstützung und klare | |
Strategien gegen Rassismus. | |
Was erleben die Betroffenen denn an Anfeindungen? | |
Eine Südkoreanerin, die derzeit in Deutschland studiert, hat uns | |
geschildert, dass ein Mann ein Marmeladenglas nach ihr geworfen habe, als | |
sie gerade aus dem Haus treten wollte. Außerdem berichtete sie, einmal sei | |
ein Auto an ihr vorbeigefahren, darin eine Gruppe junger Männer, die aus | |
dem Fenster heraus mit einem Messer fuchtelten und zu ihr „Corona-Scheiße!“ | |
hinüberschrieen. Wieder eine andere Frau schilderte uns, dass jemand vor | |
ihren Augen alte Brotreste in ihren Briefkasten stopfte, so als sei dieser | |
ein Abfalleimer und ebenfalls laut „Corona!“ rief. | |
Kriegen auch Familien diesen Rassismus zu spüren? | |
Leider ja. Eine Frau berichtete uns, dass sie kürzlich mit ihrer | |
15-jährigen Tochter in Leipzig unterwegs war. Ein junger Mann begegnete | |
ihnen, schrie „Corona!“ und schnippte seine Zigarettenasche direkt vor sie | |
und ihre Tochter hin, als wären die beiden Aschenbecher. Viele Menschen aus | |
Südkorea leben schon lange in Deutschland, ihre Kinder sind hier geboren. | |
Sie alle sagen, dass sie so etwas noch nie erlebt hätten. | |
Abstoßend. Wie helfen Sie jetzt den Betroffenen genau? | |
Wir möchten die Menschen aus der Ohnmacht und dem Schrecken holen. Erstens | |
erklären wir ihnen, wie sie bei der Polizei Anzeige erstatten können und | |
helfen bei Übersetzungen. Dann besorgen wir auch Kontakte zu AnwältInnen. | |
Wir vermitteln aber auch psychologische oder medizinische Beratung oder | |
helfen ganz praktisch dabei, an Mundschutz zu kommen. Eine südkoreanische | |
Schülerin aus München hat jetzt 30 Masken genäht, die wir nun bundesweit an | |
Leute verschicken, die welche brauchen. | |
Sind Sie selbst auch schon angegangen worden? | |
Ende Februar war ich in Düsseldorf in der Trambahn unterwegs, als einige | |
deutsche Männer einstiegen. Als sie mich sahen, sagten sie mit Blick zu mir | |
ganz laut, dass man ja in Deutschland vor Corona sicher sein könnte, wenn | |
nicht Chinesen in der Tram hocken würden. Mit dem „Chinesen“ war natürlich | |
ich gemeint. Und dort, wo ich wohne, forderte mich in einem Drogeriemarkt | |
die Kassiererin auf, jetzt aber bitte nicht in ihre Richtung zu husten, und | |
sie fragte mich, wie es nun in China so zuginge. Da habe ich gemerkt, dass | |
sich etwas zusammenbraut. | |
Wie reagieren Sie auf so etwas? | |
Entweder sage ich gar nichts oder ich antworte ganz neutral. Ich will nicht | |
auf die Logik derjenigen einsteigen, die in diesen Kategorien von „Wir“ und | |
„die anderen“ denken. Ich habe noch nie erklärt, dass ich gar kein Chinese | |
bin. Lieber klemme ich mich dahinter, dass sich deutsche Politiker gegen | |
die Diskriminierungen positionieren. Daher helfen wir mit unserer | |
Beratungsstelle den Betroffenen auch, Briefe an ihre Kommunalpolitiker zu | |
verfassen. Unsere Webseite heißt Uri, das bedeutet ins Deutsche übersetzt | |
‚Wir‘. Es geht also darum, dass sich die Community in dieser Krise stützt. | |
29 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Margarete Moulin | |
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