# taz.de -- Debatte über Antisemitismus: Rückendeckung für Mbembe | |
> Der umstrittene Philosoph Achille Mbembe bekommt Unterstützung: | |
> Intellektuelle beziehen Stellung und fordern die Absetzung Felix Kleins. | |
Bild: Von „kolonialer Besatzung“ spricht Achille Mbembe: israelische Siedlu… | |
Berlin taz | Mit gleich zwei neuen Stellungnahmen nimmt die Debatte um die | |
Antisemitismusvorwürfe gegen den kamerunischen Historiker und Philosophen | |
Achille Mbembe neu an Fahrt auf. In einem [1][ersten Schreiben] fordern | |
jüdische Gelehrte und KünstlerInnen die Absetzung des | |
Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein. In einem | |
[2][zweiten Schreiben] verteidigen WissenschaftlerInnen Mbembe gegen den | |
Vorwurf der Schoah-Verharmlosung. | |
„Wir halten Herrn Kleins Versuch, Prof. Mbembe als Antisemiten | |
hinzustellen, für unbegründet“, heißt es in dem ersten Schreiben, das | |
großteils von Lehrenden an israelischen und US-amerikanischen Universitäten | |
unterschrieben ist, darunter die SoziologInnen Eva Illouz und Moshe | |
Zuckermann sowie der Talmud-Gelehrte Daniel Boyarin. | |
„Abgesehen von dem persönlichen und beruflichen Schaden, der Prof. Mbembe | |
zugefügt worden ist, hat Herr Klein dem dringenden Kampf gegen echten | |
Antisemitismus einen schlechten Dienst erwiesen und die Integrität seines | |
öffentlichen Amtes beeinträchtigt“, heißt es in dem an Bundesinnenminister | |
Horst Seehofer gerichteten Schreiben. In Mbembes umstrittenen Passagen über | |
die NS-Zeit sehen sie weder eine Verharmlosung des Holocausts noch | |
Antisemitismus. | |
Um Mbembe, der die Eröffnungsrede der mittlerweile abgesagten Ruhrtriennale | |
halten sollte, war eine Debatte ausgebrochen, die durch Aussagen Kleins | |
angestoßen wurde. [3][Der Antisemitismusbeauftragte hatte Mbembe im April | |
vorgeworfen], das Existenzrecht Israels infrage zu stellen und den | |
Holocaust zu relativieren. Von der FAZ um eine Untermauerung seiner | |
Vorwürfe gebeten, [4][verwies Klein] lediglich auf ein Schreiben des | |
kulturpolitischen Sprechers der FDP-Fraktion im nordrhein-westfälischen | |
Landtag, Lorenz Deutsch. | |
## „Marginalisierung von nichtweißen Stimmen“ | |
Mbembe, einer der bedeutendsten Intellektuellen des afrikanischen | |
Kontinents und einflussreicher [5][Theoretiker des Postkolonialismus], | |
erkennt in der israelischen Politik in den palästinensischen Gebieten eine | |
„koloniale Besatzung“. In einem umstrittenen [6][Text] hatte er Vergleiche | |
gezogen zwischen dem südafrikanischen Apartheidregime und der israelischen | |
Politik sowie zwischen der Apartheid in Südafrika und dem Holocaust. | |
Auf diese Vergleiche Bezug nehmend, sprechen sich die AutorInnen des an | |
Seehofer adressierten Briefes gegen ein „Verbot von Analogien in der | |
Debatte über den Holocaust“ aus. Dies sei legitim und „vollkommen üblich … | |
der Holocaust- und Genozid-Forschung“. | |
In der Kritik an Mbembe sehen sie vielmehr eine „Indienstnahme des | |
Antisemitismus gegen Kritiker der israelischen Regierung (...), die von | |
ihrer Redefreiheit (...) Gebrauch machen, um gegen Israels Verletzungen der | |
Grundrechte der Palästinenser zu protestieren“. Dass Klein diesen Trend | |
anführe, der zur „Marginalisierung von nichtweißen Stimmen und Minderheiten | |
in Deutschland beiträgt“, sei eine Schande. | |
## Missbrauch des Begriffs Antisemitismus | |
In einem zweiten Schreiben, das unter anderem von der | |
Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, dem Publizisten Micha Brumlik und | |
dem Antisemitismusforscher Wolfgang Benz unterzeichnet ist, heißt es | |
ebenfalls, es sei „falsch“, Mbembe eine Verharmlosung der Schoah zu | |
bescheinigen. „Historische Vergleiche, die ja dazu dienen, Unterschiede und | |
Gemeinsamkeiten zwischen Ereignissen, Diskursen und Prozessen | |
herauszuarbeiten, sind nötig und legitim.“ | |
Mbembe werde vielmehr wegen seiner Positionen zur israelischen | |
Siedlungspolitik angegriffen. Die UnterzeichnerInnen sprechen von einer | |
„Kampagne“, die dazu diene, Mbembe zu delegitimieren, sowie von einer | |
„missbräuchlichen Verwendung“ des Antisemitismusbegriffs. „Als | |
Wissenschaftler*innen lehnen wir diese Art von Kampagnen ab, die Personen | |
(...) ohne Beweise, unter Zuhilfenahme manipulativ verzerrter Zitate und | |
Inhalte desavouieren sollen.“ | |
3 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dropbox.com/s/grroe59qdd92q2s/Aufruf%20an%20Bundesminister%20Se… | |
[2] https://www.dropbox.com/s/idp56qbs3wh4k05/Aufruf%20-%20Solidarit%C3%A4t%20m… | |
[3] https://www.waz.de/politik/antisemitismusbeauftragter-scharfe-kritik-an-ruh… | |
[4] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/philosoph-achille-mbembe-un… | |
[5] /Postkoloniale-Theoretiker/!5678482 | |
[6] https://www.radicalphilosophy.com/article/the-society-of-enmity | |
## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
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